Problem von Anna - 15 Jahre

Mutter

Liebes Kummerkasten Team,

Ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Ich halte es zuhause nicht mehr aus. Seitdem ich klein bin werde ich von meiner Mutter fertig gemacht. Ich bin seitdem ich in der Schule bin Klassenbeste und schreibe bis auf ein paar Ausnahmen nur 1en. Trotzdem nennt mich meine Mutter eine dumme Schlampe, hässliche Blondine und sagt,dass ich dümmer bin als Daniela Katzenberger und Paris Hilton zusammen. Mein BMI ist 20, meine Mutter meint das ich fett bin und dringend abnehmen muss. Meinen 3 großen Brüdern geht es genau so, sie sind mit 16 ausgezogen und kommen nur noch an Weihnachten nach Hause und das auch nur wegen mir.

Mein Vater ist Chef einer großen Klinik, arbeitet sehr viel und reist in der Welt herum. Wenn er mal mitbekommt was zuhause abgeht, sagt er nichts und arbeitet nur noch mehr. Meine Brüder haben ihm ins Gesicht gesagt, dass er ein Weichei sei und alle seine Kinder verliert. Keine Reaktion. Er gibt meiner Mutter immer Recht. Wenn sie mal nicht zuhause ist, kommen er und ich auch super klar. Aber wenn sie dann wieder da ist, darf ich nichts und er macht mich dumm an.

Zuhause bin ich eigentlich für alles verantwortlich.. Wir haben zwar eine Putzfrau,die einmal in der Woche kommt, aber die klagt über Rückenprobleme und man sieht von ihrer Arbeit nichts. Das heißt ich arbeite jeden Tag mindestens 3 h im Haushalt. Hätte ich ja auch kein Problem mit aber ich bekomme nicht mal ein mageres Danke dafür. Neuestes Beispiel: Ich putze die gesamte Küche 4 h lang, räume die schranke aus und sortiere alles. Kommentar von meiner Mutter: Auf dem obersten Regalbrett ist noch Staub. Sowas regt mich auf! Früher hab ich auch noch rumgeschrien und hatte "pubertäre" Anfälle wie meine Mutter so schön sagt. Mittlerweile sage ich nichts mehr, mir ist alles egal und es fällt auch meinen Freunden auf, dass ich mich komplett verändert habe.

Meine Mutter ist streng katholisch. Ich muss jeden 2. Sonntag in die Kirche auch wenn ich bekennende Atheistin bin. Ich muss auch Firmung machen und bin Messdienerin. Aber egal was ich tue, recht machen kann ich es meinen Eltern nicht.

Wenn ich nach Hause komme, werde ich mit einem: komm in die küche, koch was, putz dann das und das und so weiter begrüßt.. Ein Hallo oder guten morgen bekomme ich schon lange nicht mehr. Ein Glückwunsch an meinem Geburtstag kann ich von meiner Mutter auch nicht erwarten, mein Vater hat sich das letztes Jahr dafür "erbarmt". Wenn ich versuche mit meiner Mutter "normal" zu reden, werde ich angebrüllt. Meine Mutter sieht es auch als Beleidigung an, dass ich nicht jeden Tag ihre Schuhe putze.

Meine Eltern haben sich jetzt ein Wochenendhaus gekauft. Ich muss jetzt jedes Wochenende in ein kleines Dorf in McPomm, wo es nichts gibt und ein drittel der bewohner das Dorf noch nie verlassen hat. Bei meiner Freundin schlafen darf ich aus Prinzip nicht, da ich dann ja länger als 10 Uhr aufbleibe und vielleicht auch einen anderen Film als eine Doku auf arte gucken würde.

Als ich sie neulich darauf angesprochen habe, ob ich mit meiner besten Freundin bei meinem BESTEM Freund schlafen dürfte meinte meiner Mutter: dass ich eine triebgesteuerte hure wäre. Ich hab einfach keinen Bock mehr auf den ganzen Scheiß zuhause.

Meine beste Freundin und mein bester Freunde haben die tollsten Eltern der Welt und verstehen mich nicht, daher kann ich mit ihnen darüber auch nicht so richtig sprechen.Meine "2.beste Freundin" ist einer psychosomatrischen Klinik und ich will sie mit meinen Problemen nicht noch zusätzlich belasten. Ich rede zwar manchmal mit meinem Bruder, aber der will dieses Kapitel möglichst abschließen und nicht mehr darüber nachdenken.

Gibt es irgendeine Möglichkeit von Zuhause auszuziehen? Ich kann nur nicht in eine psychatrische Klinik, da ich später Psychologin werden will und es schwer wird, wenn man eine psychatrische Behandlung hatte. Ich bin extrem selbstständig und würde es auch hinkriegen, alleine in einer Wohnung zu wohnen, da ich zuhause wie gesagt auch alles im Haushalt mache..

Ich hoffe, dass ihr mir helfen könnt und es nicht nur als typischen Pubertätsproblem abstempelt, denn das ist es nicht!
Lg und danke für eure Hilfe Anna

Dana Anwort von Dana

Liebe Anna!

Puh, das klingt nach starkem Tobak, was du da aushalten musst.
Ich verstehe deine Gemütslage sehr gut - dieser dauernde "raue Ton" und nichtmal ein Danke oder ein Bitte, dazu die Beschimpfungen...das lässt ja die stärkste Seele irgendwann mal auslaugen.

