Problem von Noemi - 20 Jahre

ich werde sterben

Hallo !
Ich weiß einfach nicht wohin mit meinen Gedanken und Gefühlen, ich möchte sie loswerden, fand aber keinen Ort ... außer diesen hier. Ich hoffe, es ist ok, wenn ich hierher schreibe ...

Vor drei Jahren bin ich an Leukämie erkrankt, hatte Chemotherapie und bekam Stammzellen von meiner Zwillingsschwester ... Es schien, als wäre der Krebs besiegt ... Dann kam der Rückschlag, es wurden wieder Leukozyten gefunden, zuviele ... Wieder das gleiche Prozedere, allerdings stärkere, intensivere Chemos und zusätzliche Tabletten. Die Krankheit ist weiter fortgeschritten ...Mein Körper ist durch die agressiven Medikamente ziemlich kaputt geworden...
Meine Leukämie ist jetzt akut, ich bin austherapiert, es besteht keine Hoffnung auf Heilung mehr ...
Die Ärzte geben mir nur mehr wenige Wochen zu leben, nur mehr den August ...
Eine Welt ist für mich zusammengebrochen, ich hatte doch noch soviel vor in diesem Leben ...
Ich will nicht sterben, ich will nicht ... Aber was bringt es mich dagegen zu wehren ? Es gibt keinen Ausweg, es gibt keinen Weg, der den Tod umgehen kann.
Ich muss mich dem Tod stellen, auch wenn ich solche Angst davor habe.
Ich werde meine Familie vermissen, ich will sie nicht verlassen, ich habe sie doch so unendlich lieb ...
Soviele Dinge möchte ich noch sagen, ich möchte der ganzen Welt noch etwas sagen, bevor ich sterbe, aber wie ?

Eigentlich sollte ich jetzt aus jeder einzelnen Minute meiner letzten Tage etwas ganz Besonderes machen, doch ich kann es nicht... Ich realisiere nicht, dass ich bald nur mehr eine Erinnerung sein werde, mein Leben bald zu Ende ist. Ich will mein Leben bis zu meinem Tod so wie bisher gestalten, ohne Besonderheiten, möchte noch wenige Wochen mein normales Leben leben ...
Tränen laufen mir unaufhaltsam über mein Gesicht ...

Ich frage mich gerade, wieso ich hierher geschrieben habe, leben werde ich deswegen auch nicht länger ...
Ich glaube, ich möchte einfach nur meine derzeitigen Gefühle aufschreiben, dort aufschreiben, wo ich eventuell eine Antwort bekomme ...
Ich möchte auf keinen Fall Mitleid erregen, das brauche ich nicht, auch kein Mitgefühl ... einfach nur jemanden, der mir zuhört ...
Dafür möchte ich mich jetzt schon bei Ihnen bedanken, denn Sie haben mir gerade zugehört, mehr brauche ich nicht, herzlichen Dank !

Wissen Sie, als ich vor drei Jahren die Diagnose erhielt, brach alles in sich zusammen, mein bisheriges Leben lief wie ein Film ab, ich dachte, ok, jetzt werde ich sterben. Die Ärzte sagten: " Es gibt sehr gute Heilungschancen. In Ihrem Fall wurde es sehr früh erkannt, und da sind die Chancen wieder gesund zu werden nochmal höher. Sie müssen kämpfen und wir werden Sie dabei unterstützen."
Es war alles so unreal, so unbegreiflich, ich dachte es war ein schlechter Scherz ...
Ich habe gekämpft, bin durch Höhen und Tiefen gegangen, hatte lange Zeit den Mut nicht verloren, denn ich wusste wofür ich kämpfe. Aber ich habe diesen Kampf verloren, der Krebs war stärker als ich, ich muss mich damit abfinden, ob ich will, oder nicht.
Mich macht es sehr traurig, dass ich nicht mehr leben darf, ich liebte mein Leben, hatte ein sehr, sehr schönes.

Ich möchte meiner Familie noch einen Abschiedsbrief schreiben, meinen Freunden, meinen Ärzten und Therapeuten ... Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Ich hatte noch nie zuvor einen solchen Brief verfasst. Es ist so eigenartig für mich dies zu schreiben, meine letzten Worte für immer.
Ich glaube, wenn ich diesen Brief nicht schreibe, dann werde ich auch nicht sterben, reine Illusion ...
Wie beginne ich einen solchen Brief ?
Alles was ich will, ist noch einmal allen danke zu sagen, meiner Familie und Freunden, wie lieb ich sie habe, wie froh ich bin sie in meinem kurzen Leben gehabt zu haben. Ich möchte mich für deren liebevolle Unterstützung bedanken ... Meinen Sie, dass das richtig ist, wenn ich soetwas tue ?

