Problem von G. - 25 Jahre

Ist mein Freund spielanhängig?

Hallo Team,

ich habe folgendes Problem mit meinem Freund (26).
Seit etwa drei (bis sechs) Monaten spielt er sehr exessiv ein bestimmtes Computerspiel. Er verabredet sich dort in sog. Clans zum "Training" und hält diese Termine auch ein. Ich habe in der letzten Zeit daruf geachtet, wieviele Stunden er am Tag spielt und das hat mich sehr erschreckt. Es sind mind. 8 Stunden am Tag. Nicht immer am Stück, aber dennoch ist das ein Drittel des Tages.
Erst dachte ich ja, dass er eine Beschäftigung für die Semesterferien sucht. Jetzt ist aber die Uni wieder losgegangen und es ist nicht weniger geworden. Dazu muss ich sagen, dass er eigentlich leidenschaftlicher Sportler ist, aber aufgrund einer Verletzung, die mittlerweile schon verheilt ist, aussetzen musste. Jetzt könnte er den Sport fortsetzen, macht es aber nicht. Ich denke, dass er dieses Spiel begonnen hat aus purer Langeweile.
Er nimmt zum Glück immer noch andere Termine wahr wie Uni Veranstaltungen und Einkaufen, wenn ich ihn darum bitte. Er hilft mir auch im Haushalt (Müll runterbringen, Wäsche waschen), wenn ich ihn bitte. Früher hat er solche Dinge von alleine gemacht. Es ist nur so, dass es zwar die Aufagebn übernimmt, sich aber sofort wieder an seinen PC sitzt.
Hinzu kommen noch zwei weitere Ereignisse, die sich mir sehr eingeprägt haben. Wir haben seinen Freund besucht, der 450 km entfernt wohnt. Dieser Freund spielt dieses Spiel auch gelegentlich. Ich bin davon ausgegangen, dass die beiden die meiste Zeit reden werden oder etwas gemeinsam machen werden (er ist sein ehemaliger Mitbewohner). Dem war aber nicht so. Mein Freund hat sich tatsächlich an den PC gesetzt und gespielt, während ich mit dem Gastgeber SmallTalk betrieben habe. Das hat mich schon entsetzt. Schließlich wollte mein Freund dorthin um seine ehemaligen Mitbewohner und alte Freunde zu treffen und dann das?!
Das zweite Ereignis war gestern. Seine Computermaus ging kaputt. Er war richtig sauer und aggressiv. Ich habe ihn dann in die Stadt gefahren (er hat keinen Führerschein) um eine neue zu holen. Ich wollte allerdings davor noch einkaufen gehen. Dabei kamen wir in einen Stau und es ging nur langsam voran. Noch nie habe ich dieses Gesicht erlebt, welches mein Freund machte. Da war so ein Vorwurf dabei und so eine Genervtheit. Ich fühlte mich richtig schlecht, obwohl ich eigentlich gar nichts dafür kann. Nach dem Einkauf habe ich ihn in zwei Fachhandel gefahren. Im ersten gab es keine passende Maus, der zweite war direkt in der Innenstadt (parkplatztechnisch blöd zu erreichen, hab ich aber gemacht für ihn). Dort hat er sich eine Maus für 60 Euro gekauft. Zuhause angekommen hat er gleich gemerkt, dass die Maus für ihn ungeeignet ist, weil er Linkshänder ist. Also ist er ein drittes Mal los um eine passende Maus zu kaufen. Normalerweise bestellt er alles im Internet. Warum konnte er nicht warten und eine alte Maus von mir nehmen? Die wäre funktionsfähig, allerdings zum Spielen etwas komplizierter, sagt er. Er war den ganzen Nachmittag total gereizt und erst als er dann nach drei Stunden eine passende Maus hatte, ging es ihm besser. Das hat mich total erschrocken.

Jetzt kommt das eigentliche Problem: Mein Freund ist der liebenswerteste Mensch, den ich kenne. Er ist ruhig und besonnen, macht alles um mich glücklich zu machen und ist in schweren Zeiten immer für mich da. Wenn er aber spielt und etwas nicht so läuft, wie es sein sollte, fängt er an rumzuschreien und auf den Tisch zu hauen, wahlweise auch auf seine Knie. Er beleidigt dann den Computer als H*re und Sch*ampe. Er schreit dann auch zum Beispiel "Das darf nicht wahr sein... Was soll der Mist..." und schlimmeres. Dabei ist übrigens seine alte Maus kaputt gegangen; er hat sie gegen die Wand geworfen. Ich habe ihn schon mehrfach gesagt, dass ich dieses Verhalten nicht dulden werde und er sich kontrollieren soll. Wir wohnen in einem Mehrparteienhaus. Die anderen Mieter wollen ihre Ruhe haben und sein Verhalten ist nicht nur peinlich, sondern verstößt auch gegen die Hausregeln. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis wir Post vom Verwalter bekommen, weil sich andere beschweren (was ich übrigens selbst genauso machen würde).

