Problem von Janice - 19 Jahre

kleiner Denkanstubs.

Ich versuche es einfach nochmal zum dritten Mal :), vielleicht habe ich ja Glück.

Liebes KuKa-Team,

zuersteinmal ein großes Lob an euch. Eure Seite und eure Art den Menschen hier zu helfen ist klasse. Ihr gebt euch immer viel Mühe und erklärt ausführlich und hilfsbereit, auch wenn viele Fragen hier doppelt gestellt werden.
Ich finde es großartig, dass ihr das auf freiwilligen Basis macht, ihr habt mir schon oft geholfen, indem ich die hier gestellten Fragen lesen konnte, ohne mich vorher anmelden zu müssen. Oft kann ich mich teils mit den Fragestellern identifizieren.
Ich hatte euch vor einiger Zeit, von einer anderen Emailadresse und einem anderen Namen und einem anderen Problem, schoneinmal geschrieben. Leider habt ihr es aufgrund von Zeitdruck nicht geschafft, es zu beantworten, vielleicht habe ich ja diesmal Glück :).
Der Grund, weshalb ich diesmal einen anderen Namen benutze ist, dass ich möchte dass mein Problem unabhängig von dem damals eingeschickten behandelt wird, ferner ihr es noch irgendwo liegen habt - was bei der Menge, die ihr jeden Tag zugeschickt bekommt sicher nicht der Fall ist, aber man weiß ja nie.

Mein Problem ist weniger ein Problem als die Suche nach einem Rat. Ich weiß nicht, was oder ob ich was von euch erwarte, eigentlich muss ich das mit mir selbst ausmachen, aber ich würde gern den unparteiischen Standpunkt eines Menschens hören, der mich nicht kennt. Der die Situation objektiv und losgelöst von meinem Umfeld betrachten kann.

Ich bin momentan in der 13 Klasse eines Berufskollegs und eine sehr gute Schülerin. Ich habe für mein Studium im nächsten Jahr bereits ein Stipendium bekommen und kann somit meinen Traum vom Journalismusstudium verwirklichen. Ich bin Stolz auf meine Leistungen als Stufenbeste, allerdings gebe ich mit meinen Noten nicht an. Ich bin eher ein schüchterner Mensch, der nicht gern im Mittelpunkt steht. Für alle die ich kenne bin ich der Anlauf als kleiner Problemlösguru. Immer ein offenes Ohr und einen gut gemeinten Rat auf den Lippen. Intelligent genug um (fast) immer eine Lösung parat zu haben, aber dumm genug diese Gutherzigkeit ausnutzen zu lassen. Manchmal hasse ich mich dafür. Oft kommen sogar Leute aus meiner Stufe zu mir und erzählen mir ihre Probleme, die ich nur vom sehen her kenne.
Man sollte von mir aber nicht den Eindruck eines verschüchterten Schulmädchens bekommen. Wenn ich unter Freunden bin bin ich eher das Gegenteil. Extravagant - ich liebe dann ausgefallene Kleidung, hohe Schuhe und bunte Taschen - für jeden Spaß zu haben und nicht auf den Mund gefallen.
Manchmal komme ich mir schizophren vor. Aber dieses Problem habe ich oft. An Leuten, die ich jeden Tag sehe, verliere ich unheimlich schnell das Interesse. Ich habe aufgrund verschiedener Umzüge schon oft die Schule gewechselt und immer das Selbe. Am Anfang das offene und selbstbewusste Mädchen welches sich dann immer mehr in sich selbst zurück zieht. Oben hatte ich Schüchternheit geschrieben. Ich glaube, jetzt wo ich konkreter darüber nachdenke würde ich eher Desinteresse bevorzugen. Ich kann da nichts gegen tun. Ich habe schon sehr viel ausprobiert. - Meine Klassenkameraden werden mir immer uninteressant. Was ich mit Freunden aus dem Sportverein oder generell Leute die ich nicht jeden Tag sehe, nicht habe.
Habt ihr vielleicht eine Idee, wie ich da noch an mir arbeiten kann ?