Es gibt nun zwei Ansatzmöglichkeiten, die mir einfallen.

1. alles dranzusetzen, auszuziehen, die nötigen Ämter einzuschalten etcpp.

2. das Problem aus dem Innern heraus zu lösen versuchen

Punkt 1 würde bedeuten, dass du einfach nur aus deiner Familie raus willst. Sowas ist durchaus möglich, allerdings musst du das Jugendamt dafür einschalten, bzw mal mit Sozialarbeitern zB der Caritas reden. Es gibt Wohngruppen für Jugendliche, das wäre kein Problem. Das Jugendamt schaltet sich meist gerne in die Familie ein, das heißt, es würde Gespräche geben, deine Familie würde deine Probleme mitbekommen - ich weiß also nicht so genau, ob das der Weg wäre, denn Streit ist da ja vorprogrammiert. Sozialarbeiter haben da meist ein gutes Händchen. Es gäbe sicher einen Weg, dass du aus dem Haus kommst, gerade wenn du die "seelische Grausamkeit" anführst, die Beschimpfungen und so weiter. Dass deine Familie eine "Ärztefamilie" ist, heißt ja nicht automatisch, dass zu Hause alles bestens laufen muss. Für ein Frauenhaus herrscht, so blöd das klingt, wahrscheinlich zu wenig Gewalt bei euch. Es gibt ja keine körperlichen Ausfälle, wenn ich das richtig gelesen habe.
Was aber zB auch noch ginge: es gibt Pflegeeltern, die sich um Kinder aus solchen Familien kümmern, wo es nicht richtig läuft. Der Aufenthalt ist oft befristet, aber auch da hilft das Amt.

Das alles sind aber nur so meine Gedanken, Brainstorming...eine Fachfrau bin ich ja nicht, du müsstest dann schon selbst beim Jugendamt mal anfragen. Wenn du "Jugendamt" und den Namen deiner Stadt bei Google eingibst, wirst du die Telefonnummer und die Adresse bekommen. Geh halt einfach mal hin und frage, welche Möglichkeiten du hast. Das kannst du einfach machen, das kostet auch nix. Das Jugendamt ist ja gerade für Menschen wie dich da.

Punkt 2 ist mit Sicherheit der belastendere und kompliziertere. Allerdings könnte er den größeren Erfolg bringen, wenn es richtig gemacht wird. Weißt du denn, warum deine Mutter so extrem schlecht drauf ist? Warum sie dich beschimpft, warum sie kaum lacht, warum deine Geschwister so früh raus sind aus dem Haus? Wo liegt die Ursache? Ist deine Mutter chronisch überfordert? Leidet sie darunter, dass dein Vater viel unterwegs ist? Verstehen die beiden sich nicht mehr? Fühlt sie sich vielleicht nicht geliebt und wertgeschätzt und deshalb wird sie immer schlimmer? Ich frage mich in solchen Fällen immer, warum alles so kommt wie es kommt. Wo hakt es aus?

Und da gäbe es jetzt mehrere Möglichkeiten, etwas Klarheit in die Situation zu bringen.
- ein Gespräch, in dem du versuchst, ihr zu erklären, dass sie als Mutter geliebt und geachtet wird, dass das aber extrem schwer ist, wenn du dich immer erniedrigt und beschimpft fühlst. Ein Gespräch, in dem du sie fragst, was sie sich persönlich wünscht...in der Familie, für ihre Zukunft. Frage sie nach ihren Sorgen und Nöten, vielleicht bekommst du raus, was los ist. Man kann die Wirkungen erst wegkriegen, wenn man die Ursachen bekämpft.

Falls du dich nicht traust, es alleine zu machen, kannst du mit deinem Vater sprechen. Bitte ihn, nicht auszuweichen, sondern dich anzuhören. Frag deine Brüder, hole dir Informationen über deine Mum. Irgendwas ist ja nicht in Ordnung.

Es gibt auch eine anderen Möglichkeit: Das Jugendamt stellt bei schweren familiären Problemen "Familienhelfer" zur Verfügung, die dann wirklich in die Familie kommen und dort tagelang Zeit verbringen, Konflikte lösen und so weiter. Ich habe das mal in der Bekanntschaft gehabt, es hat wirklich gut geholfen. Es kam eine Frau jeden Tag in die Familie, hat mit ihnen gekocht, hat mit ihnen aufgeräumt, hat "Regeln" aufgestellt, es gab Gespräche, die Konflikte wurden angesprochen und über Lösungswege nachgedacht. Diese Möglichkeit würde also bestehen. Natürlich ist das alles schwierig und mit viel Kraftaufwand verbunden...aber wenn sich dadurch die Knoten lösen? Vielleicht wäre das sogar wünschenswert, anstatt nur zu gucken, wie man möglichst schnell als letztes Kind wegrennen kann?

Dies alles sind nur Ideen und Einfälle. Was du letztendlich machst und umsetzt, ist deine eigene Entscheidung. Möglich sind diese Punkte alle. Ob sie für dich realistisch sind, weiß ich natürlich nicht.

Ich wünsche dir, dass du den für dich besten Weg einschlagen kannst - und den Mut dafür!

Alles Liebe,

Dana