Problem von Anonym - 16 Jahre

Überängstlich und unsicher.

Hallo liebes KK-Team,
Erst einmal finde ich es klasse, dass ihr so viel Arbeit in diese Seite steckt. Auch, wenn ich mir hiermit selbst ein wenig dumm oder lächerlich vorkomme, glaube ich, dass ihr vielleicht einen Rat wisst.

Seit eineinalb Jahren geht es in meinem Leben drunter und drüber. Alles fing damit an, dass ich mich immer weiter von meinen Freundinnen entfernte und mehr mit meinem neuen Freund machte, weil er meine Freundinnen nicht sonderlich leiden konnte. Irgendwann geriet ich mit ihnen in solch einen Streit, dass ich mich vollkommen von ihnen abkapselte und mit den Kumpels meines Freundes rumhing, mit denen ich mich schnell super verstand und auch gar nichts mehr mit meinen ehemaligen Freundinnen zutun haben wollte.
Was in der Schule dann ganz gut funktionierte, änderte sich zu Hause. Dort saß und sitze ich den ganzen Tag alleine rum, vertreibe mir die Zeit mit Internet und Fernsehen gucken und mache nichts mit anderen Leuten.

Inzwischen ist es so, dass ich total überängstlich geworden bin, weil ich oft so einsam bin. Ich habe Angst vor fremden Leuten, will am liebsten gar nicht mehr rausgehen und wenn ich dann einmal in der Stadt bin, fühle ich mich angeschaut und beobachtet.
Bald fange ich mein Praktikum und habe auch schon wahnsinnig Angst vor alldem, was mich erwartet, weshalb ich dort auch gar nicht hingehen wollte. Ich hab\' mir eingeredet, die Sache wäre eh nichts für mich, damit ich einen Grund habe nicht dorthin zu wollen, obwohl ich so für die Stelle gekämpft habe. Daraufhin gab es riesigen Stress zu Hause, meine Mutter war schon kurz davor mich rauszuschmeißen bzw. das Jugendamt zu informieren, weil sie auch über die letzten Monate hinweg nicht mit mir klar gekommen ist (ich bin immer wieder ausgerastet, habe sie seelisch und auch körperlich verletzt). Ich hab\' keine Angst vor den Sachen, die ich dort tun muss, sondern vor den fremden Leuten, bei denen ich denke, sie könnten mich vielleicht auslachen wenn ich etwas falsch mache.
Ich weiß nicht, was ich noch machen soll. Wenn ich schon daran denke, dass ich bald jeden Morgen da hinfahren muss, würde ich mich am liebsten irgendwo vergraben...

Habt ihr vielleicht irgendwelche Ideen, wie ich mein Leben wieder in den Griff bekomme? Ich weiß einfach nicht wie ich mit meiner Angst umgehen soll.

Marie Anwort von Marie

Liebe Ratsuchende,

vielen Dank für dein Vertrauen!
Ich kann deine Gedankengänge und deine Ängste sehr gut nachvollziehen; ich ertappe mich selbst auch häufiger dabei.
Du hast selbst schon bemerkt, dass diese Angst vor fremden Menschen und davor, beobachtet und ausgelacht zu werden, schlimmer geworden ist, seitdem du nicht mehr so viel unter Menschen bist.
Es gibt nur einen Weg, wie du diese Angst besiegen kannst: Indem du dich den Situationen stellst, vor denen du Angst hast, und die Erfahrung machst, dass das, was du befürchtest, nicht eintritt.
Auch wenn es dich sehr viel Überwindung kostet: Geh raus, in die Stadt, geh unter Menschen und nimm dein Praktikum in Angriff! Du wirst merken, so schlimm wird es nicht - und die Angst wird von Mal zu Mal weniger, weil du dich an diese Situationen gewöhnst. Aber wenn du dich weiterhin "verkriechst" und den Kontakt zu Menschen scheust, wird die Angst immer stärker werden, bis du dich irgendwann gar nicht mehr raus traust.

Stell dir am besten jedes Mal, bevor du in so eine Situation gehst, folgende Fragen: Was wäre denn das Schlimmste, was passieren könnte? Wie realistisch ist es, dass genau das eintritt? Würdest du das überleben?
In den meisten Fällen wirst du dann schon merken, dass du eigentlich keine so große Angst davor haben musst.

Überprüfe auch immer wieder deine eigenen Gedanken in solchen Situationen. Wenn du z.B. denkst, dass dich jemand anstarrt, dann überprüfe das erst einmal: Schau kurz weg und dann wieder hin. Guckt derjenige immer noch? Wenn ja, schaut er wirklich dich an oder z.B. jemanden, der hinter dir steht? Oder schaut er an dir vorbei ins Leere? Wenn du sicher bist, dass du gemeint bist: Was könnten die Gründe dafür sein, dass er dich anschaut?
Ich habe mal bei mir selbst beobachtet, wann ich fremde Menschen anschaue und warum. Grund Nummer eins: Derjenige kommt mir bekannt vor und ich überlege, ob ich ihn kenne oder nicht. Grund Nummer zwei: Ich finde diesen Menschen (im positiven Sinne) irgendwie faszinierend oder attraktiv. Geh doch einfach mal davon aus, dass das auch bei anderen Menschen so ist, die dich anschauen. Dann gibt es keinen Grund mehr, beunruhigt zu sein, oder?
Und denke immer daran: Die meisten Menschen sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um wirklich auf andere zu achten. Und wenn doch, dann vergessen sie einen ganz schnell wieder (das ist sogar wissenschaftlich erwiesen).
Solche Gedanken sind am Anfang etwas ungewohnt, aber wenn man sie regelmäßig trainiert, kommen sie irgendwann von selbst und die Angst lässt nach.

Was deine Angst vor dem Praktikum angeht: Die kann ich sehr gut verstehen. Klar, du weißt nicht genau, was dich erwartet und ob die Kollegen nett sind - und es gibt natürlich auch Menschen, die es nötig haben, auf anderen herumzuhacken. Aber wenn jemand eine Praktikantin auslacht, weil sie einen Fehler macht, dann sagt das nichts über die Praktikantin aus, sondern nur über diesen Menschen und sein wahrscheinlich sehr geringes Selbstwertgefühl, das er kompensieren muss, indem er sich über andere lustig macht.
Kein vernünftig denkender Mensch wird von dir erwarten, dass du bei einer Aufgabe, die du noch nie gemacht hast, sofort alles perfekt kannst. Im Gegenteil, das Praktikum ist ja dafür da, dass du etwas lernst. Es kann passieren, dass du Fehler machst - das ist aber gar nicht schlimm! Es hilft dir, etwas dazuzulernen und es beim nächsten Mal besser zu machen. Die einzige Möglichkeit, keine Fehler zu machen, wäre, einfach gar nichts zu tun - aber dann hätte das Praktikum seinen Sinn irgendwie verfehlt, oder?
Schau auch mal auf diese Seite, da findest du noch einige nützliche Tipps: http://selbsthilfe-beratung.de

Ich hoffe, dass du deine Unsicherheit in den Griff bekommst, und wünsche dir alles Gute! :-)

Viele liebe Grüße,
Marie