Problem von Anja - 19 Jahre

Feedback zu: Ich bin schwul, fresse es in mich hinein

Ich wollte auch einmal mein Feedback zu http://mein-kummerkasten.de/275395/Ich-bin-schwul-ich-fresse-es-in-mich-hinein.html abgeben.

Mir ging es nämlich vor einiger Zeit, ungefähr in deinem Alter, genauso. Ich hatte furchtbare Angst, mich irgendjemandem anzuvertrauen, dass ich lesbisch bin und habe es immer mehr in mich hineingefressen, so wie du. Aber diese Gefühle lassen sich nicht unterdrücken oder ignorieren, ich denke, dass weißt du inzwischen genauso gut wie ich.

Irgendwann ist es dann raus gekommen: Ich habe den Schritt gewagt, mich meinen Freunden anzuvertrauen. Es war die wohl beste Entscheidung meines Lebens.
Mit der Zeit fällt einem das Outen immer einfacher, denn man nimmt es als Selbstverständlichkeit hin. Ich denke, das bemerkt auch das Umfeld, denn umso selbstverständlicher du damit umgehst, desto gelassener sind die Reaktionen. Ich habe bis jetzt von keinen schlechten Erfahrungen zu berichten.

Du kannst dir nicht vorstellen, was ich für einen Wandel durchlebt habe. Die Tatsache, dass ich meine lesbische Identität ständig verstecken wollte, hat mich depressiv gemacht, lustlos, gelangweilt und irgendwie pessimistisch. Ich stand ständig unter Druck, mein ganzer Körper war angespannt. Ich hatte kein Selbstbewusstsein - wirklich furchtbar.

Nachdem ich mich dann geoutet habe, hat sich das alles geändert. Ich habe eine positive Lebenseinstellung, ich bin fröhlich, aufgedreht, die Welt ist hell, bunt und voller Kreativität. Inzwischen habe ich auch viel mehr Selbstbewusstsein, denn ich weiß, wer ich bin, was ich will und wen ich will.

Ich rate dir also: Nimm es an! Es ist ein Teil von dir und auch nicht anders als blonde Haare oder blaue Augen - so furchtbar anders macht es dich nicht,es ist natürlich und du brauchst davor keine Angst zu haben.

Deine Eltern werden vielleicht gar nicht so furchtbar reagieren wie du es dir ausmalst. Ich habe mir auch jedes mögliche Horrorszenario ausgemalt, aber nichts davon ist wahr geworden. Und lasse dich nicht von der Tatsache entmutigen, dass du ihnen bereits gesagt hast, dass du nicht schwul bist: Das ist schließlich nicht in Stein gemeißelt, und ich glaube, dass sie es verstehen werden. Immerhin sind sie deine Eltern! Ich hatte vorher auch 2 1/2 Jahre einen Freund, das war für meine Eltern danach auch nicht mehr wichtig.

Wichtig ist aber: Setze dich nicht unter Druck. Versuche, gelassen an die Sache heran zu gehen.

Ich wünsche dir viel Glück dabei und hoffe, dass du es schaffst, dich so zu nehmen, wie du bist. Es ist nicht so furchtbar, wie man es sich ausmalt. :)

Anja

Ps: Wegen der Familie, die kannst du auch so haben. Da gibt es immer einen Weg. Meine Freundin und Ich planen auch schon scherzhaft das Leben eines Sohn namens Jan-Altair, und auch, wenn es noch als Witz gemeint ist, werde ich irgendwann sicher einen Sohn haben, (der im Idealfall sogar Jan-Altair heißen sollte) oder eine Tochter. Und mit wem du die Kinder großziehst... Ist das nicht vollkommen egal? :D

Judith Anwort von Judith

Liebe Anja,

Vielen Dank fuer Deine aufmunternden, positiven Worte. Ich denke, dass Du nicht nur dem Fragenden, sondern ganz vielen weiterhilfst.

Dir & Deiner Partnerin von Herzen alles Gute.
Judith