Problem von Anonym - 20 Jahre

Bester Freund ein Soziopath?

Hallo Kuka Team

Ich lese hier nicht regelmässig und schreibe euch auch das Erstemal.
Ich habe viele Probleme, einige davon sind sehr existenziell und teilweise
auch dringender als dieses. Jedoch würde es mir sehr viel besser
gehen, wenn ich das folgende Problem irgendwie lösen könnte.

Ich hatte einen guten Freund, meinen besten.
Nun habe ich den Kontakt abgebrochen, doch ich vermisse ihn.

Wir lernten uns in der 6. Klasse richtig kennen.

Wir verstanden uns gut, kannten uns nach einem Jahr beinahe auswendig.
Wir tickten gleich. Wenn ich A sagte sagte er B. Wir dachten das Gleiche.
Wir wurden beinahe zu einer Person.

Er war Jemand für den ich durchs Feuer gegangen wäre.
Wenn ich ehrlich bin würde ich das wohl noch heute.

Er war/ist charismatisch, attaktiv und kann sich jeden zum Freund machen.

Auf diese Eigenschaften war ich neidisch, versuchte ihn zu kopieren.
Davon profitierte ich enorm, heute bin ich offen, kommunikativ und freundlich.
Ich arbeite als Verkäufer auf Provision, da muss ich das sein.

Ich weiss nicht mehr genau in welchem Alter ich die Sonderheiten seines
Charakters bemerkte, es muss so mit 16 gewesen sein.

Wenn man ihm zusah wie er mit anderen redete, bemerkte man deutlich eine schizophrene Eigenart.

Er redete mit jeder Person anders. Bei Freundin A, die Kifferin war, benutzte er Millieu-Ausdrücke die ich ihn sonst nie sagen hörte. Ausserdem veränderte sich jeweils seine ganze Art. Er gestikulierte sogar anders als ich es von ihm kannte.

Bei Kumpel B, einem Albaner mit der berühmten verhöhnten Ghetto/Hip-Hop Ausdrucksart vollzog sich dieses Schauspiel erneut. Er wurde für diese Minuten einer von ihnen. Er war ein ganz anderer Mensch, lies vulgäre Sprüche los und drückte sich unter seinem Niveau aus.

Als ich ihn so beobachtete hatte er nichts mit meinem Freund gemeinsam, er war eine Person mit der ich mich nie hätte verstehen können.

Dieses Schauspiel ergab sich bei jeder möglichen Situation, manchmal offensichtlich manchmal kaum wahrnehmbar.

Er verstand sich einfach mit jedem.

Ich sprach ihn auf diese Eigenart an. Er behauptete von nichts zu wissen und dass er sich normal verhalte.

Mit mir verbrachte er die meiste Zeit, doch drängte sich mir langsam eine Frage auf.

War er das wirklich?

Oder war seine Art mit mir umzugehen nur eine weitere sehr eingeübte
Seite seines Charakters.

War ich für ihn nur der anspruchsvollste Spielpartner und lachte er innerlich
über meine geistige Unterlegenheit? Oder liebte er mich so sehr wie ich ihn?

Versteht das nicht falsch, ich habe seit Jahren eine feste Freundin und die Art in der ich mich zu ihm hingezogen fühle beruht auf seinem Charakter und nichts anderem.

Diese Fragen wurden nie geklärt.

Teilweise begann ich egoistische Züge an ihm auszumachen wenn es wirklich um etwas ging. Diese Dinge waren jedoch für mich nicht der Rede wert.

Wir blieben die besten Freunde.

Unsere Wege teilten sich, als die Schule zu Ende war.

Er fand eine Ausbildung in einer weit entfernten Stadt, ich ganz in
der Nähe. Wir hatten kaum mehr Kontakt, es verging immer mehr
Zeit zwischen unseren Treffen.

Ich hatte das Gefühl dass er sich von mir entfremdete.
Vielleicht kam er auch einfach mit mir aus der Übung.

Er antwortete in unseren Gesprächen oft mit komischen Antowrten auf
meine Fragen, die ich zuletzt von ihm erwartet hätte.

Er kam oft das Wochenende über in unser Dorf zurück, nach einer Weile
begannen wir uns nicht mehr zu sehen.

Man könnte sagen das sich unsere frühere Freundschaft aufgelöst hatte.
Vorbei war es mit den gleichen Gedanken, der stets gleichen Meinung,
der stillen Übereinstimmung.

