Problem von *** - 23 Jahre

Mein Vater kümmert sich nicht mehr um mich

Meine Mutter ist vor ca. 4 Jahren an Krebs gestorben.Seit ihrem Tod hat sich alles verändert.Ich lebe mit meinem Vater zusammen.Mein Bruder lebt mit seiner Freundin zusammen, ca. 20 km weiter weg.Andere Geschwister habe ich nicht.Mein Vater ist von Mo-Fr meistens auf Montage und kommt daher erst immer am Wochenende nach Hause.Wenn er Freitags von der Arbeit kommt, fährt er danach immer zu seiner neuen Freundin die er seit ca. 2 Jahren hat.Sie wohnt ca. 60 km weiter weg und hat 2 Kinder.
Ich fühle mich von meinem Vater sehr vernachlässigt..Er kümmert sich nur noch um seine \"neue Familie\".Er fragt nicht wie es mir geht oder ob ich welche Probleme habe...Ich habe auch einen neuen Freund seit ca. 1 Jahr.Aber selbst das interessiert ihn nicht.Er gibt mir das Gefühl das er ihn nicht mag und er mir finanziell nichts bieten kann.
Ich bin zwar 23 Jahre alt doch ich fühle mich sehr allein gelassen nach dem Tod meiner Mutter...Sie fehlt mir so sehr....Als sie noch lebte war alles anders..Meine Eltern haben sich um mich gekümmert,mich gelobt mir das Gefühl gegeben das sie mich lieben.Außer meinem Freund und meinen Freunden habe ich niemanden mehr.
Mein Vater gibt mir das Gefühl das ich nichts wert bin.Er unternimmt viel mit seiner neuen Freundin und ihren beiden Kindern.Selbst die Tochter seiner Freundin hat einen neuen Freund über den er spricht und ihn lobt.
Ich sehe immer Bilder auf seiner Kamera von seinem Wochenende bei ihr.
Sie unternehmen sehr viel und das schmerzt.
Mein Vater gibt mir das Gefühl das die Kinder seiner neuen Freundin schon soviel erreicht haben im Leben bloß ich nicht.
Ich werde ständig von ihm angemacht ich solle das Haus putzen ect.
Selbst mein Freund darf nicht bei mir schlafen..er sagte keinen genauen Grund warum nicht-er sagte erst wenn wir verheiratet sind...so ein unsinn...verstehe das alles nicht....
er unternimmt garnichts mehr mit mir....ich kann aber auch nicht mit ihm darüber reden....verstehe nicht warum er da von selbst nicht drauf kommt, sich um mich zu kümmer...ich will ihn nicht drauf ansprechen damit er nicht das gefühl bekommt,das ich auf mein leben ohneihn nicht klar komme...ich weiß nicht was ich noch machen soll.....ich bin total verzweifelt.....

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Unbekannte.

Euer beider Situation ist durch den Tod Deiner Mutter (das heißt auch: Deines Vaters Frau) gleichermaßen tragisch.

Dass es Dich besonders trifft, so früh ein geliebtes Elternteil verloren zu haben, kann wohl jeder nachempfinden.

Blicke bitte 4 Jahre zurück!

So wie Du es beschreibst, war Dein Vater auch damals während der Woche auf Montage: höchstens am Wochenende in der Lage, Dir ein wirklicher Vater zu sein?
Wie siehst Du die Rolle Deines Vaters, die er für Dich in der Zeit vor dem Tod Deiner Mutter gespielt hat?

Hast Du damals mehr von und mit ihm erlebt, als jetzt?

Hat er sich Dir gegenüber in den letzten Jahren wirklich verändert?

Oder haben sich Deine Erwartungen an ihn verändert?

Weil er ja jetzt der Einzige ist, der Dir von Deinen Eltern noch verblieben ist!

Bitte verstehe mich nicht falsch: ich kann Dir keine Antworten geben!

Was ich einzig kann: Fragen in Dir wecken, die Du Dir selbst und dann auch sehr gerne mir wieder stellen darfst!
Ich hoffe darauf und erwarte es von Dir!

Ich bin eher in der Situation Deines Vaters. Also erlaube mir, Dir ein Bild zu zeichnen, wie es sich möglicherweise Deinem Vater darstellt.
Erlaube mir, mit meinem Bild total falsch zu liegen!

Aber nehme es nicht einfach hin: streite mit mir!

Ich stelle mir die Situation Deines Vaters ungefähr so vor:

Er hat seine Familie eigentlich schon seit langer Zeit nur am Wochenende "nacherlebt": aus dem, was ihr ihm erzählt habt. Was euch die Woche über wichtig war (und was ihr einem eher abwesenden Vater dann noch erzählen wolltet).

So lange Deine Mutter für Dich da war, war sie natürlich auch die direkte Ansprechpartnerin für alles, was tatsächlich direkt anlag.

Ist es möglich, dass Dein Vater das bereits zu Lebzeiten Deiner Mutter eher so empfunden hat, dass er nicht unbedingt die Hauptperson oder die Bezugsperson für Dich war?

In den letzten Jahren vor dem Tod Deiner Mutter warst Du noch in der Pubertät.
In einem Alter, wo man sich langsam aber sicher vom Elternhaus zu lösen versucht. Eigene Vorstellungen und ganz andere Freizeitinteressen entwickelt.

Vor allem an Wochenenden. Also zu der Zeit, die Dein Vater für die Familie hatte.

Hatte er vielleicht in der Zeit eher den Eindruck, dass Dein Bruder und Du mit "Familie" (also speziell auch mit ihm selbst) nicht mehr wirklich etwas im Sinn hattet?

Zumindest würde es sein heutiges Verhalten Dir gegenüber erklären:

Er hat das Gefühl, von Euch schon lange nicht mehr wirklich gebraucht worden zu sein und sucht sich mit der Familie seiner Freundin eine neue Aufgabe.

Und das brauchen wir Alten unbedingt, um nicht selbst daran zu zerbrechen, wenn uns etwas Liebes genommen wird:

Wir suchen, unserem Leben einen neuen Sinn zu geben, der uns weiterhin antreibt.

Es mag sein, dass Dein Vater in Dir sein eigenes schlechtes Gewissen sieht, gegen das er ankämpft:

So lange Du mit ihm zusammen wohnst wird er sich auch immer ein wenig fragen, ob es ihm zusteht, sich neu zu verlieben und zu binden.

Es steht ihm zu und es ist richtig, dass er eine neue Bindung eingegangen ist!

Aber so sind wir alten Esel nunmal: wir zweifeln auch immer noch, ob wir nicht mit der neuen Bindung unsere erste Liebe verraten haben.

Vielleicht ändert Dein Vater seine Haltung Dir gegenüber ja schon, wenn Du ihm zeigst, wie sehr Du Dich für Ihn freust, dass er wieder sein Glück gefunden hat!
Und ihn in seiner Entscheidung unterstützt.

Schreibe mir gerne nochmals, wenn ich etwas falsch gesehen habe.

Oder lieber noch: wenn ich ein wenig Verständnis auch für Deinen Vater in Dir wecken konnte.

Alles Liebe,

Bernd