Oh Gott, mir laufen die Tränen übers Gesicht ... Ich könnte schreien, Teller zu Boden werfen, meinen ganzen Zorn irgendwo rauslassen ...Aber auf wen oder was bin ich sauer ? Auf mich, auf mein Leben, auf den Krebs oder auf die Ärzte ?
Ich weiß es nicht ...

Danke, dass ich meine Gedanken und Gefühle hier deponieren durfte.
Ich erwarte mir keine Antwort, es ist besser, wenn Sie Menschen helfen, die noch etwas zu verlieren haben, ich möchte Sie mit meinem Schreiben nicht aufhalten, dennoch muss ich ehrlich gestehen würde ich mich über einpaar Worte freuen ...

Ihre Arbeit ist wirklich bewundernswert. Was Sie hier leisten verdient vollen Respekt und Hochachtung. Vor Menschen, wie Ihnen, muss man den Hut ziehen.
Ich hoffe wirklich, jeder einzelne von Ihnen ist sich bewusst, was Sie hier leisten, Sie leisten Großartiges !
Ich glaube ich spreche im Namen aller, wenn ich einfach einmal ein riesengroßes D A N K E S C H Ö N auspreche ...

Liebe Grüße,
Noemi

Michelle Anwort von Michelle

Hallo Noemi,

leider hatten wir in der Vergangenheit hier so viel zu tun, dass wir erst jetzt dazu kommen dir zu antworten. Ich hoffe, dass es noch nicht zu spät ist!

Beim lesen deines Textes sind mit die Tränen in die Augen gekommen. Wie kann ein so junger Mensch nur soviel Pech haben und so hart bestraft werden? Das wirst du dich sicherlich auch schon oft gefragt haben. Und genau wie du habe ich leider keine Antwort darauf. Solche Schicksalsschläge sind und werden immer unbegreiflich bleiben. Dennoch bewundere ich dich für deine Stärke.

Deine Angst vor dem Tod kann ich sehr gut verstehen. Die Angst vor dem ungewissen, was dann kommt. Man möchte noch weiter leben, darf aber nicht. Und immer diese Frage Warum? Deshalb bewundere ich deine Stärke, wie du über deine größten Ängste schreiben kannst, dich allen mitteilen kannst. Meine Hochachtung.

Versuche die letzten Tage zu genießen, auch wenn es schwer ist. Vielleicht hast du noch mehr, als dir gesagt wurde. Vielleicht schaffst du es ja nochmal zu kämpfen und den Krebs erneut zu besiegen? Es steckt doch soviel Lebenswille in dir drinnen. Genieße jeden Tag aufs neue, freu dich jeden Morgen wenn du wieder aufwachst, denk nicht immer an das, was kommen wird.

Du möchtest deinen Lieben schreiben, wieviel sie dir bedeuten, wovor du Angst hast, was dich bewegt, weißt aber nicht wie. Ehrlich gesagt finde ich, dass die Worte die du uns geschrieben hast einfach alles aussagen. Ich finde es eine sehr schöne Idee, dass du allen noch danken möchtest, für die zeit, die du mit ihnen erleben durftest. Ich finde es eine wunderschöne Idee und bin mir sicher, dass sie deine Lieben auch darüber freuen würden. Schreib einfach drauf los, es muss keinen Anfang und kein Ende geben. Denk an die Person und schreib auf, was dir gerade einfällt. Ob es eine lustige Geschichte aus der Vergangenheit, ein Dank für die Unterstützung oder deine Ängste sind. Schreib ihnen den Brief, indem du ihnen alles sagen und erklären willst. Vielleicht geht es dir danach etwas besser.

Ich könnte noch stundenlang schreiben, wie sehr mich deine Mail berühert hat, aber genau das möchtest du nicht, deshalb lasse ich es und wünsche dir einfach für die letzten Tage in deinem Leben ganz viel Kraft und noch wunderschöne Momente, die in Erinnerung bleiben können.

Fühl dich gedrückt
Michelle

Ich würde mich freuen, wenn du von dir hören lässt, wenn du das liest!

Schreib allen den du was sagen willst, genau das, was du uns hier geschrieben hast. das sagt alles aus!