Problem von Anonym - 24 Jahre

Leben in 2 Welten

Hallo Liebes Kummerkasten-Team

Ich lebe in 2 Welten..Ich komme ursprünglich aus Mazedonien. Bin aber in der
Schweiz aufgewachsen. Da wir von unserer Mentalität her, nicht mit jemanden zusammen sein bzw. leben dürfen solange wir nicht geheiratet haben, habe ich mit 21 eine traditionelle Hochzeit gefeiert mit meinem Ex, aber nie standesamtlich geheiratet. Einfach damit wir zusammen leben konnten. Vor 2 Jahren konnte ich nicht mehr mit ihm. Wir leben aber immer noch zusammen, obwohl ich vor 2 Jahren dann jemanden kennengelernt habe in den ich mich verliebt habe. Ich bin nun seit 2 Jahren mit diesem anderen zusammen, aber niemand weiss davon, nur ich und er und sein Freundeskreis. Wenn ich es bekannt mache, wird das in einem Desaster ausarten. Mein Ex wird mich hassen, meine Eltern werden mich verstossen, wenn nicht sogar einsperren...Ich weiss langsam echt nicht weiter..Mit meinem Ex habe ich eigentlich nur noch Mitleid...Er hat ein hartes Jahr hinder sich (Fahrausweisentzug 1 Jahr, Schulden weil er eine Weile lang spielsüchtig war etc.! Und für all das fühle ich mich verantwortlich, ich habe das Gefühl, dass das alles wegen mir passiert ist, weil ich ihn leiden lasse habe und mich getrennt habe von ihm. Aber ist im Leben nicht jeder für sich selber verantwortlich? Ich weiss echt nicht mehr weiter. Mein Immunsystem ist seit 2 Jahren am A...., ich bin total oft krank, depressiv, launisch etc.
Es geht mir so scheisse und ich weiss einfach nicht mehr weiter :-(
Am Liebsten würde ich allem ein Ende setzen, indem ich meine Sachen packen und fliehen würde. Aber nicht mal dazu habe ich den Mut....

Ich hoffe ihr könnt mir ein bisschen helfen.
Habe mir auch schon überlegt, professionelle Hilfe zu holen. Aber habe den Mut dazu einfach nicht.

Grüsse

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Unbekannte,


Da kommt ja einiges an Problemen zusammen. Wo soll ich da anfangen?
In einem Punkt werde ich Dir keinen Rat geben: zur Mazedonischen Mentalität.
Wie weit Deine Familie gehen kann, um die Familienehre zu schützen, kann ich Dir beim besten Willen nicht sagen.
Wozu "Hass" Deinen Ex treiben kann, werde ich nicht beurteilen.
Du schreibst:
"meine Eltern werden mich verstossen, wenn nicht sogar einsperren".
Nun, das hört sich zwar nicht schön und einfach an, aber auch noch nicht wirklich bedrohlich (Einsperren ist auch in der Schweiz "Freiheitsentzug" und damit eine strafbare Handlung.)
Von den Eltern "verstoßen zu werden" ist für mich mit das grausamste, was Eltern tun können. Liebesentzug bedeutet psychische Gewalt. Das ist oft schwerer zu ertragen, als Schläge.
Wie Du damit umgehen wirst, mußt Du Dir selbst beantworten. Es gehört Selbstbewußtsein und Selbstständigkeit dazu, sich endgültig und absolut von seinen Eltern zu trennen.
Wenn Du Deinen Weg konsequent weiter gehst, solltest Du gefühlsmäßig Dich von Deinen Eltern zwar nicht lossagen, jedoch Dir sicher sein, dass Du ein von ihnen unabhängiges Leben - in eigener Verantwortung - führen kannst und willst.
"Mein Ex wird mich hassen", schreibst Du.
Nun weiß ich nicht genau, wie das alles zu verstehen ist, was Du geschrieben hast.
Du lebst immer noch mit Deinem Ex zusammen. Von dem Anderen weißt nur Du, der Andere und sein Freundeskreis (Dein Ex also nicht?). Du hast Deinen Ex "leiden lassen" und Dich von ihm getrennt.
Diese Informationen aus Deinem Schreiben logisch hintereinandergesetzt lesen sich für mich so:
Dein "Ex" fühlt sich noch als Dein Mann, da ihr zusammen lebt. Du setzt ihn auf "Liebesentzug", was er nicht verstehen kann, da ja nur Du, Dein Freund und dessen Freundeskreis von Eurer Beziehung weiß. Du bist Dir darüber bewußt, dass Du Deinen "Ex" hast leiden lassen. Getrennt hast Du Dich von Deinem "Ex" bisher eigentlich nur gefühlsmäßig. In dieser Beziehung aber vollständig.
Wo ich etwas falsch wiedergegeben habe: Du weißt es besser. Du mußt das selbst beurteilen.
Wenn der Hass Deines "Ex" zu keiner Bedrohung für Dich führen wird, denke ich, er hat ein Recht darauf, sich auch vollständig gefühlsmäßig von Dir zu lösen. Hass, soweit er nicht zum Auslöser von Gewalt wird, ist da ein durchaus geeignetes Mittel.

Du fragst:
"Aber ist im Leben nicht jeder für sich selber verantwortlich?"

Meine Antwort: Du hast vollkommen Recht! Manchmal ist es im Leben jedoch hilfreich, Menschen in seiner Nähe zu haben, die die eigenen Entscheidungen mittragen können.

Was sagt Dein Freund eigentlich zu den Entscheidungen, die Du in naher Zukunft "selbstverantwortlich" wirst treffen müssen? Dazu hast Du leider nichts geschrieben.

Mein Rat an Dich: Ich habe Dir wahrscheinlich mehr Fragen gestellt, als Antworten gegeben. Aber in einem sind wir uns einig:
Im Leben ist jeder für sich selbst verantwortlich!
Das darf nicht nur Entschuldigung für Dich selbst über das Versagen Deines "Ex" sein, sondern gilt in gleicher Weise für Dich selbst als Aufforderung, Deine Zukunft aktiv in die Hand zu nehmen!

Was mir ehrlich in Deinem Schreiben fehlt: Über Deinen Freund gibt es für Dich im Zusammenhang mit Deinen Problemen absolut nichts zu berichten, außer, dass Du ihn liebst?
Was meint er, wie Du Dich verhalten sollst? Warum packt Ihr nicht zusammen die Sachen und flieht? Wo wird seine Liebe für Dich den Liebesentzug Deiner Eltern mehr als ersetzen? Warum stehst Du mit Deinen Problemen hier, ohne auch nur einen Rat, den Dir Dein Freund gegeben hat?

Mit diesen Fragen möchte ich Dich nun wirklich nicht alleine lassen.
Du solltest sie überdenken.
Du solltest mit Deinem Freund darüber sprechen.

Und Du sagst es ja selbst: sobald Du Dir darüber klar bist, professionelle Hilfe zu benötigen, bist Du für Dein eigenes Leben selbst genug verantwortlich, den Mut zu fassen, es auch zu tun.

Hilfe sieht vielleicht anders aus, aber ich hoffe von ganzem Herzen, Dir einige Anstösse dazu gegeben zu haben, selbstverantwortlich mit Deinem Leben umzugehen. Ich wünsche Dir die nötige Entschlusskraft und den Mut dazu.

Herzlichst,

Bernd