Problem von Anonym - 23 Jahre

Mein Mann küsst mich nicht mehr

Hallo,

Ich habe folgendes Problem und brauche Rat. Mein Mann und ich sind seit 3 Jahren zusammen, seit fast 2 Jahren verheiratet und haben eine kleinen Sohn (18 Monate). Wir waren am Anfang "unsterblich" ineinander verliebt und hatten nach einem Jahr auch dazu entschieden unser ungewolltes Kind zu behalten und zu heiraten.
Wir sind beide Studenten und haben sehr VIEL zu tun. Nach einem Jahr Babypause habe ich nun seit einem halben Jahr mein Studium wiederaufgenommen. Ich studiere Architektur und bin dem entsprechend sehr beschäftig. Meistens ist es mein Mann, der den Kleinen abholt und zu Hause den Haushalt führen muss. Diese Sache nervt ihm jedoch gewaltig, aber es kann einfach nicht anders sein. Folglich ist er ständig sauer auf mich. Er sagt es nicht aus, aber macht immer eine miese Stimmung. Ich bin nach der Uni auch K.O. und habe danach noch den Kleinen zu versorgen. Ich löse ihn immer ab wenn ich zu Hause bin.
Wir hatten auch oft darüber diskutiert und unsere Probleme ausgesprochen, aber nach einer Weile macht uns der Stress wieder runter. Dadurch streiten wir uns oft. Wir haben seitdem unsere Tochter auf der Welt ist auch kaum Zeit etwas miteinander zu unternehmen. Wenn es gut kommt unternehmen wir 1 mal alle 3 Monate etwas miteinander (zu zweit). Wir haben auch keine Zeit unsere Freundschaften zu pflegen. Da wir beide sehr ehrgeizig sind, sitzen wir abends meist nur zu Hause jeder an seinem Rechner und machen was für die Uni. Am Wochenende, ist mein Mann meist in der Uni Projekte machen und ich nutze die Zeit meine Projekte zu machen und nebenbei den Kleinen aufpassen.
Zu unsere Beziehung: Die einzige gemeinsame Zeit die wir miteinander verbringen ist abends spät im Bett beim Sex, wenn wir uns gerade nicht streiten. Oft ist es so, dass ich vor Müdigkeit keine Lust habe, folglich ist er wieder sauer auf mich. Seit ein paar Monaten kommt es noch dazu, dass er mich nicht mehr küsst, kein Bussi, kein Zungenkuss (ab und zu nur bei Sex), nichts.
Ich weiß, dass unsere Beziehung schon längst nicht mehr so rosig ist wie am Anfang. Ich weiß gar nicht mehr, ob er mich noch liebt, oder mich nur als Bettpartnerin und Mutter seines Sohnes betrachtet. Er hat schon lange kein Liebesbeweis für mich gemacht. An unserem 3. Jahrestag war auch nichts, er war da voll betrunken. Er ist sonst aber kein Raucher, Trinker oder Fremdgeher und so. Er ist auch für mich der idealer Lebenspartner und ich für ihn auch, wenn wir bloß nicht so streiten würden.
Ich hoffe, dass ich meine Situation so ausführlich beschrieben habe, damit Sie mir helfen können. Ich wäre sehr dankbar für Ratschläge!

MFG

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Unbekannte,

was mich besonders traurig macht: das, was Euer beider größtes Glück sein könnte, seht Ihr als Eure größte Belastung. Das Einzige, das Euch außer Eurem Ergeiz eindeutig gemeinsam ist: Euer Kind!
Was Dein Mann an Dir praktiziert ist nichts anderes als Liebesentzug!
Du spürst, wie weh das tut! Du artikulierst das, was Dir fehlt!
Was mich wirklich bewegt: Erkennt Ihr, wo sich das, was ihr "versorgt" versucht, Euch verständlich zu machen, wie sehr es sich nach mehr sehnt, mehr braucht und mehr verdient als bloße "Versorgung"?

Euer beider Ergeiz ist beseelt durch eine "Ichbezogenheit":
Ich will! Ich muß! Ich werde mich durchsetzen!

Den Sinn unseres eigenen Lebens werden wir alle nur erkennen können, wenn wir es mit den Augen unserer Kinder sehen.

Aus dieser Scheiß Leistungsgesellschaft, die uns keine weitere Erkenntnis bringen kann, als dass der Weg nach oben ein Weg auf einer Spirale ist, an deren Ende nur und genau ein Punkt steht, können wir, solange wir neben unserem Ergeiz auch noch vernunftbegabt sind eigentlich nur eine Erkenntnis ziehen:
ganz oben kann nur ein einziger, unheimlich einsamer Mensch stehen.
Der Weg nach oben macht uns zwangsläufig einsamer.

Wofür also, wenn wir nicht für (statt trotz) unsere Kinder überhaupt etwas erreichen wollen?

Scheiß Technokraten: Wir lösen Probleme. Wir organisieren. Wir denken. Wir planen.

Wo bleibt da Raum für Gefühle. Gefühle, die dann auch noch frei sein sollten von eigenen Ansprüchen?

All diese Fragen kann Euch Euer Kind auf eine so unbefangene Art beantworten, wie keiner von Euch beiden es für möglich hält (oder vor lauter "Organisationsstress" realisiert hat:

Als ich meinen älteren Sohn einmal auf dem Wickeltisch hatte und der Situation trotz "Diplom" in keinster Weise gewachsen war, hat er mir sein Wohlbefinden auf die einfachste, einem Baby mögliche Art unmißverständlich kundgetan: er hat mich angepisst!

Darauf bin ich stolz. Das macht mich glücklich.

Um nichts auf der Welt möchte ich auf dieses Erlebnis verzichten.

In diesem Augenblick hat mein Sohn auf alle meine Ambitionen, all meinen Ergeiz und all meine sonstigen Träume "gepisst", die mich vom eigentlichen Sinn meines Lebens hätten entfernen können: ER und SEIN BRUDER.

Ich wünsche Deinem Mann und Dir von ganzem Herzen ein ähnliches "Schlüsselerlebnis", das Euch wegführt von selbstzerstörerischem Ergeiz und hin zu einem erfülltem und bewußten "Erleben"

Von ganzem Herzen,

Bernd