Problem von Selina - 19 Jahre

Ein Jahr Pause nach Schulabschluss

Hallo,

ich habe dieses Jahr das Berufskolleg mit der Fachhochschulreife abgeschlossen. Beworben habe ich mich nirgendwo. Nachdem ich meine mittlere Reife bekommen hatte, habe ich eine Ausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellte angefangen, welche für mich zwischen Überstunden, mehr als unfreundlichen Vorgesetzen und Kollegen und unangemessenen Aufgaben der reine Horror war. Diese habe ich abgebrochen. Seitdem habe ich extreme Angst davor, wieder eine Ausbildung anzufangen, was zu meiner Reluktanz beim Bewerben geführt hat.
Auch die Schule hat mich in den letzten Jahren sehr ausgelaugt. Ich habe einige psychische Probleme, welche mich belasten, von denen aber niemand wirklich weiß, diese haben sich in der Schule durch den Stress und den Druck zu Versagen, verstärkt.
Nichts würde ich lieber machen als ein Jahr eine Verschnaufspause. Meine Eltern denken, dass ich einfach nur faul bin. Sie wollen, dass ich ein freiwilliges soziales Jahr absolviere, der Gedanke daran allein lässt mich beklommen und unwohl fühlen, da ich in jedem Falle viel mit anderen Menschen und deren Pflege zu tun hätte, früher kein Problem, heute könnte ich schon heulen wenn ich daran denke.
Gerne würde ich mit meinen Eltern über meine Probleme reden, aber sie halten mich wie schon gesagt für faul und kleinlich. Als wir erfuhren, dass die Frau meines Cousins Depressionen hatte, sagte meine Mutter, dass man heutzutage mit allem möglichen diagnostiziert wird. Meine Eltern "glauben" nicht an Depressionen. Ich habe Angst, auf Unverständnis zu stoßen und mir vorwerfen zu lassen, dass ich nur faul wäre.
Ich wäre auch bereit, einen 400€-Job anzunehmen um so Geld beizusteuern, mir geht es nur um die tägliche Beschäftigung und den Druck. Ich weiß einfach nicht, wie ich das meinen Eltern klar machen soll, ohne sofort auf taube Ohren zu stoßen. Selbst meine ehemalige Lehrerin meinte noch während der Schule, es sei in Ordnung so etwas zu machen, falls man etwas Abstand braucht.

Liebe Grüße

Anita Anwort von Anita

Liebe Selina,

es ist absolut in Ordnung ein Jahr Pause zu machen :)
Es gibt viele Möglichkeiten, was du machen könntest.
Such dir vielleicht ein paar Betriebe heraus und bewirb dich für Praktika, je 3 bis 4 Monate. Das ist nicht die Welt, ein Ende ist absehbar, falls es gar nichts ist. Du schnupperst in den Alltag rein, kannst einschätzen wie die Mitarbeiter behandelt werden und ob es etwas für dich wäre. Oft bekommt man auch ein bisschen Geld fürs Praktika.
Ein FSJ muss man nicht in der Pflege machen. Vielleicht wäre ein Kindergarten eher etwas für dich? Klar auch stressig aber emotional vielleicht weniger Hart.
Oder eine Zeit lang ins Ausland; Work and Travel oder als Au Pair? Da hättest du dann eine Menge Abstand und lernst, dass du dich auf dich selbst verlassen kannst. Alleine in einem fremden Land... da muss man extrem mutig und selbstbewusst sein. Das schafft nicht jeder.
Du kannst natürlich auch erst einmal in einem Supermarkt jobben gehen.
Sprich doch auch einfach einmal bei der Agentur für Arbeit vor. Sag denen wie es dir geht was du dir vorstellst, dass du ein wenig orientierungslos bist zur Zeit... vielleicht kommt dem Mitarbeiter dort ja noch eine zündende Idee.

Weiter würde ich dir raten ein Gespräch bei deinem Hausarzt zu suchen. Vielleicht kann er dir weiterhelfen, was das ausgelaugt fühlen und die Versagensängste angeht. Indem er dir vielleicht die Nummer von einem Therapeuten gibt oder dir eine Gesprächstherapie oder ähnliches empfiehlt. Das ist alles kein Drama, wirklich nicht :) Für dich ist es eine sehr schlimme Situation, das ist klar. Aber du musst und kannst lernen damit zu leben und umzugehen und das auch zu besiegen. Dabei ist es nur sehr wichtig, dass du dich nicht unter Druck setzen lässt. Und die beste Hilfe ist meiner Meinung nach professionelle.

Ich glaube auch, dass du dir deine Eltern ein bisschen auf Abstand halten kannst, indem sie merken, dass du dich kümmerst. Sei das jetzt eine Bewerbung für ein Praktikum schreiben oder ein Gang zum Arbeitsamt.

Ich wünsche dir alles Gute.
Anita