Problem von Tanja - 36 Jahre

schwere Depressionen

Hallo, ich habe ein großes Problem mit mir selbst. Die Welt hat ihre Farben verloren und jeden Abend bete ich darum am nächsten Tag die Augen nicht mehr aufmachen zu müssen. In den letzten Jahren ist einfach zuviel passiert. Aber der Reihe nach: Alles fing an, als ich meinen großen Sohn vom Gericht mit alleiniger Sorge zugesprochen bekam. Er war damals 13Jahre alt. Bei seinem Vater hatte er kein wirklich schönes Leben, doch ich war bei seiner Geburt und der der großen Schwester noch minderjähring und mein Exmann hatte die alleinige elterliche Sorge für uns alle. Also bekam er nach der Scheidung auch die Kinder - komischerweise nicht während den 2 Trennungsjahren (aber das ist ein anderes Thema). Ich kämpfte um meine Kinder und nach 8Jahren bekam ich wenigstens den Großen. Es ist schwer, wenn das eigene Kind sich dermaßen entfremdet hat und versucht alle schlechten Erlebnisse an einem auszulassen. Das tut er heute noch immer und er ist mittlerweile fast 19. Mein kleiner Sohn mußte besonders unter ihm leiden - auch heute noch - nein, nicht ganz, ich habe den Großen vor 3 Wochen rausgeschmissen... egal - weiter: Mein neuer Mann und ich hatten uns damals dazu entschieden noch ein gemeinsames Kind zu bekommen. Da ich nach 3 Kaiserschnitten die Eierstöcke abgebunden bekam, bin ich also zum Gyn (nach Jahren mal wieder) und hab mich erkundigt wg. einer künstlichen Befruchtung. Da ich schon mal da war, hat er auch gleich mal ne Vorsorgeuntersuchung gemacht. Kurz drauf wurde meine Oma schwer krank. Ich bin bei ihr aufgewachsen und wir hatten ein sehr inniges Verhältnis zueinander (bedingungslose Liebe und Zusammenhalt). Ich fing an Oma zu pflegen. D.h. Mein Haushalt und Kinder, ihr Haushalt und kochen und die Körperpflege und zwischendrin zur Arbeit huschen. Irgendwann hat mich die Helferin vom Gyn erreicht und sagte mir er wolle dringend mit mir reden. Gebärmutterhalskrebs. Danke, das ist jetzt aber grade schlecht - ich hab keine Zeit. Zum nächsten Termin bin ich einfach nicht erschienen und zu dem danach auch nicht. Dann hatte mein Mann auch noch einen schweren Autounfall und lag lang auf der Intensiv. Seine Mutter kam in der Zeit auch in die Klinik - leider nicht in die Selbe. Also sah mein Tag folgendermaßen aus: Frühstück machen, dann schnell zu Oma, sie auf die Toilette bringen, Kaffe kochen, anziehen und auf die Couch legen, ins Krankenhaus hetzen, zur Arbeit fahren, dann wieder zur Oma, danach nach Hause, das nötigste erledigen, den Vater meines Mannes zu seiner Frau in die Klinik bringen, zu Oma fahren, zu meinem Mann fahren, meinen Schwiegervater holen und nach Hause bringen, zu Oma fahren und sie für die Nacht fertig machen, nach Hause fahren, auf dem Weg noch schnell was einholen gehen, Essen kochen, Hausaufgaben kontrollieren, Wäsche machen und tot ins Bett fallen bis der Wecker in 3 bis 4 Stunden wieder klingelt. Ich hatte einfach keine Zeit für Krebs und außerdem konnte ich das meinem Mann in seinem Zustand nur schwer erklären - nein - ich wollte es nicht! Welch ein Segen als alle wieder daheim waren. Leider war Mein Mann daheim als die Praxis anrief - ich war bei Oma. Als ich heim kam