Problem von Basim - 18 Jahre

Angstzustände und Albträume durch Vergangenheit

Guten Abend.

Ich bin vor 10 Jahren aus dem Gazastreifen nach Deutschland gekommen, bin jetzt 18 Jahre und hab mich hier eigentlich relativ gut eingelebt. Ich hab viele gute Freunde, hab vor Kurzem meine letzte Abiturprüfung gehabt und seit einiger Zeit eine wundervolle Freundin. In meiner Jugend hatte ich das Erlebte meiner Familie zuliebe verdrängt und die ersten Jahre in Deutschland kein Wort darüber verloren, es sei denn es kam die Todesnachricht von Verwandten o.Ä. Seit November letzten Jahres plagen mich jedoch Albträume, Angstzustände und Schlaflosigkeit. Ich hab mit 6 Jahren meinen Bruder bei einem Bombenanschlag sterben sehen und die Bilder nie vergessen können, bis heute nicht. Mit meinen Eltern, Freunden und meiner Freundin möchte ich nicht darüber reden weil die Hemmung einfach zu groß ist. Auch Psychologen möchte ich mich nicht öffnen. Habt ihr vielleicht Tipps die.mir helfen können? Danke im Voraus

Pia Anwort von Pia

Lieber Basim,
vielen Dank für Dein Vertrauen und dass es geschafft hast, Dir bei solch einem schweren Thema Rat zu suchen.

Ich finde es super, dass Du den Schritt gemacht hast und hier geschrieben hast. Das ist der erste Schritt in die richtige Richtung, denn es fällt Dir natürlich schwer Dich an dieses Thema anzunähern. Ich finde es super, dass Du Dich so gut in Deutschland integriert hast, nun dein Abitur abgeschlossen hast und privat auch glücklich bist. Es ist weniger gut, wenn Dich solche Träume noch quälen. Erst Recht in weniger schöneren Zeiten könnte das noch mehr zum Problem werden, wenn Du etwas instabiler wärst. Denn jetzt bist Du außer diesem Thema relativ stabil und hättest gute Ausgleichtätigkeiten und nun wäre es vielleicht ein guter Zeitpunkt Dich daran zu wagen.

Mit Traumata ist das so eine Sache, denn es kommt immer auf den Leidensgrad an. Du hast in der Tat ein schweres Trauma erlebt und es verfolgt Dich nach so langer Zeit noch. Das zeigt, dass Du es nicht verarbeiten konntest und wahrscheinlich an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidest. Manche Menschen können solche Erlebnisse besser wegstecken, manche weniger gut. Es ist keine Schande, das kommt immer individuell auf das Erlebnis und auf die Person an.

Was Du machen könntest? Natürlich wäre Reden eine gute Möglichkeiten, doch es fällt einem sehr schwer und es tut meistens sehr weh. Du könntest es jedoch mal probieren, mit der Person, die sich für Dich am besten eignet. Sage ihr zu Beginn, dass Du gerne die Kontrolle behalten möchtest. Kontrolle behalten ist sehr wichtig, das ist sozusagen auch das Ziel Deiner Bearbeitung, denn Du möchtest, dass Du dieses Erlebnis unter Kontrolle hast, ohne das es Dich zu sehr belastest. Sage der Person genau, wie Du Dich fühlst, bei jedem Teil der Erzählung und wenn es Dir zu viel wird, dann brich es ab und mach es immer Etappenweise, das wäre sehr zu empfehlen. Du solltest unnötigen Stress und Druck vermeiden, denn dies ist eher kontraproduktiv.
Eine andere Möglichkeit Deinen Gefühlen mehr Raum zu lassen wäre malen/zeichnen, denn dann musst Du nicht aussprechen was Du fühlst, sondern könntest es anders ausdrücken. Ein Bild, das den Schrecken und die Angst widerspiegelt könntest Du danach in eine Kiste packen. Dann hast Du das Erlebte noch bei Dir, aber auch in einer Kiste, wodurch Du Sicherheit erleben könntest.
Wahrscheinlich möchtest Du das Erlebte auch nicht vergessen, da Dir Dein Bruder sehr wichtig war. Doch Du musst lernen, wie gesagt, Kontrolle darüber zu gewinnen. Wie gefällt Dir der Gedanke, dass Du das Erlebte mit deiner Imagination in eine Kiste sperrst, damit es eingeschlossen ist und nicht unkontrolliert herauskommt und Dich überwältigt? Es gibt einige solcher Tricks, Die Du anwenden könntest. Ich empfehle Dir dabei das Buch von Luise Reddemann „Imagination als heilsame Kraft“. Es ist für Therapeuten, Betroffene und Angehörige mit vielen Übungen zur Traumaverarbeitung. Auch etwas zum Entspannen, dann solche Kistentricks und vieles mehr.

Das ist alles sehr anstrengend und ich kann mir gut vorstellen, dass wenn Dein Trauma schon so schlimm ist, dass Du professionelle Hilfe brauchst. Es ist keine Schande. Es tut gut einmal zu reden und es muss auch nicht nur über das Trauma sein. Dir muss klar werden, dass Traumatherapie erstmals mit Stabilisation anfängt, Luise Reddeman spricht von 5 Phasen. Stabilisation, Stabilisation, Stabilisation, Konfrontation und dann Integration mit Abschluss. Oftmals reicht Stabilisation schon aus, wenn eine Konfrontation zu schmerzhaft wäre. Es wäre so gut, wenn Du den Schritt schaffst und Dich einem Psychotherapeuten anvertrauen könntest. Hier findest Du Einiges zur Therapeutensuche:
http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Wie-finde-ich-einen-Psychologen.html

Du hast nun den ersten Schritt in die Richtung gemacht, ich fände es mutig und gut für Dich, wenn Du jetzt nicht stehen bleibst. Denn das wäre für Deine Zukunft und Dein Wohlbefinden sehr gut. Außerdem könntest Du mal mit einem Arzt über deine Schlafprobleme sprechen und vielleicht bekommst Du medikamentöse Unterstützung. Ich hoffe, dass ich Dir ein bisschen weiterhelfen kann und wünsche Dir für Deine Zukunft alles Gute!

Liebe Grüße
Pia