Ich hatte keine Zeit darum zu trauern, viele persönliche und berufliche Probleme überschatteten derlei Gefühle.

Als wir uns nach beinahe einem Jahr wiedersahen, erzählte er mir dass er in vielerlei kriminelle Delikte verwickelt war.

Ein weiteres Jahr in dem wir uns ca. 3-4 Mal sahen später, war er kaputt.
Er nahm Drogen und davon nicht die sanften.

Ein halbes Jahr vor Abschluss seiner Ausbildung verschwand er.

Seine Mutter rief mich oft an und fragte ob ich nicht etwas wüsse.
Ich wusste nichts, liess aber nichts unversucht ihn zu finden.

Aufgetaucht ist er in einer anderen Grossstadt, in der er mit Drogen handelte.
Er wurde von der Polizei aufgegriffen.
Danach war er bei mir in der Nähe in einer psychiatrischen Klinik.
Diese Info erhielt ich von seinem Stief-Vater.

Ich entschied mich den Kontakt mit ihm herzustellen und fragte nach seiner aktuellen Handynummer.

Danach sahen wir uns öfter, er war in einer offenen Abteilung und hatte Zeiten zu denen er ausser Haus durfte.

Er erzählte mir wohl nahezu alles. Unsere Gespräche waren tiefsinnig und ehrlich. Jedenfalls machten sie diesen Eindruck.
Nach einigen Wochen empfand ich sogar wieder dieses tiefe Gefühl der Freundschaft und des Verständnisses. Unbeachtet seiner vielen Fehler war
er immernoch die Person die mich am besten Verstand.

Und dieses Gefühl vermittelte er mir sehr stark.

Der Kritische wird sich nun fragen, hat er mich nur ausgenützt weil er sonst niemanden mehr hatte?

Ich weiss es nicht. Ich weiss nur dass er mir ein Gefühl des Wohlbefindes gab.

Es dauerte nicht lange bis er sich wie schon früher in Schwierigkeiten brachte.
Er übernachtete mit seiner Freundin, ebenfalls aus der Psychiatrie, bei mir zuhause. Dies hätten sie nicht gedurft, was er mir sagte.

In der Psychiatrie brach er auch viele andere Regeln, oft brachte
er die anderen Menschen zu seinem Spass gegeneinander auf.
Manchmal erzählte er Menschen mit Halus, das er sie auch sehen könne, worauf diese ausrasteten.

Schwerwiegende Folgen gab es nicht, er verstand es offensichtlich seine
Betreuer zu täuschen. Dies durfte ich einmal persönlich miterleben. Im Gespräch mit einem Psychologen machte er den Eindruck eines rehabilitierten, zukunftsorientierten, jungen Mannes.

Einmal mehr wurde ich zeuge seine Fähigkeit zu lügen, und facettenreich zu sein ohne mit der Wimper zu zucken. Weiter, dabei sogar Gefühle zu zeigen wie Schuld oder Reuhe. Seine Fähigkeiten diesbezüglich waren beinahe unheimlich und meinen, nur beruflich verwendeten, weit unterlegen.

In Gesprächen mit mir drang jedoch seine Depression über die Welt durch, die ich teilte. Er erklärte mir seine Gefühlskälte gegenüber jedem und das ich sein einziger Freund wäre.

Mit seinen Eltern verstand er sich nie, doch dies ist eine andere sehr tragische Geschichte, die zweifelsohne unzählige Traumas verusachte. Dies werde ich keinesfalls hier verraten, ich habe bereits viel zu viel preisgegeben.

Als er aus der Psychiatrie entlassen wurde verschaffte ich ihm einen Job in meiner Firma.

Unsere Freundschaft war auf einem Status, in dem ich seine Vergangenheit ignorierte. Ich wusste um seinen speziellen Charakter, doch dies interessierte mich nun nicht weiter. Ich genoss unsere wiedererblühende Freundschaft, blieb jedoch auf der Hut.

Den Job, welchen ich nach wie vor mache, konnte er dank seiner charismatischen Art als Sprungbrett für eine besserbezahlte Stelle benutzen.

Ich freute mich für ihn.

Die nun folgende Entfremdung kann ich mir nicht ganz erklären...
Wir sahen uns gelegentlich, seine Lage stabilisierte sich.

Meine Freundin spielte von nun an eine entscheidende Rolle.

Sie hasste ihn von Anfang an.

Wann immer möglich verhinderte sie das ich mich mit ihm traf.
Sie war eiversüchtig auf unsere Art des stillen Verständnisses, von dem sie
ausgeschlossen wurde.