fuhr er mit mir sofort zum Gyn, es wurde ein neuer Abstrich gemacht und ich musste wohl oder übel zur Kenntnis nehmen, das es sich dermaßen verschlechtert hat, das ich froh sein konnte das es noch nicht gestreut hat. Ich war Donnerstags bei meinem Arzt, er rief in der Klinik an, dort war ich dann Freitags zur Untersuchung und Montags kam die komplette Gebärmutter raus. Ich hab immernoch ein Problem Schwangere oder Neugeborene zu sehen. Kurz drauf, an meinem Geburtstag starb meine Oma. Ich mußte alles regeln. Mit dem Pfarrer reden, die Tante von Beerdignugsinstitut mit Kleidung versorgen, Omas Wohnung auflösen - ihre 3 Kinder und die anderen Enkel waren nur mal eben da um die Münzen, Briefmarken, Schmuckstücke, Ölbilder usw. abzuholen. Geholfen hat keiner!!! Doch - mein Mann, meine Kinder und mein bester Freund mit seiner Ex. Danke nochmal. Dann ist der Opa meines Mannes erblindet. Der Mann war aber auch schon 95. Wir wollten mit in sein Elternhaus ziehen, damit immer jemand zuhause ist. Seine Mutter ist voll berufstätig und sein Vater hatte eine schwere Hirn-OP wg. einem Anorisma (richtig geschrieben?). Wir kündigten also unsere Wohnung - ach so, meine Tochter kam auch zu uns gezogen. Sie war mittlerweile 18 und somit konnte auch sie von ihrem Vater weg - und packten schon mal die Kartons. Als ich morgens zur Arbeit fahren wollte hatte ich plötzlich extrem starke Schmerzen im rechten Bein. Ich fuhr trotzdem - kommt allein, geht allein. Denkste. Am gleichen Tag kam ich noch ins Krankenhaus, da mein Bein plötzlich nicht mehr funktionierte. Wirbelgleiten und 2 nicht mehr vorhandene Bandscheiben und eine völlig deformierte waren der Grund. Zwei Tage nach meiner Einweisung, Helloween, mein Mann und meine Tochter wollen ins Irish-Pub und vorher nochmal bei seinen Eltern vorbei, liegt sein Vater in seinem eigenen Blut auf der Treppe und stirbt. Ein Lungentumor ist geplatzt und er hatte keinem gesagt was er hatte! Ich wurde an der Wirbelsäule operiert. Die einzige ander Option wäre der Rollstuhl gewesen, meine Familie zog um, plante die Beerdigung und kurz drauf stirbt sein Opa. Er hatte es wohl nicht ertragen seinen Sohn beerdigen zu müssen. Der ganz alltägliche Wahnsinn eben. Mein Großer fing an auszurasten. Er war nur noch mies zu uns allen. Suchte sich keinen Job, schrieb keine Bewerbungen und fing an zu kiffen, was ihn noch aggressiver machte. Er war jetzt schon 1Jahr mit der Schule fertig und machte nichts. Er half noch nicht mal viel im Haushalt mit und wenn er dann mal was machte - wie Spülmaschine ausräumen - sollten wir am besten noch vor Dankbarkeit auf den Knien rutschen. Deshalb hab ich ihn rausgeschmissen. Auch weil er meinte : "Auf Alte, steh auf und bück dich für mich. Wer meint das er mich rausschmeißen will muß sich auch für mich bücken. Los Fee, Wunsch ist Wunsch!" Ich liebe ihn doch. Warum ist er so? Warum tut er mir so weh? Und das Tag für Tag? Zur Zeit ist hier Ruhe und Frieden - solange mein Mann nicht rumspinnt (er ist Choleriker - das ist nicht einfach). Aber ich habe Angst vor den Tagen an denen mein Großer zu Besuch kommt, weil ich nicht weiß was wieder passiert. Trotzdem fehlt er mir. Warum kann Oma mich nicht endlich holen?