Ein weiteres Problem, welches ich habe ist, dass ich mich nicht öffnen kann. Ich habe 2 sehr gute Freundinnen, denen ich tief vertraue, auf die ich mich auch verlassen kann. Wir drei kennen uns schon sehr lange und sind uns unserer guten Freundschaft bewusst und sehen sie als kostbares Geschenk an. Aber selbst ihnen kann ich mich nicht anvertrauen. Ich hatte eine sehr schlimme Kindheit, die ich noch immer versuche zu verarbeiten, was nicht immer so klappt. Oft habe ich Panikattacken und immer sind sie für mich da und unterstützen mich, da wieder hinaus zu kommen. Obwohl sie nicht wissen wieso ich so sensibel auf manche Dinge reagiere. Sie akzeptieren meine Verschwiegenheit, auch wenn ich sehe, dass es ihnen zu schaffen macht, mir nicht helfen zu können. Ich möchte ihnen gerne erzählen, was mich belastet, ich weiß ja auch alles über sie, aber ich kann es nicht. Ich habe es oft versucht. Habe mit meiner Psychologin Visualisierungsübungen gemacht, aber nichts hat etwas gebracht. Auch meine Therapeutin habe ich nichts erzählen können, ich habe geschrieben und gezeichnet und ihr damit meinen Kummer gezeigt. Nun arbeitet sie mit mir. Und das tut mir sehr gut.

Die Frage, wieso ich euch eigentlich geschrieben habe ist die, ich habe seid 9 Monaten meinen ersten Freund.
Wir haben uns, auch wenn das nur prekär klingt, im Internet bei Facebook kennen gelernt. Er hatte mich angeschrieben und so hatten wir 3 Monate Kontakt bis wir uns getroffen haben. Natürlich hatte ich mir Absicherung geholt und war sehr vorsichtig. Er war sehr verständnisvoll dafür.
Ich habe für ihn alle meine guten Vorsätze über Bord geworfen, - mich niemals mit jemanden aus dem Internet zu treffen -, aber ich bereue es keine Sekunde.
Er ist sehr aufmerksam, hilfsbereit und verständnisvoll. Obwohl wir "erst" 9 Monate zusammen sind, haben wir viel zusammen durchgestanden.
Nachdem meine Mama gestorben ist, bin ich von meinem Stiefvater zu meinem Freund gezogen. Als Überbrückungsmaßnahme. Wir sind beide der Meinung, dass ich zuerst eine eigene Wohnung haben soll und man nicht direkt in eine gemeinsame Zukunft starten sollte, da auch er erst 22 ist (Biologie studiert) und wir mal unseren Freiraum und Privatsphäre brauchen.
Nachdem ich bei ihm eingezogen war, hatte ich massive Probleme mit meiner Psyche, wir waren zu dem Zeitpunkt drei Monate zusammen und hatten noch keinen intimeren Kontakt außer küssen und mal ein bisschen unters T-Shirt fassen, da ich alles andere immer abgeblockt habe. Er hat mein Verhalten auch akzeptiert und war sehr tolerant. Hat mich verwöhnt und mir die Freiräume und Schutzmechanismen gelassen.
Als wir zum ersten Mal den Versuch unternommen haben, miteinander zu schlafen bin ich in Tränen ausgebrochen. Kennt ihr den Zwiespalt, wenn ich etwas wollt aber es nicht könnt? Ich hatte absolut Panik bekommen. Er war dennoch verständnisvoll und da ist es einfach aus mir herausgebrochen. All der Schmerz den ich in mir herum getragen habe. Jede Demütigung und Verletzung (die man leider auch an meinem Körper sehen kann - weswegen ich mich auch für ihn sehr schäme) - habe ich ihm genannt. Seine Reaktion hat mich sehr überrascht. Statt unter der Last der Probleme sich zurückzuziehen war er da. Hat mir gezeigt, wie wunderbar er meinen Körper findet und das ich keine Angst vor sexuellem Kontakt haben muss.
Mittlerweile weiß ich, dass ich ihm Vertrauen kann, dass er mich nicht im Stich lässt. Das ich keine Angst haben muss. Das ist ein verdammt gutes Gefühl. Es ist mein erstes Zuhause gewesen, wo ich nicht missbraucht, geschlagen oder vergewaltigt worden bin. Auf seinen Rat und mit seiner Stärke im Rücken habe ich meinen Vater, meinen Onkel und meine beiden Brüder wegen Vergewaltigung und Körperverletzung angezeigt. Prozessbeginn ist bald. Und ich weiß, dass ich auch das mit ihm an meiner Seite ausstehen kann.
Nun aber zu dem Part, bei dem ich euch um Rat fragen wollte.
Vor kurzem hat mit mein Freund gestanden, dass er auf BDSM steht. Das kam durch Zufall heraus und er hat sich so gleich geschämt. BDSM, ich habe es gegoogelt, ist eine leichte Form von Sadomaso und ist bekannt als Lustschmerz. Nachdem das rauskam, ist er mir immer mit den Blicken ausgewichen, weil er Angst hatte, dass ich mein Vertrauen in ihn verlieren könnte, da ich mit Schmerz beim "Sex" ja keine guten Erfahrungen gesammelt habe.
Wir haben uns dennoch letztens noch einmal darüber unterhalten und er sagte, dass er so was auch noch nie ausprobiert habe, er aber in Pornos sehr darauf stehen würde, wenn eine Frau ans Bett gefesselt ist und die Augen verbunden hat. Er hat mir beteuert, dass er auf mehr "perverses Zeug" (wie er es nennt) nicht steht und sich für seine "Abnormalität" sehr schämt. Dass er so darüber denkt, macht mich traurig.
Zudem hat er mir mehrmals gesagt, dass er das niemals an mir ausleben würde, weil er ja weiß, dass ich mit so was schlechte Erfahrungen gemacht habe.
Nun habe ich mal so ein wenig im Internet nachgegooglelt und mir gedacht, dass an reinen Fesselspielchen, also ohne Schlagen oder größere Demütigung, für mich persönlich nichts Schlimmes dabei ist. Das ich mir das durchaus mit ihm vorstellen könnte. Aber, wie so oft, bin ich in der Hinsicht sehr zurückhaltend.
Ich möchte ihn damit gerne überraschen, habe aber gleichzeitig Angst davor, auch wenn ich weiß, dass ich nicht abgewiesen werde, da er es ja auch möchte. Aber irgendetwas hemmt mich einfach innerlich und das nervt mich persönlich sehr.

