Problem von Lili - 16 Jahre

Was ist nur los mit mir?

Hallo Liebes Kummerkasten-Team,
Mein Name ist Lili und ich bin 16 Jahre alt. Ich schätze ich habe ein Problem mit zwischenmenschlichen Beziehungen. Es lässt sich nicht gut beschreiben aber ich veruche es einfach mal:
Ich hab lange darüber nachgedacht, ob ich schreibe. Es begann alles mit so ca 13/14 Jahren und ich kann mich erinnern, dass es mich schon damals so verstört hat, dass ich hier einen Brief geschrieben hab. (Allerdings wurde er nicht beantwortet) Und jetzt will ich es noch einmal versuchen.
Ich habe meine Geschwister (12 & 14) gefragt, wie sie mich beschreiben würden.. und am Ende kam nichts anderes als aggressiv und herrschsüchtig dabei herraus. Und sie haben recht. Ich bin sehr bestimmt und gehe hart mit ihnen um. Und dass schon seit immer. Nicht dass ich sie schlage (Ich bin Körperlich viel schwächer!) Aber ich rede ihnen so lange ins Gewissen, wenn sich die Gelegenheit bietet, bis sie am Boden zerstört sind. Ich bringe sie zum weinen. Zerstöre ihr Selbstbewusst sein. Aber ich kann nicht aufhören damit. Es ist wie als hätte ich Blut geleckt.
Damit habe ich schon relativ früh begonnen. Und ich mache dass nicht nur mit meinen zwei Brüdern. Sondern auch mit meinen Freunden. Es macht mir Spaß, so pervers wie es auch klingt, ihnen das Herz zu brechen und ihnen weh zu tun aber dann hingegen wieder ganz 'lieb' zu sein. Und ich zieh dass immer wieder durch. Wie eine Sucht.
Ich hasse mich selber für dieses Verhalten. Ich weine oft und erkenne doch wie grausam und brutal das alles ist. Aber ändern kann ich nichts an mir. Es zerstört mich selbst. Ich habe Albträume - Träume wie ich meine Eltern (vorallem!) und andere Menschen verletze/töte und dann anfange es zu bereuen.
Damals habe ich mich aus Wut selbstverletzt, was aber heute nicht mehr der Fall ist. Ich versuche mich weitgehends abzukapseln. Ich lerne bis spät in die Nacht (schreibe dieses Jahr das Abitur). Esse kaum, wenn dann nur in der Schule. Ich schlafe nomal 2, maximal 4 Stunden pro Nacht.
Ich versuche praktisch den Leuten zu entgehen.
Ich spreche eigentlich viel über meine Gefühle. Allerding nur mit meiner Mutter. Ich habe den Wunsch sie mitzuteilen aber versuche sie verstecken. Wenn dass dann nicht gelingt, und ich meines erachtens zu detailiert gesprochen habe, dann bestrafe ich mich. (meistens mit fasten)
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Was jetzt letztendlich meine Frage ist:
Ist das (wie meine mutter sagt) alles nur Pubertätssache?
Oder ist dass eine psychische Störung (- sowas wie neurosen oder borderline oder so) ?
Ich kann mich nicht zu einem Gepräch mit einem Psychologen überreden.
Ich habe damit schlechte Erfahrungen gemacht - Aber dass ist ein anderer Teil meines Lebens .. und ich denke ich habe schon weit genug ausgeholt ^^

Tut mir Leid für den langen Text! Ich hoffe ihr könnt mir helfen. Vielen Dank im vorraus (Ich schätze eure Arbeit sehr, ihr seit großartig!) LG Lili

Dana Anwort von Dana

Liebe Lili!

Zuerstmal: herzlichen Glückwunsch.
Warum?
Weil du kapiert hast, dass etwas nicht stimmt und du das Problem bei dir und nicht bei deiner Umwelt suchst. Das ist der allererste große Schritt, den schon viele Menschen gar nicht packen, weil sie keine Lust haben, den Fehler bei sich zu suchen. Und dazu beglückwünsche ich dich. Es ist quasi das erste einer langen Reihe, was du gut gemacht hast - und du wirst noch mehr gut machen, denn du bist auf dem richtigen Weg gelandet.

Du kannst andere Menschen gar nicht "leben lassen", weil du es bei dir selbst nicht kannst. Und da liegt der Knackpunkt. Du kannst dich selbst nicht leiden. Es macht dir Spaß, andere Menschen in den Dreck zu drücken, weil es dann nicht mehr so auffällt, dass du selbst voll im Matsch liegst. Du bringst die anderen Menschen also auf deine Stufe, indem du ihnen weh tust und sie "dumpst".

Du bist schon sehr ehrlich zu dir und hast sehr genau beschrieben, was du tust. Ich hoffe, es ist ok, dass ich genauso ehrlich bin und dir sage, was ich denke, was so in dir vorgeht. Ich bin nur ein Laie mit ein wenig Lebenserfahrung, aber ich meine hier recht gut zu sehen, was passiert. Ich versuche es jetzt einmal.

In dir ist eine riesige Portion an Wut. Aber worauf? Das musst du erstmal definieren. Du richtest diese Wut in verschiedene Richtungen, erst auf dich selbst, in Form von Selbstverletzungen, dann auf andere, in Form von demütigenden Worten und sonstigen verbalen Verletzungen. Inzwischen hast du sogar schon Fantasien, die diese Wut in körperlicher Gewalt gipfeln lässt - und zwar an allen Menschen, die dir eigentlich wichtig sind. Zurück müsstest du nun zu dem Ursprung der Wut. Wo kommt die her? Was ist dir geschehen, dass du sie entwickelt hast? Was war mit 13, das in dir drin etwas kaputt gemacht hat?

