Problem von Anonym - 16 Jahre

Meine Eltern verstehen meine Trauer nicht

Liebes Kummerkastenteam!

Erst mal möchte ich danke sagen, dass es euch gibt und dass ihr euch die Mühe macht, anderen zu helfen.
Ich hoffe, dass ihr auch mir helfen könnt, denn ich habe ein Problem, das immer dringender wird.

In den Sommerferien des letzten Jahres wollte ich arbeiten gehen um mir ein bisschen Geld zu verdienen. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass ich einen Ferienjob finden würde, da las ich in der Zeitung, dass eine Familie, die ein krankes Kind hat, jemanden sucht, der sich ein wenig mit dem Kind beschäftigt und mit ihm spielt, um es so abzulenken und ihm etwas Neues zu bieten. Ich habe mich daraufhin dort beworben und nach einem kleinen "Vorstellungsgespräch" haben mich die Eltern dann gefragt, ob ich den Job haben will. Ich habe mich natürlich darüber gefreut und zugesagt, denn ich wusste ja, worum es geht. Sie haben dann auch noch mit meiner Mutter geredet und gefragt, ob das ok sei, wenn ich mich ein wenig um ihre Tochter kümmere und mit ihr spiele und so. Meine Mutter war anfangs nicht ganz so begeistert, weil sie Angst hatte, dass mich die Situation überfordern könnte (ich war damals gerade 15 geworden). Ich habe dann mit ihr geredet und ihr klar gemacht, dass ich sofort aufhören würde, wenn ich nicht damit zurecht käme, was mir auch die Eltern des Mädchens angeboten hatten.
Nun muss ich dazu sagen, dass das Mädchen eine ziemlich seltene Stoffwechselkrankheit hatte, die dazu geführt hat, dass die Kleine (4 Jahre alt) ständig Rückschritte macht und sich immer weiter zurückentwickelt hat, sowohl geistig als auch körperlich. Mir war klar, dass sie das Erwachsenenalter nicht erreichen würde und dass es hart sein würde, das alles mit anzusehen. Doch ich habe sie von Anfang an gemocht und hatte viel Freude mit ihr.
Im April dieses Jahres starb sie. Es ging alles relativ schnell und ich war froh, dass ich sie eine Woche vor ihrem Tod noch habe besuchen können.
Meine Eltern waren in Urlaub als ich von ihren Eltern von ihrem Tod erfuhr, ich war jedoch nicht alleine, denn meine Schwester, die sieben Jahre älter ist als ich und ihr Freund haben sich sehr lieb um mich gekümmert und sind auch mit mir auf ihr Begräbnis gegangen.
Es hört sich ziemlich schlimm an, aber ich war irgendwie froh, dass meine Eltern und besonders meine Mutter nicht da waren, weil meine Mutter immer sehr viel Show abhält und ich das überhaupt nicht mag und unehrlich finde.
Natürlich war sie auch vom Tod der Kleinen betroffen, aber sie hatte sie nur einmal gesehen und somit eigentlich nichts mit ihr zu tun gehabt. Es hat mich total aufgeregt, als sie im ganzen Dorf so getan hat, als hätte sie die Kleine und ihre Eltern so gut gekannt. Ich habe ihr das auch gesagt und daraufhin meinte sie nur, dass ginge mich nichts an und mir wäre das ja scheinbar egal.
Meine Mutter versteht einfach nicht, dass ich nicht der Typ bin, der sich mit sowas wichtig machen muss und ich auch nicht gerne darüber rede.
Ich habe versucht, ihr das in einem Gespräch zu erklären, aber sie will sich einfach nicht darauf einlassen.
In der Zeit nach dem Tod der Kleinen gings mir nicht besonders gut und ich konnte und wollte einfach nicht ihre Eltern besuchen gehen. Das klingt vielleicht egoistisch aber ich hatte einfach nur Angst, dass ich die ganze Zeit weinen müsste und das hab ich auch jetzt noch, deswegen will ich irgendwie nicht ihre Eltern besuchen. Nicht, dass die irgendwie ein schlechtes Gewissen haben, dass ich auf ihre Tochter aufgepasst hab und jetzt nicht richtig damit fertig werde.
Nun zu meinem eigentlichen Problem:
Meine Mutter bedrängt mich mittlerweile fast jeden Tag, dass ich die Eltern besuchen soll. Ich will und kann das aber glaube ich noch nicht und das habe ich meiner Mutter auch gesagt. Sie will mich aber mit aller Gewalt da hin bekommen und das Schlimmste ist, dass sie mitgehen will.
Gespräche nützen nichts, ich hab versucht, ihr einen Brief zu schreiben, der nichts genützt hat und ich habe sie auch schon gefragt, was das Ganze eigentlich soll. Darauf habe ich keine Antwort bekommen.
Meine Schwester will ich nicht da reinziehen, die ist in der 37. Woche schwanger und muss nicht mit sowas belastet werden. Mit meinem Vater kann ich über sowas auch nicht reden, dem ist das eigentlich nicht wirklich wichtig und der traut sich auch nicht, was zu meiner Mutter zu sagen.
Ansonsten wüsste ich niemanden, der Einfluss darauf hat.

