Problem von Anonym - 24 Jahre

Ich kümmer mich um alles

Is ja schon komisch, aber ich leg dann mal los. Ich bin seit 3 Jahren mit meinem Freund zusammen und habe zurzeit mehrere Probleme auf einmal. Ich sehe die Ursache in meiner Familie und in meiner Erziehung. Unsere Familie wohnt auf einem Dorf. Dort geht man in die Kirche, kehrt Samstags die Straße und hat natürlich -höchst offiziell- keine Pobleme. Dabei war mein Vater Alkoholiker mit allen Begleiterscheinungen. Meine Mutter odnete sich stets unter. Mein älterer Bruder verkroch sich. Und ich sah mich gezwungen zu handeln. Es tat ja sonst keiner was. Als dann die Scheidung kam(ich 15Jahre, mein Bruder schon 18) fiel meine Mutter in eine Depression. Ist ja auch nachvollziehbar. Nur leider geht das Leben in der Regel auch weiter, wenn es einem schlecht geht. So musste meine Mutter also lernen sich durchzuschlagen. Mein Bruder lebte sein zurückgezogenes Leben und ich musste ebenfalls kämpfen. Mein Onkel, den ich als Bezugsperson/Vaterersatz hatte, starb als ich 16 wurde.Meine mit im Haus wohnende Oma wurde zum Pflegefall. Damit meine Mutter mit 2 Jobs Geld verdienen konnte musste ich bei Oma bleiben. (Und wer einer 80jährigen schonmal den Hintern abgewischt hat, weiß wovon ich spreche...) Ich musste immer für jemanden Stark sein. Mein Bruder verlor seine Arbeit & sein Augenlicht, meine Mutter ihre Fassung und ich tat mal wieder so als hätte ich alles unter Kontrolle. Von mir wird sogar "erwartet", dass ich mich nicht aus der Fassung bringen lasse. Das sagt mir meine Mutter geradeaus ins Gesicht. Als meine Bruder einen Suizidversuch gestartet hat rief mich meine Mutter an und wollte wissen was jetzt zu tun sei.
Das ich stets aus Zugzwang handelte, interessiert niemanden. "Du warst halt schon mmer so." Nun zurück zu meinem Freund. Ich hatte vor ihm einige Jungs in die ich richtig verliebt war. Gerade bei ihm war ich es nicht. Und als er mich das erstemal küsste dachte ich nicht"Oh, wie schön" sondern "Was hast Du jetzt wieder gemacht? Wie wirst Du den wieder los?Den willst Du nicht." Traurig. Aber meinem Helfersyndrom sei Dank, hatte auch er genug Pobleme die ich ja auch mal behandeln könnte...Ich mag ihn. Aber er ist ein Freund für mich. Ein WG Kumpel. Aber kein Partner.(von eventuellen Intimitäten sei hier erst garnicht gesprochen) Ich sehe ihn nicht als ebenbürtig/gleichberechtigt. Er hat sich selbstständig gemacht-ich habe die Arbeit. Ich organisiere, kontrolliere, manage und freu mich wenn sich dank meines Einsatztes -fast- alles zum Besten wendet. An Weihnachten meldeten sich komischerweise ein paar Menschen die ich sehr gern habe, aber zu denen ich durch meinen Freund keinen Kontakt mehr haben darf.Alle erzählten von Ihren Beziehungen. Wie schlecht sie doch seien. Und ich behielt alles für mich. Ich muss ja leidende Menschen nicht auch noch mit meinen Poblemen belasten...Ich spüre, dass meine Kraft zu Ende geht. Das ich nicht mehr kann und nicht mehr will. Was mich hält sind die Katzen, der Freundeskreis und der Alltag. Nach Hause möchte ich nicht, was zur Vereinfachung des Problems nicht gerade beiträgt Dort habe ich genausoviel um die Ohren. Finanziell und mobilitätsmäßig gesehen, kann ich mir keine eigene Wohnung leisten. Bin aber auch nicht der Studenten-Typ der mit 10 wildfremden Leuten zusammenleben kann. Ich glaube mein Poblem ist, dass ich nicht weiß wer ich bin, was ich will und wie ich mein Leben gestalten soll. Will ich Kinder/Karriere. Will ich ein Leben ohne Geldsorgen/mit meinem Freund weitermachen. Will ich Abstand von allen/suche ich nähe? Diese Zerissenheit die ich auf meine Erziehung schiebe macht mich mürbe. Ich folge einem Ablaufpan, lebe nicht. Ich fühle mich zu jung um alles so zu lassen wie es ist. Ich muss was ändern. Ich weiß nicht was.