Du bist jetzt in einem Alter, in dem du merkst, dass es so nicht funktioniert. Dass du deiner Familie und deinen Freunden weh tust (und dir damit selbst auch mit), dass du kaum schläfst, dass du viel weinst und, so wie du selbst schreibst, dich langsam aber sicher zerstörst. Und auch wenn diese Erkenntnis sehr heftig ist, tust du genau das Richtige, Lili! Du suchst dir Hilfe! Das bedeutet, dass du eine Kämpfernatur bist, die nun versucht, alles wieder auf die Reihe zu bekommen und dazu sind ein paar Eckpunkte nötig:

1. suche dir diese Hilfe bitte auch in deinem Umfeld.

Hilfe zu suchen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen menschlicher Größe und der genauen Selbsterkenntnis, dass man hier alleine einfach nicht weiter kommt. Diesen Punkt hast du schon erreicht, allerdings hemmt es dich momentan noch, dir die Hilfe von Menschen zu holen, die dir nahestehen. Da ist es anonym leichter, das verstehe ich, allerdings sind uns hier die Hände gebunden, weil wir nicht vor Ort sind. Wir können nur Tipps geben, umsetzen musst du sie selbst.

Von daher möchte ich dich bitten, deine Familie einzuweihen. Bitte um einen "Familienrat" oder ein Gespräch oder wie immer du das nennen möchtest. Erkläre ehrlich und genau dein Dilemma und bitte um Hilfe. Du wirst sehen, dass in deiner kompletten Familie damit eine Veränderung passiert. Keiner wird dir diese Bitte abschlagen. Ein Hilferuf mit gleichzeitigem Bereuen und Ehrlichkeit ist so etwas Entwaffnendes, dass auch deine Brüder gerne bereit sein werden, da zu helfen. Es sollten bestimmte Punkte angesprochen werden:

- Es gibt keine Gewalt mehr, weder verbal noch sonstwie geartet. Sollte es irgendwann "fast" dazu kommen, sollte ein Codewort eingesetzt werden, das dich sofort runterholt. Damit können sich deine Geschwister wehren, falls du rückfällig werden solltest.

- Du redest über das, was dich bedrückt und hörst auch mal deiner Familie zu, wenn sie etwas bedrückt. Kein Schlucken von Dingen mehr, die dann in Wut ausufern.

- Du machst mit deiner Familie mehr, unternimmst mehr mit ihnen. Lerne deine Brüder mal richtig kennen, gib ihnen die Chance, dir auch wirkliche Familienmitglieder zu sein, anstatt sie immer in Angst und Schrecken zu versetzen.

- Nimm die Dinge an, die deine Familie dir mitteilt. Sie sollen genauso ehrlich sein dürfen wie du es bist. Redet über eure Wünsche und was die Zukunft für euch bringen sollte. Gerade in dieser Zeit ist es doch mehr als passend, die Familie wieder ran zu holen.

2. hole dir fachliche Hilfe dazu.

Weder deine Familie noch wir hier sind Fachleute. Wir können nur an der Oberfläche kratzen, aber damit sind die tiefen Wunden noch nicht verarztet. Ich vergleiche das immer gerne mit einer Wunde am Arm. Du hast dir eine tiefe Wunde zu gezogen und legst nun einen Verband drauf und machst den Ärmel drüber. Nix ist mehr zu sehen. Aber die Wunde ist nicht gereinigt und nicht mit heilenden Medikamenten versehen, somit fängt sie irgendwann an, unter dem Verband zu eitern und sich sehr stark zu entzünden, was dir unglaubliche Schmerzen verursachen würde, obwohl man von außen nichts sieht.

Diese Aggressionen, die du anderen gegenüber hast, sind in dir begründet. Und meist schafft man es alleine nicht, das alles auszuarbeiten. Ich möchte dir also nur zuraten, mal eine Gesprächstherapie zu machen. Der Vorteil ist, dass ein Therapeut genau weiß, was er tut. Er hat das studiert, er hat Erfahrung und kennt die meisten Probleme schon. Das ist also nichts Peinliches und auch nichts Schlimmes, keiner wird dich dafür schief anschauen. Du wirst dort wieder lernen, dich selbst zu mögen, du wirst Stärkung für den Alltag erfahren und kannst jede Frage stellen, die du möchtest. Du wirst nach einer Weile auch mal eintauchen in deine Erinnerungen und es wird geschaut, woher diese Wut denn kommt, die dich so handeln lässt.

Dass nur Verrückte zum Psychologen gehen, ist hoffentlich auch bei dir schon eine sehr antiquierte Vorstellung. Inzwischen weiß man, dass auch die Seele und der Geist Bereiche des Menschen sind, die stark verletzt werden können und die es dann zu heilen gilt. Ich kann dir nur raten: sprich da mit deiner Mutter drüber und geht das zusammen an! Es kann so viel zu deiner Hilfe beisteuern, das glaubst du jetzt vielleicht noch nicht. Später wirst du es aber merken, wenn du ein paar Stunden Therapie hattest.

Die guten Folgen von dem Familienrat und der Therapie sind: Du bist nicht mehr alleine mit deiner Qual. Denn nichts anderes als eine Qual ist das momentan für dich. Du wirst die Erleichterung spüren, wenn auch andere Menschen wissen, was mit dir ist und dir versuchen zu helfen. Du musst dich dann auch nicht mehr von allen abgrenzen und versuchen, alles alleine durchzustehen. Das isoliert nur und tut weh.

Ich wünsche dir den Mut, das anzugehen. Habe keine Angst vor der Welle, die du lostrittst, sie wird dich in gute Gewässer mitnehmen.

Alles Liebe, liebe Lili! Du wirst das schaffen, ich glaube an dich.

Dana