Ich weiß einfach nicht, was ich jetzt tun soll, da meine Mutter mich mittlerweile deswegen schon beleidigt und mich fertig macht. Andererseits will ich aber jetzt auf gar keinen Fall gezwungen zu den Eltern, da ich den Tod der Kleinen noch nicht wirklich verkraftet habe und erst dann zu ihnen will, wenn ich mir darüber wirklich im Klaren bin, dass ich es aushalte.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen, auch wenn ich weiß, dass es hier warscheinlich keine optimale Lösung gibt. Aber vielleicht habt ihr ja noch irgendeine Möglichkeit, die ich nicht gesehen habe.

Viele Grüße
und danke schon mal!

Anwort von Andrea

Hi,

erst einmal tut es mir für dich Leid, dass du das erlebt hast. Aber du hast nicht nur das Negative und Schlimme für dich jetzt erlebt, sondern du hast anscheinend auch viele tolle Erfahrungen in der Zeit mit der Kleinen und ihren Eltern machen dürfen! Sonst würde dir das jetzt alles nicht so nahe gehen!

Ich kann es nachvollziehen, dass du Angst vor der Begegnung mit ihren Eltern hast, dass du wegen deiner Reaktion dir nicht sicher bist, aber ich möchet dir hier mitgebe:
Ich hab selbst erlebt, wie die Mutter meiner Freundin gestorben ist und ich hatte wahnsinnige Angst vor der Begegnung mit meiner Freundin. Wie sollte ich reagieren, wie würde sie reagieren, war es berechtigt überhaupt in ihrer Anwesendheit zu weinen, schließlich war es ihr Schicksal, dass ihre Mutter gestorben ist, und nicht meins! und und und
Ich hatte Fragen über Fragen, die nur noch mehr Ängste in mir ausgelöst hatten. Aber ich hab mich überwunden bin hin und ganz ehrlich: Gefühle lügen nicht, Gefühle sind nicht richtig oder falsch, sie sind einfach so. Also egal welche Emotion und Reaktion deine Gefühle auslösen, sie gehören zu dir, sie können nicht unangebracht oder angebracht sein, sondern das bist du! Und genau nach solchen Menschen sehnen sich oft Menschen, die jemanden vermissen bzw. jeanden verloren haben. Nach Menschen, die ehrlich zu ihnen sind, die nicht alles perfekt da machen wollen, sondern so sind, wie sie immer waren!
Ich glaube, die Eltern würden sich wirklcih freuen, wenn du sie besuchst, ihr gemeinsam euch an die schöne Zeit erinnert usw. Wenn es dir schwer fällt, ruf sie doch davon an und sag auch, dass du Angst vor der Reaktion hast! Oder schreib ihnen einen Brief! Ich bin mir sicher, sie erwarten von dir gar nichts, außer, dass du die bist, die du immer warst!

Alles Liebe
Andrea
PS: Würde mich freuen, wenn du mir von deinem Erlebnis berichtest!