Ich stand vor einer Entscheidung und ich entschied mich
für meine Freundin, mit der ich nun bereits seit 3 Jahren zusammen bin.

Sie schafft es bis heute unsere Begegnungen zu verhindern.

Nun komme ich ans Ende und zu meiner eigentlichen Frage.

Ist dies gut für mich oder nicht?

Kann eine Person, so intelligent, so mannipulativ, schizophren, früher drogenabhängig sowie kriminell, mein bester Freund sein?

Woher weiss ich dass er mich nicht wie einen seiner anderen vielen vielen Freunde/Bekannten für seine Zwecke benutzt?

Spielt das überhaupt eine Rolle? Fühle ich mich doch so wohl in
seiner Gegenwart, dass seine wahren Motive verblassen?


Ist er mit sich uneins und sind seine mit mir geteilten Gedanken
doch die Wahrheit?

Eins ist sicher, das Gefühl das ich früher empfand, dass wir wie eine Person denken, das gleiche empfinden und zusammen über die Welt lachen...

...ist beinahe wieder so stark wie früher.

Und ich vermisse ihn.



Nun tut es mir Leid das hier geschrieben zu haben.
Seine Bekannten würden nicht darauf kommen um wen es geht.
Das würde nur er. Solltest du das lesen, melde dich bei mir.
Wir sollten reden.

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich!

Und mal wieder sitze ich hier und sage: Ich weiß es einfach nicht. Du beschreibst ihn und seine Fähigkeiten sehr genau und es klingt schon unheimlich, wenn ich das Wort benutzen darf. Allerdings kam mir beim Lesen der Gedanke: Ob er das bewusst macht? Ist er so selbstsicher, wie er zu seinen scheint? Oder nimmt er Facetten seines Gegenüber so leicht an, weil er selbst die eigenen nicht kennt und darstellen kann? Wäre vielleicht eine andere Möglichkeit.

Wird seine Therapie amublant fortgesetzt? Gibt es die Möglichkeit, mit dem Psychologen zu sprechen? Es gibt in Therapien oft Familien- und Partnergespräche; vielleicht auch Freudschaftsgespräche? Das könnte Dir ein Stück in Deiner eigenen Einschätzung weiterhelfen, oder?

Um auf Deine Fragen einzugehen:

"Kann eine Person, so intelligent, so mannipulativ, schizophren, früher drogenabhängig sowie kriminell, mein bester Freund sein?"
- intelligente Menschen hat man gern um sich
- früher drogenabhängig, kriminell; ich denke, da liegt die Betonung auf 'früher'; muss heute keine Rolle mehr spielen
- manipulativ; ist er das? Lässt Du Dich von ihm führen und manipulieren? Okay, der Trick dabei ist ja im Allgemeinen, dass der andere es nicht wahrnimmt. Aber Du scheinst schon auch hinter die Facetten sehen zu können - also: Lässt Du Dich von ihm manipulieren? Oder besteht ein Teil des 'Zaubers der Freundschaft', dass Du für ihn ein Mensch bist, bei dem es nicht funktioniert?
- schizophren; ist die Diagnose gestellt? Dann doch sicher mit Medikamenten behandelt. Oder ist es Deine eigene Diagnose?

"Woher weiss ich dass er mich nicht wie einen seiner anderen vielen vielen Freunde/Bekannten für seine Zwecke benutzt?"

Du kannst es nicht wissen. Die Basis jeder Beziehung und Freundschaft ist Vertrauen. Kannst Du ihm vertrauen?

"Spielt das überhaupt eine Rolle? Fühle ich mich doch so wohl in
seiner Gegenwart, dass seine wahren Motive verblassen?"

Ist die Entscheidung nicht schon gefallen? Mir kommt es fast so vor, als seist Du ein Stück auf der Suche nach Absolution. 'Ja, das kannst Du machen' damit, wenn es schief geht, Du nicht allein die Entscheidung gefällt hast. Diese Freundschaft scheint für Dich etwas besonderes zu sein - und die Frage, ob sie Dir wirklich gut tun, wirst Du für Dich selbst entscheiden und erleben müssen.

"Ist er mit sich uneins und sind seine mit mir geteilten Gedanken
doch die Wahrheit?"

Ich weiß es nicht. Ich bin weder Psychologin, noch kann ich ihn irgendwie einschätzen.

Ich weiß, meine Antwort ist wahrscheinlich kaum eine Hilfe. Tut mir Leid.

Alles Gute!
Dana