Bin ich vielleicht doch nicht weit genug so einen Schritt zu wagen, auch wenn ich das meine?
Ich würde ihm doch sehr gerne diese Freude machen, da er so unheimlich viel für mich getan hat und immer noch tut.
Und wenn ich es mache, wie in etwa? So was zieht man doch nicht romantisch auf, oder?

Zudem ruft mein Stiefvater momentan ständig bei mir an, tyrranisiert mich und versucht mir Dinge zu verbieten, die ihm nichts angehen. Ich hatte noch nie ein gutes Verhältnis zu ihm. Er hat meiner Mutter sehr viel Schmerz und Leid zugefügt und sie ohne Ende ausgebeutet. Er hat sie in Schulden und nachher in den geistigen Ruin gestürzt.
Meine Mutter hatte immer eine labile Psyche, eine Eigenschaft, die ich Gott sei Dank nicht geerbt habe. Doch die letzten Jahre waren sehr schlimm. Ich habe sie zuerst zuhause gepflegt, dann kam sie nach Bedburg-Hau in die rheinischen Kliniken, wo ich sie jeden Tag besucht habe. Leider hat sie den Freitod gewählt, was mich ziemlich in den Abgrund gestürzt hat. Aber mittlerweile krabbel’ ich dank guter Hilfe wieder heraus. Nur mein Stiefvater macht mir das Leben schwer. Ich weiß nicht, wie ich mit seinen Drohungen noch umgehen kann. Möchte aber niemanden damit erneut belasten. Meine Freunde nicht und meinen Freund erstrecht nicht. Er tut soviel für mich und momentan ist er so glücklich, da wir seine Wohnung zusammen neu einrichten und ihm eine Küche bauen. Das macht wahnsinnig Spaß, danach ist meine Wohnung dran. Habt ihr eine Idee? Ich habe schon mit ihm geschrieben, persönlich gesprochen (natürlich in der Öffentlichkeit, da er sehr jähzornig und gewalttätig sein kann). Dennoch ist er einfach in meine Wohnung eingebrochen. Da habe ich ihm mit der Polizei gedroht. Nun will er Fotos, die er wohl mal von mir geschossen hat veröffentlichen und erpresst mich mit prekären Fotos von Mama. Ich will die Polizei nicht einschalten, dann veröffentlicht er die Aufnahmen. Ich weiß nicht mehr weiter...

Vielleicht antwortet ihr mir ja. Denn ich würde gerne eine Meinung dazu hören, auch wenn ich nicht weiß was genau. Einfach vielleicht ein kleiner Schubs, was ich tun soll. Ich weiß, dass ich das im Grunde mit mir selbst klären muss, dass ihr mir das nicht sagen könnt, da ihr mich a) nicht kennt und b) es ja meine Empfindungen sind. Trotzdem, vielleicht hilft mir eure Ansicht mir darüber klar zu werden.

Es würde mich sehr freuen.


MfG

Janice.

Jeanett Anwort von Jeanett

Liebe Janice,

zuerst mal ganz lieben Dank für deine lobenden Worte an uns. Ich freue mich, dass wir dir mit unserem Kummerkasten schon mehrmals Rat und Hilfe geben konnten.

Jetzt versuche ich, auf dein langes Problem zu antworten, was nicht leicht sein und sicher ne Weile dauern wird.