Anwort von Phine

Hallo,
Mensch, sowas ist echt blöd. Nach außen hin, muß man die heile Welt spielen und in der Familie läuft alles schief.
Ich bin selbst in so einem Dorf aufgewachsen und kenn es, wenn jeder jeden kennt und man keine richtige Anonymität und Privatsphäre hat. Da muß man aufpassen, dass man nichts "falsches" tut um nicht das Gesprächstthema Nr 1 zu werden.
Deine Familie zerbrach, warst du die einzige die noch nen kühlen Kopf bewaren konnte.
Alle haben Probleme und Schicksalsschläge und sich damit überfordert und sie werden bei dir aufgeladen.
Das ist einfach zu viel.
Du bist nicht die starke, du kannst diese Rolle nicht mehr spielen.

Damals bei der Scheidung war diese Rolle für dich die Möglichkeit das Geschehene zu verarbeiten und deine Familie hat dich da weiter rein gedrängt.
Du stützt sie, obwohl du es eigentlich gar nicht mehr kannst.
Ich habe eine Freundin (die allerbeste zu Schulzeiten) die eine sehr änliche Geschichte durch gemacht hat (böser Ehekrieg, Vater mit Schlaganfall und danach nicht mehr ganz da, Bruder auf die schiefe Bahn usw) Bei ihr habe ich die Geschichte von Anfang an beobachten können.
Alle waren mit der Situation überfordert und sie hat, wie du alles in die Hand genommen.
Jetzt wohnt sie in einer anderen Stadt und nach und nach brechen Erinnerungen durch, die sie sogar verdrängt hatte.
Sie kümmert sich weiterhin um die Familie und bleibt die harte, sie kann nicht anders und hat Probleme sich ein eigenes Leben auf zu bauen.
Du versuchst das grade auch und fällst wieder in die Rolle zurück.
Du opferst dich wieder auf, kümmerst dich nicht um dein Wohl, sondern nur um das deines Freundes.
Du wirst ausgenutzt (wahrscheinlich merkt er das nicht).
Hast DU selbst auch etwas davon, dass du so viel Energie in den beruflichen Erfolg deines Freundes gesteckt hast?

Ja, du weißt nicht was du willst, aber es ist toll, dass du da mal drüber nachdenkst.
Es ist dein Leben und du hast schon so viel davon für andere geopfert.
Natürlich ist es schön anderen zu helfen. Würde ich das nicht mögen würde ich nicht für den Kummerkasten arbeiten, aber man muß seinen eigenen Weg gehen und selbst glücklich sein. Man muß sich was aufbauen.
Überleg ruhig weiter, was du willst. das kannst du nicht an einem Tag entscheiden, aber du mußt anfangen egoistischer zu werden.
Die anderen labern dich mit ihren Problemen zu, na und? Dann erzähl ruhig von deinen - ihr seid da doch gleichberechtigt.
Laß dir nicht verbieten alte Freunde zu sehen. Du bist erwachsen, du kannst tun, was immer du willst.
Du hast für nicht in der Welt Verantwortung! Nur für dich selbst und dein Leben.
Du bist nicht für deine Familie verantwortlich. Sie sind erwachsen und müssen entlich lernen mit sich selbst klar zu kommen. Du bist auch nicht für deinen Freund verantwortlich. Er hat dir viel zu verdanken - also steht er in deiner Schuld.
Ohne Geldsorgen zu leben ist schon was feines, aber Freiheit ist das aller wichtigste.
Zwar solltest du nicht von einen tag auf den anderen sagen: Tschüß, ich bin dann weg - aber vielleicht kannst du dich langsam abkapseln.
Wenn irgendwer was von dir fordert, wozu er kein Recht hat, dann sag NEIN!
Was willst du jetzt? Du mußt nicht deine ganze Zukunft planen, versuch erstmal für den heutigen Tag glücklich zu sein und nur das zu tun, was du magst, gönn dir etwas, sei egoistisch.
Klar, du bist zu jung um nur für andere zu leben, man sollte niemals nur für andere Leben.
Fang also klein an, ändere erstmal dich selbst bevor du alles umkrempelst.
Nur wenn das mit der akuellen Situation nicht möglich ist, solltest du ausbrechen.
Freiheit und Selbstständigkeit sind ganz wichtig für uns Menschen und Egoismus bedeutet ja nicht, dass man rücksichtslos wird.
Es kommt nur auf die richtige Mischung an. laß dich nicht mehr ausnutzen, deine Probleme sind nicht unwichtiger als die der anderen. Nur Leute, die sich auch deine Sorgen anhören und auch mal den starken helfenen Part übernehmen sind wahre Freunde und dass wirst du nur erleben, wenn du von deiner Härte losläßt und alles laufen läßt.
So wirst du dich auch selbst befreien können.
Ich wünsch dir alles Liebe und Gute und viel Erfolg!