Problem von Sandra - 19 Jahre

HILFE! Ich habe keine Gefühle!

Hallo liebes kuka-team,

ich schätze mein problem ist ziemlich ungewöhnlich und ich weiß so recht nicht wie ich es beschreiben soll aber ich versuche es.

Naja ich fang erstmal an obwohl ich denk es wird wieder falsch verstanden!
Okay, also mein problem ist das ich immer versuche meine gefühle zu unterdrücken. Das heißt ich kann einfach nichts und niemanden an mich heranlassen. Vor kurzem war ich mit einem kumpel allein und wir hatten schon irgendwie interess aneinander. Es ist nicht viel passiert wir haben uns nur geküsst. Am nächsten tag haben wir uns wieder getroffen aber ich war sofort abwertend und habe ihn nich beachtet. Ich versteh nicht warum ich keine gefühle zeigen kann und mich nicht auf eine beziehung einlassen kann obwohl ich schon mehr empfinde für ihn.
Mich nervt es weil ich in letzter zeit nicht mal weinen kann. Ich glaub ich habe jetzt seit mindestens 2 Jahren nicht mehr geweint. Ist schon irgendwie ungewöhnlich oder??? Ich muss dazu sagen ich nehme seit ich 12 oder 13 bin drogen(kiffen, ziehen, pillen, pappen,pilze, alkohol...) und das auch regelmäßig. kann das was damit zu tun haben???

Diese gefühlslosigkeit beeinflusst mich. sobald mir irgendwer näher komm will blocke ich sofort ab. ich habe angst davor gefühle zuzulassen. woher kommt das bloß??
Kommt es vielleicht von meiner kindheit?? ich wurde als kind oft geschlagen und wenn ich geweint habe noch umso schlimmer. Oft mit dem gürtel, teppichklopfer oder mit nem schuh und das fast jeden tag. obwohl es nie einen grund gab. einfach so wenn ich mal nicht einschlafen konnte. ich weiß nicht ich glaub das fing an da war ich 4oder 5. Ich kann mich nicht viel an die zeit erinnern aber das hab ich nie vergessen. das ging bis ich ungefähr 10war. Dann haben sie damit aufgehört weil wir umgezogen sind denk ich.
Selbst mit meinen freunden kann ich darüber nicht sprechen. ich weiß nicht warum aber ich denke dann immer sie würden es doch nicht verstehen. Ich verstehe es nicht ich habe nicht mal für andere menschen mitleid. bin richtig gefühlskalt außer bei menschen die mir echt am herzen liegen aber die muss ich dann auch schon ewigkeiten kennen.

BITTE! gebt mir antworten warum ich so bin wie ich bin. oder versucht mir bitte zu erklären weshalb ich so gefühlstod bin. ich hätte gern endlich ne beziehung und eine person mit der ich über alles reden kann aber dazu müsste ich erstmal verstehen warum ich so bin.
Ich würde mich sehr freuen von euch zu hören und wäre euch sehr dankbar auch wenn ich weiß das ihr viel zu tun habt.

liebe grüße an euch von sandra

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Sandra,

Dein Problem ist leider nicht so ungewöhnlich, wie Du denkst.
Es ist gut und richtig, dass Du darüber schreibst!
Du bist bereit, Dich mitzuteilen!
Du bist bereit, etwas zu ändern!
Du bist bereit, mit Deiner Vergangenheit abzuschließen und Deine Zukunft in die eigene Hand zu nehmen!
Erst jetzt kann Dir überhaupt jemand dabei helfen.
Damit hast Du selbst Dir die Tür geöffnet, einen Ausweg aus Deiner Lage gefunden.
Jetzt mußt Du nur noch durch diese Tür gehen!
Lass mich versuchen, Dir zu erklären, warum Du so bist.
Dass Du kein Vertrauen zu Menschen aufbauen kannst, keinen an Dich heranlässt ist kaum verwunderlich.
Unser aller Vertrauen fängt in der Kindheit an. Kein Kind auf der Welt kann anders, als seinen Eltern und besonders seiner Mutter zu vertrauen. Vertrauen und Liebe ist das Erste, was wir als Kinder blind verschenken. Das größte Geschenk, das wir unseren Eltern machen können.
Deine Eltern haben, wie Du hier schreibst diese elementaren Gefühle mit Füßen getreten und regelrecht erschlagen.
Folgerichtig hast Du wohl versucht, die Gefühle, die Dir dann noch blieben (Traurigkeit, Einsamkeit, fehlende Geborgenheit) "wegzukiffen" oder "wegzusaufen"?!
Dass das zum Teil funktioniert zeigt Deine Erinnerung daran, dass Du seit mittlerweile mindestens 2 Jahren nicht mehr weinen kannst.

Soweit der schlimme Teil Deiner Geschichte. Voller Zorn und blinder, hilfloser Wut frage ich mich, wie Leute sich "Eltern" nennen dürfen, die ihren Kindern so etwas antun. Gnadenlos die Gefühle ihrer Kinder zerstören.

Doch dann kommst Du mit Deiner Mail und damit kommt der Teil, warum ich die Kraft gefunden habe, Dir zu schreiben:

Du findest Dich nicht ab und willst etwas an Deiner Situation ändern.
Das ist der wichtigere Teil: das ist Deine Zukunft!

Der schwerste Schritt durch die Tür, die Du Dir geöffnet hast ist gleich der erste. Alle anderen werden automatisch folgen.
Der erste Schritt muß sein: weg von den Drogen, die Dir Deine letzten Gefühle rauben. Ich kann nicht beurteilen, wie tief Du darin steckst. Ich weiß nur, dass bei solch einem gemischten Drogenkonsum, wie Du ihn beschrieben hast, nur Menschen die Erfahrung damit haben, wirklich beurteilen können, wie weit Du abhängig bist. Und diese Menschen sollten Dich auch auf dem Weg in eine Zukunft ohne Drogen begleiten.
Das darfst Du nicht allein tun.
Es gibt mehr Menschen als Du denkst, die sich aus persönlicher Erfahrung mit dem Problem auskennen. Mit diesen Menschen solltest Du darüber sprechen. Das sind z.B. die anonymen Alkoholiker. Viele von ihnen waren nicht nur Alkoholabhängig!
Sie werden Dir ihr Vertrauen schenken und Dir ihre Geschichten erzählen. Sie werden Dir den weiteren Weg zeigen können. In einer solchen Gruppe kannst Du vielleicht auch lernen, Deine Geschichte zu erzählen und Du darfst mir vertrauen: sie werden Dir zuhören, Dich ernst nehmen und Dich verstehen.

Ein Weiteres wirst Du dringend für Deinen weiteren Weg brauchen:
Geduld mit deinen Mitmenschen und mit Dir selbst. Denn eines ist sicher: was in 15 Jahren zerstört wurde, kann in einem Monat nicht wieder aufgebaut werden.

Liebe Sandra,
ich wünsche Dir von ganzem Herzen alle Kraft, allen Mut und alle Geduld der Welt.

Herzlichst,

Bernd