Ich glaube, du hast sicherlich sehr viel Schlimmes durchmachen müssen. Trotzdem scheinst du dein Leben gut im Griff zu haben, dafür mein höchster Respekt! Du weißt, was du willst, und arbeitest zielstrebig auf deine Ziele hin. Das verdient wirklich höchste Anerkennung, und du hast allen Grund, darauf stolz zu sein.

Dass es hin und wieder ein paar Dinge gibt, bei denen du dann doch mal merkst, dass nicht immer alles in Ordnung mit dir war, ist in Anbetracht deiner langen Leidensgeschichte (Schläge, Vergewaltigung) eigentlich nicht verwunderlich. Dein mangelndes Interesse an den Menschen deiner Umgebung und dein mangelndes Vertrauen in Freunde und neue Bekannte ist ein Zeichen dafür. Wahrscheinlich ist das so eine Art Schutzmechanismus. Das ist auch nicht schlimm, und du musst es nur akzeptieren. Du schuldest niemandem was, musst also auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn du Desinteresse an den Tag legst.

Du hast uns hier erzählt, was du deinen beiden Freundinnen und deiner Therapeutin bis heute noch nicht erzählen konntest. Das ist sehr gut, und ich hoffe, es hat dir auch gut getan, alles mal loszuwerden.

Ich freue mich für dich, dass du einen lieben und verständnisvollen Freund gefunden hast, der zu dir steht. Ich glaube, er schämt sich vielleicht jetzt ein bisschen für sein Geständnis über seine sexuellen Vorlieben. Zumal ihr ja noch nicht mal richtigen Sex zusammen hattet. Vielleicht macht er sich Vorwürfe und kann dir deswegen nicht mehr in die Augen schauen bei dem Thema. Komm ihm doch ein wenig entgegen, zeig Verständnis. Er weiß sicher, dass es zuviel verlangt wäre von dir, dass du dich solchen Spielchen hingibst. Aber man muss ja auch nicht alles gleich auf einmal wollen. Und beim Sex soll sowieso immer nur das gemacht werden, was beide wollen. Immer schön langsam, Schritt für Schritt. Wenn du das nicht willst, dann ist es ok, sicher auch für deinen Freund. Betrachte sein Geständnis auch als einen unglaublichen Vertrauensbeweis! Es ist auch keine Abnormalität, sondern einfach nur eine Vorliebe. Es ist also nichts, was unbedingt sein muss, damit er sich wohl fühlt. Zumal er es ja noch nicht mal ausprobiert hat.
Also, je mehr ich schreibe, desto mehr sehe ich wirklich einen immensen Vertrauensbeweis in seinem Geständnis. Dein Problem ist wahrscheinlich jetzt, dass du glaubst, du musst ihm ermöglichen, diese Vorlieben sofort auszuleben. Aber das musst du nicht. Lehn dich zurück, genieße sein Vertrauen und seine Liebe, die er dir entgegen bringt. Du kannst zurückhaltend sein, fühl dich zu nichts gezwungen. Dass du dich gehemmt fühlst, ist völlig nachvollziehbar. Wenn ihr irgendwann mal beide meint, hey, das probieren wir mal aus, dann tut das gemeinsam, und nur wenn ihr es beide wollt.

Deinen Stiefvater solltest du unbedingt bei der Polizei anzeigen. In deine Wohnung einzubrechen, dazu hat er kein Recht. Erzähl der Polizei auch von den Leiden, die er dir in all den Jahren zugefügt hat. Und von seinen Drohungen, unangenehme Fotos von dir zu veröffentlichen. Denn eigentlich gehören solche Leute weggesperrt! Ich finde, du hast jetzt lange genug zurück gesteckt und alles über dich ergehen lassen! Jetzt ist es an der Zeit, dein eigenes Leben zu leben. Und die jahrelangen Drangsalierungen deines Stiefvaters (und was weiß ich, wem sonst noch aus deiner Familie - Onkel? Brüder? Wie furchtbar!!) endlich hinter dir zu lassen!

Was wir hier für dich tun können ist leider nichts weiter als ein paar gutgemeinte Ratschläge zu geben. Aber Hilfe in deiner konkreten Situation (Schutz vor Übergriffen deines Stiefvaters) kann dir die Polizei geben. Polizisten sind übrigens auch psychologisch geschult. Also ein guter Üolizist sollte sofort erkennen, dass du wirklich Hilfe brauchst. Aber auch hier musst du über deine Probleme wirklich sprechen, sag dass du Angst hast vor deinem Stiefvater, und erkläre auch, warum.

Ich hoffe, ich konnte dir wenigstens ein bisschen weiterhelfen. Wir sind auch weiterhin immer für dich da, also wenn du nicht weiter weißt, dann schreib einfach noch einmal, okay? Bis dahin wünsche ich dir erstmal alles Gute!

Liebe Grüße, Jeanett