Dana Anwort von Dana

Meine liebe Tanja,

ich habe deinen Brief an uns aufmerksam gelesen und ja, ich kann verstehen, dass du dich danach sehnst, endlich für immer Ruhe und Frieden zu haben. Doch ganz ehrlich: meinst du, dass der Tod wirklich genau der Ausweg ist, der dir das verspricht? Ich denke nicht.

Der Tod ist final. Er beendet alles. Er beendet Qualen und Streitereien, aber auch Hoffnungen und die Chance auf Heilung und schöne Momente. Jedem Brückenspringer wird entgegengebrüllt: "Selbstmord ist keine Lösung!!!" Natürlich wäre der Tod oder Selbstmord eine Lösung. Aber eine gute? Absolut nicht.

Im Prinzip wäre es so, als würde man einen hübschen Wagen, der kein Benzin mehr hat, über die Klippen rollen, weil er ja nicht mehr fahrtüchtig ist. Dabei wäre mit ein paar Litern Benzin alles wieder in Ordnung.

Bei dir ist es ähnlich. Du hast unglaublich viel erlebt, mehr als eine Seele eigentlich ertragen kann. Selbst vom Lesen deiner Beschreibung klemmt sich einem ein Metallband ums Herz, wie muss es dann erst sein, das alles erlebt zu haben? Und nun ist deine Batterie leer, du kannst einfach nicht mehr. Der Berg an Problemen war und ist unheimlich groß, du meinst, ihn einfach nicht weiter besteigen zu können, also stellst du dich an den Abgrund und hoffst, dass bald ein Windstoß kommt, der dich über die Klippe weht. Das allerdings steht im Widerspruch zu der Hoffnung, mit deinem Sohn irgendwann wieder auskommen zu können und der Offenheit, mit der du hier Hilfe suchst.

Für mich bedeutet das, dass du losgelaufen bist und eine Tankstelle suchst! Du hast deinen Wagen an der Straße stehen gelassen und schaust, dass du etwas dafür tun kannst, ihn wieder in Gang zu setzen. Und das ist der beste Weg, die beste Chance auf Erfolg!

Und genau da gilt es anzusetzen. Würde eines deiner Kinder ein gebrochenes Bein haben, du würdest sofort in die Ambulanz fahren. Sowas muss gerichtet werden. Würde dein Mann krank sein, du würdest ihm sofort deine Hilfe anbieten, so wie du es schon viel getan hast.

Und was ist mit dir selbst?
Du bist es doch wert, dass auch dir Hilfe zuteil wird.

Normale Menschen, also Laien, sind mit allem, was die Seele und das Herz angeht, oft überfordert. Du wirst da nicht wirklich viel Hilfe erwarten können, weil man hinter die Psyche des Menschen nur steigt, wenn man etwas Erfahrung damit hat. Daher möchte ich dir ganz dringend raten, einen Psychiater aufzusuchen. Ein Psychiater ist kein Teufel, zu ihm kommen nicht Dumme und Verrückte. Das ist ein Vorurteil, das sich gottseidank in unserem heutigen Zeitalter immer mehr verzieht. Auch wird man da nicht mit Ketten an Betten gefesselt und muss willenlos irgendwelche Medikamente schlucken. Das sieht man nur in schlechten Filmen.

In Wahrheit sind Psychiater Menschen, die gelernt haben, die Verletzungen der Seele zu behandeln. Zudem sind sie noch ärztlich ausgebildet und können auch Medikamente verschreiben, die die Heilung unterstützen. Was du dringend brauchst, ist Stärkung im Alltag. Stärkung deiner selbst. Du bist so ausgepowert, dass deine Kraft am Ende ist. Aber sie ist noch nicht komplett weg! Du hast uns geschrieben, machst dir Luft, also kämpfe für dich weiter! Kämpfe dafür, dass du wieder lernen kannst, Dinge zu genießen, dass du lernst, wie du mit den Problemen umgehst, dass du lernst, dass DU eine tolle Person bist, die es wert ist zu leben. KEINER hat das Recht, dir die Freude am Leben zu nehmen, keiner. Du selbst auch nicht.

Ob das jetzt schon in eine Depression mündet, kann ich nicht sagen, ich bin kein Arzt. Aber ein Psychiater kann das und dich dann auch dementsprechend behandeln.

Such dir einen Psychiater in deiner Heimatstadt (das geht über Google oder das Telefonbuch recht einfach - kein Psychotherapeut, kein Psychologe! Du brauchst jemanden, der dir auch was verschreiben kann, das können nur Psychiater), melde dich an, geh hin und lass dir helfen. Du brauchst Hilfe und du willst die Hilfe ja auch. Hilfe zu suchen und einzufordern, ist nichts Peinliches und auch nichts Schlimmes. Kämpfe für dich!

Und wenn du dann wieder stabiler bist, gäbe es zB die Möglichkeit, einen Familientherapeuten als Hilfe für die Familie zu holen. Die werden oft vom Jugendamt gestellt und beraten die Familien bei Problemen. So kann zB dann auch deinem Sohn geholfen werden, der mit Sicherheit einfach total überfordert ist und selbst einen riesen Berg an Problemen hat. Du hast ihn rausgeworfen zu deinem eigenen Schutz, das ist momentan auch ok so. Aber wenn es dir wieder besser geht, könntet ihr zusammen mit einem Familientherapeuten an der Reparatur der Familie arbeiten. Denn auch die Familie braucht einander und muss gesunden. Es ist einfach zu viel Belastendes passiert...kein Wunder, dass alle mit ihrer Batterie fast am Ende sind.

Ich wünsche dir den Mut, dich der Hilfe zu stellen und vor allem anzunehmen, dass du wirklich Hilfe benötigst. Geh den Weg weiter, den du gerade eingeschlagen hast und ich bin sicher, dass du Erfolge verbuchen wirst.

Dir alles, alles Gute!

Dana