Nun stehe ich halt vor einem Konflikt: ist es nur eine Phase bei meinem Freund? Ich meine, ich habe auch immer mal wieder extreme Phasen, wo ich meine Hobbies auslebe (dann gehe ich nur schwimmen, nähe tagelang an Kleidungsstücken rum, male wochenlang ein Gemälde... Dann vergeht die Lust und ich mache etwas anderes und so wiederholt es sich dann). Sollte ich sein Spielen lieber ignorieren?
Wenn ich ihn darauf anspreche, auch dass ich mir Sorgen mache, habe ich das Gefühl, dass er mich nicht ernstnimmt. Ich glaube nicht, dass er sich schon in dem Bereich einer Spielsucht bewegt. Dazu macht er noch zu viel anderes, aber ich bin mir nicht sicher, ob das auch so bleiben wird.
Ich kann ihm aber auch schlecht seinen PC wegräumen. Er ist mein Partner und nicht mein Kind.
Ich versuche Alternativen zu schaffen, indem ich zB schön koche, den Tisch decke und wir gemeinsam ein schönes Dinner haben. Aber sobald das vorüber ist, geht er wieder an seinem PC. Gestern hat er sich sogar den Teller mit rüber genommen und mich allein gelassen. Wenn ein guter Film kommt, den ich gerne mit ihm sehen möchte, lässt er sich teilweise darauf ein. D.h., er bleibt bei mir (wir wohnen zwar zusammen, aber jeder hat seinen eigenen Bereich), zeigt mir aber, dass er keine Lust darauf hat oder er geht dann einfach und sagt, dass er sich den Film auf DVD ansehen wird. Und dann spielt er...
Ich habe ihm ein Auquarium geschenkt in der Hoffnung, dass die Einrichtung und Pflege das Spielen etwas mildern wird. Seit vier Wochen ist es eingerichtet und nach und nach kommen jetzt die Fische hinzu. Es gab eine minimale Milderung, aber anscheinend ist das Thema Aquarium erstmal wieder zurückgetellt.
Als wir zusammengezogen sind, war es so, dass er der Ordentliche war. Bei mir war immer Chaos. Das hat sich total verschoben. Bei ihm sieht es aus als wäre eine Bombe eingeschlagen. Letzte Nacht ist sogar eine von den 40 Milchpackungen, die um seinem Computerplatz verteilt sind, geplatzt.
Wir schlafen übrigens auch in unterschiedlichen Zimmern. Früher kam er immer morgens rein und hat mich lieb geweckt. Immer ein liebes Wort oder eine nette Geste. Es ist nicht so, dass er das total aufgegeben hat. Aber es ist immer häufiger so, dass ich diejenige bin, die morgens zuerst zu ihm geht und was macht er? Er spielt.
Das sind alles mehr oder weniger Kleinigkeiten, aber sie machen mich ratlos.

Ich habe jetzt einfach mal alles runtergeschrieben. Zwar habe ich einen festen Freundeskreis und tolle Freunde, die mir sicherlich Rat geben wollen, aber noch möchte ich sie damit nicht "belasten", denn ich weiß ja noch gar nicht, wie wichtig dieses ganze Thema ist. Deswegen habe ich den Weg des Kummerkastens gewählt.
Herzlichen Dank fürs Zuhören und Ernstnehmen alles Probleme hier.

Dana Anwort von Dana

Hallo, G!

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Der Schreiber bietet dir seine Email-Adresse an zum weiteren Austausch, wenn du das möchtest. Schreib einfach unter Feedback und bitte um die Herausgabe, sie wird dir dann intern zugestellt.

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Liebe G.

Du erkennst das schon ganz richtig - dein Freund zeigt sehr starke Anzeichen von Suchtverhalten. Es ist gut, dass du dich um deinen Freund sorgst und beide Augen offen hältst, das Problem wird nur sein: er muss es selbst erkennen.

Die Unordnung, das Beschimpfen des PCs, das dauernde Spielen, die Unhöflichkeit anderen gegenüber, der barsche Ton, den er anschlägt, der Rückzug vom alltäglichen Leben und seinen Gewohnheiten - das alles deutet sehr stark auf eine Sucht hin, die er aber momentan so nicht wahrzunehmen scheint. Es wäre wichtig, dass du dich in einer ruhigen Minute mal mit ihm hinsetzt (am besten, wenn ihr nicht daheim seid und er nicht an den PC kann) und ihm mal erklärst, was da gerade mit ihm abgeht. Du liebst ihn, du machst dir Sorgen, du willst nicht, dass er abdriftet. Sag ihm das. Versuch ihm klar zu machen, was er da gerade alles riskiert.

Das Problem wird sein, dass er das abstreitet. Er scheint noch nicht so weit zu sein, es selbst zu sehen. Meist fordert diese Erkenntnis vorher ein großes Loch, in das man fällt. Der so genannte "Leidensdruck" muss sehr stark ansteigen, damit man "aufwacht".

Ich selbst bin da keine Fachfrau, aber ich habe gerade mal geschaut: wenn man bei Google "PC-Spielsucht" eingibt, kommen einige recht gute Seiten, auf denen du dich mal schlau machen kannst, was du gerade als "Angehörige" tun könntest und wie du damit umgehen sollst. Es gibt sogar ein Forum für Angehörige von Spielsüchtigen und für Opfer dieser Sucht selbst. Lies dich etwas ein und vielleicht bekommst du dann schon die Hilfe, die reicht, um ihn da raus zu holen. Es könnte sein, dass ein Therapeut nötig sein wird, da kommt es drauf an, wie stark er schon in dieser Sucht hängt. Die Frage wäre auch, was er tut, wenn er wüsste, er könnte dich damit verlieren? Würde der Gedanke ausreichen? Oder schon nicht mehr? Und genau das gilt es alles abzutasten und auszuloten.

Ich wünsche dir herzlich eine gute Lösung.

Liebe Grüße,

Dana