Problem von May - 18 Jahre

Komischer Freund

Hallo.
vor einigen monaten bin ich mit meinem freund zusammen gezogen in unsere erste kleine wohnung. nun hatten wir diesen gemeinsamen freund, der zu der zeit keine Bleibe hatte und deshalb boten wir ihm an, dass er übergangsweise bei uns wohnen könnte. Er nahm das an und wir freuten uns alle riesig, doch nach ein paar wochen stellten wir fest, dass das nicht so toll klappte wie wir uns das vorgestellt hatten und beschlossen dann ihm zu sagen, dass er sich innerhalb 3 monaten sich was eigenes suchen sollte. er hat darauf gar nicht gut reagiert und redet seit dem nicht mehr mit uns, obwohl wir ihn jetzt seit 3 monaten mietfrei bei uns haben wohnen lassen, er begrüßt uns nicht mal, wenn wir uns zwangsläufig begegnen, er lässt alles liegen, geschirr und müll und lässt uns hinter ihm her räumen.Er ist einfach nur negativ ohne ende. Er redet hinter unserem rücken schlecht über uns und zieht so die hälfte unseres bekanntenkreises auf seine seite...

ihm geht es auch zur zeit nicht so gut, er ist schon 22-23 und hat keine abgeschlossene berufsausbildung, denn die hat er vor einen 3/4 jahr abgebrochen, obwohl er nur noch ein halbes jahr hätte bis er sie abgeschlossen hätte. er kifft sehr viel, lässt sich gehen und man könnte ihn als depressiv bezeichnen oder zumindest sehr frustriert.

ich weiß nicht wie viel verständnis ich bzw. wir noch aufbringen sollen. seine frist die wir ihm gesetzt haben \"läuft bald ab\". Es erscheint mir sehr herzlos ihn dann wirklich raus zu schmeißen... andererseits finde ich ihn sehr undankbar.
ich habe fast das gefühl er gibt uns die schuld daran, dass sein leben nicht so optimal läuft... aber wenn er nun wirklich depressiv ist, heißt das, dass er nicht so ganz zurechnungsfähig ist und das man nachsicht mit ihm haben sollte? Ich weiß nicht so recht weiter und ich habe langsam keine lust mehr. ich weine fast jeden abend, weil ich schuldgefühle habe, andererseits finde ich, dass ich/ wir uns zu viel bieten lassen von ihm.Wir haben ja auch unsere eigenen sorgen...

Er hat freunden gesagt, dass er nicht mehr mit uns redet, weil er dafür zu stolz ist.Ich verstehe sein verhalten nicht, aber ich bezweifel etwas, dass das stolz ist, ich finde das ist kindergartenverhalten was er an den tag legt...

Bitte sagt mir was ihr tun würdet! Liebe Grüße, May

Dana Anwort von Dana

Liebe May,

bevor ich auf dein Problem weiter eingehe, erstmal die Beruhigung:
Ihr habt euch rein GAR nichts vorzuwerfen. Ihr habt ihn aufgenommen, wart sehr gastfreundlich (das würden viele für ihre Freunde nicht machen - ist es doch eine ziemliche Beeinträchtigung) und man kann nicht von euch erwarten, dass ihr jetzt für Jahre die Hausmädchen spielt.

Wäre nun euer Freund ein gesunder Bursche, könnte man sagen, er sei ein altes Egoschwein, das null Respekt vor euch hat und das man getrost vor die Türe setzen könne. Aber dem ist nicht so. Er scheint seelisch stark belastet zu sein und in so einem Fall ist man immer sich selbst der Nächste. Er scheint viel zu verdrängen, auch die Drogen sind ein Zeichen dafür, dass er aus der realen Welt flüchten möchte.

Aus seiner Sicht habt ihr einen Vertrauensbruch begangen, ihr behandelt ihn "mies". Ihm geht es schlecht und ihr haut noch drauf. Seine Sicht ist aber vernebelt in diesem Punkt. Daher hast du gar nicht so Unrecht mit dem Gedanken, dass er nicht ganz "zurechnungsfähig" scheint. Mir scheint es ebenso. In Depressionen oder anderen seelischen Tiefphasen nimmt man oft die Umwelt verzerrt wahr. Man fühlt, als sei alles und jeder gegen einen.

Im Prinzip weiß er, dass er euch eigentlich schon zur Last fällt. Er kann aber momentan nicht aus seiner Haut, merkt dadurch seine totale Schwäche. Und dann kommt ihr noch und zieht ihn "nackt aus". Nun steht er da. Gesichtsverlust seiner Meinung nach. Daher kommt das "zu stolz sein, um noch mit euch zu reden".

Aber das alles sind Ideen, die nicht der Realität entsprechen. In der Realität hat er euch sehr viel Anstrengung gekostet, habt ihr sehr viele Einschränkungen seinetwegen auf euch genommen und habt viel erduldet. Das sieht er so aber nicht. Er sieht nur, dass er arm ist, dass es ihm beschissen geht und dass nun auch noch die Leute, die er für seine Freunde gehalten hat (theatralisch ausgedrückt), ihn volle Kanne in den Dreck werfen. Er sieht, dass er eine Last ist, dass er schon längst hätte handeln müssen...und daran zerbricht er gerade, so scheint es, weil er damit voll mit seinem eigenen momentanen Unvermögen konfrontiert ist.

Ich glaube, ich würde euch zu einem Brief an ihn raten. In dem sollte von der Kündigung erstmal keine Rede sein, sondern einfach die Sorge wiederspiegeln, die ihr habt. Dass ihr beobachtet, wie schlecht es ihm geht und dass ihr gerne bereit seid, mit ihm mal drüber zu sprechen. Dass er so wie es scheint, doch mehrere Probleme hat, die gelöst werden müssen...natürlich kann man auch sanft mal anklingen lassen, dass ihr sein Verhalten nicht gerade toll findet, aber nur sanft und nur am Rande. Im Vordergrund stehen sollte das "Auf-ihn-zugehen", einfach dass er sich wieder öffnet.

Er hat ja so ein verzerrtes Bild, dass er im Umfeld Unwahrheiten erzählt, die ja so eigentlich nicht haltbar sind. Doch Leute, die nicht involviert sind, können sowas natürlich schnell für bare Münze nehmen, daher ist es eigentlich schon nötig, mal klare Verhältnisse zu schaffen, deutliche Worte zu finden, aber eben auch zu zeigen, dass er euch nicht egal ist. Das denkt er nämlich wahrscheinlich momentan.

Trotzdem: ihr habt nichts falsch gemacht, keiner kann von euch verlangen, so eine schwierige Situation lange mitzumachen, gerade, wenn ihr selbst erst frisch zusammen gezogen seid. Ihr habt auch ein Recht auf eine problemfreie Zone und ein entspanntes Miteinander.

Liebe Grüße,

Dana