Problem von Kiki - 14 Jahre

Ich bin anders, bekomme aber keine Hilfe...

Ich bin nicht so, wie man sich eine 14-Jährige normalerweise vorstellen würde. Natürlich ist jeder Mensch irgendwie einzigartig, aber ich fühle mich wirklich krankhaft anders!
Ich interessiere mich nicht für das, was andere Leute in meinem Alter machen / gut finden; im Gegenteil, ich hasse das meiste davon regelrecht! (So kann ich zum Beispiel nicht verstehen, warum alle diese widerlichen Klamotten von H&M oder Primark tragen. --> Ich selbst gehe nie "shoppen" oder begleite höchstens Freunde dabei und langweile mich... Oder warum alle einen "Freund" wollen und jedem halbwegs gutaussehenden Typen sofort schmachtende Blicke zuwerfen. --> Ich fühle mich viel zu minderwertig und langweilig, als dass sich irgendjemand für mich interessieren könnte. Außerdem bin ich extrem feige, ich kann Jungs gar nicht mal ansehen.)
Andere Teenies haben Liebeskummer, ich dagegen weine mir die Augen rot, wenn ich z.B. Mathe nicht verstehe oder eine braune Stelle an einem meiner Zähne entdecke oder aber (Und das ist der häufigste Grund.) weil ich nie das schaffe, was ich mir vornehme und nichts so klappt, wie ich es möchte.
Ich bin ab der 5. Klasse ans Gymnasium gegangen, bis etwa Ende der 7. Klasse wurde ich gemobbt. Hab mich damals auch ein paar Mal (nur leicht) geritzt; die Narben sieht man aber kaum noch. Das Verhältnis zu meiner Klasse ist jetzt im Grunde genommen in Ordnung, die anderen wissen halt bloß nicht, dass ich tief in meinem Inneren immer noch Angst vor ihnen habe und ihnen nicht vertrauen kann. Ich habe gegen einige Mitschüler/-innen einen blinden, von Angst geprägten Hass entwickelt...
Ich hasse es generell, nach draußen zu gehen und von fremden Menschen angesehen zu werden. Dann bekomme ich Herzrasen, fange an zu Schwitzen und hab einen Kloß im Hals, als müsste ich gleich weinen.
Zu Hause hingegen bin ich meist super drauf und man würde überhaupt nicht auf die Idee kommen, dass es mir schlecht gehen könnte. Ich verstehe mich super mit meiner Mutter; sie ist so etwas wie meine beste Freundin. ABER wenn ich ihr von meinen oben genannten Problemen erzähle, nimmt sie mich überhaupt nicht ernst und meint nur, ich soll "nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen"... Mit meinem Vater ist es genau so. Bei ihm habe ich außerdem das Gefühl, dass er mich nicht ansatzweise versteht. (Ich verstehe ihn übrigens auch nicht... Es mag jetzt "komisch" klingen, aber manchmal ekele ich mich richtig vor ihm... Zum Beispiel beim Essen, wenn ich hören kann, wie er kaut und schluckt oder wenn er morgens aufs Klo geht und ich mitanhören muss wie er, pardon, lautstark furzt. In solchen Situationen will ich einfach bloß schreiend wegrennen!)

Was ist los mit mir? Wo kann ich mir Hilfe suchen? Kann ich zum Psychologen gehen, ohne, dass meine Eltern einwilligen?

Judith Anwort von Judith

Liebe Kiki,

Danke für Deine E-Mail.
Eins mal gleich vorweg: Du bist nicht "anders". Ich glaube zu erkennen, dass Du ein ganz normales Mädchen bist - eben individuell, mit Deinen eigenen Meinungen und Empfindungen. Jeder Mensch ist "anders", jedes Mädchen hat andere Interessen. Nur, weil Du nicht gern shoppen gehst und Dich (noch) nicht für Jungs interessierst, bist Du noch lange nicht unnormal. Mach Dir da also keine Gedanken.

Du hast wohl in den letzten Jahren ein paar Probleme gehabt (Du sprichst von Mobbing und selbstverletzendem Verhalten). Ich freue mich, dass es nun besser geht und Du einen Freundeskreis hast, in den gut integriert bist. Weisst Du, Freunde zu haben muss ja nicht heissen, 100% mit ihnen übereinzustimmen in allen Dingen und Ansichten. Und ich glaube auch, dass Du die Zeit, in der Du eher eine Aussenseiterin warst, noch nicht ganz verarbeitet hast. So etwas hinterlässt Spuren, die erst langsam verschwinden. Ich halte es für normal, dass Du nicht von jetzt auf gleich alle schlechten Erfahrungen vergisst und Dich nun total öffnest. Du bist nach wie vor ängstlich - aber es wird besser.

Deine Eltern bagatellisieren Deine Probleme, was sicher nicht hilfreich ist. Es ist zwar schön, dass Du Deine Mutter als "beste Freundin" bezeichnest, aber eine Mutter ist eben auch mehr als das: Manchmal braucht man einen guten Rat und eben jemanden, der einem mit einem erwachsenenn Blick hilft und stärkt. Vielleicht ist Deine Mutter da etwas überfordert bzw. zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Sag ihr doch mal in einer ruhigen Minute, dass es eben nicht so leicht für Dich ist, das erlebte Mobbing zu vergessen, und dass Du Dir von ihr mehr Unterstützung wünschst.

Generell glaube ich, dass in Dir ein starkes Mädchen steckt, und dass Du mit der Zeit ein gutes Selbstbewusstsein entwickeln wirst und zu Dir stehen kannst. Vielleicht suchst Du Dir ein Hobby, wo Du mit anderen Menschen in Kontakt kommst. Mit Mädchen und Jungs, die Dein Interesse teilen. Vielleicht etwas muikalisches, oder eine Sportart im Verein? Das hilft, um die Angst, auf Fremde zuzugehen zu überwinden, und neue Kontakte zu knüpfen.

Hier auch noch ein guter Link:
http://www.zeitzuleben.de/2228-selbstbewusstsein-und-selbstvertrauen-10-tipps/

Wenn es nicht besser wird und vor allem wenn Du merkst, dass Du wieder in alte, ungesunde Muster (zB Ritzen) hinenrutscht, dann solltest Du Dir Hilfe holen. ZB in erster Linie natürlich von Deinen Eltern, aber wenn sie Dir nicht zuhören, dann vom Schulpsychologen oder Eurem Hausarzt.

Du schaffst das, Kiki. Du klingst wie ein intelligentes, interessiertes Mädchen. Ich bin sicher, Du gehst Deinen Weg!

Alles Gute,
Judith