Problem von Anonym - 15 Jahre

Keine Hilfe geben können

Keine Hilfe geben zu können macht mich nieder. Ich habe immer ein schlechtes gewissen wenn ich jemandem nicht das sagen kann, was er hören möchte. Wenn ich jemandem helfen kann und dafür "Taschengeld" bekomme habe ich immer das Gefühl, dass es viel zu viel ist. Ich möchte immer helfen aber nicht gegen geld und sobald ich nicht helfen kann bin ich am Boden zerstört. Das hört sich vielleicht seltsam an aber.. Naja keine Ahnung was ich dagegen machen kann.

Florian Anwort von Florian

Hallo Ratsuchender


Du beschreibst hier etwas was in Richtung, nicht aber zwingend absolut, auf ein sogenanntes "Helfersyndrom" deutet. Das beschreibt Menschen die meinen versuchen zu müssen alles und jeden zu helfen, selbst ungeachtet der eigenen Bedürfnisse oder auch eigenen Sicherheit. Zugleich fühlen sie sich in Situationen in denen sie keine Hilfe leisten können, weil sie keine Kontrolle über diese Situation besitzen und so schlicht keine Hilfe möglich ist, schlecht und unwohl. Solche Situationen nehmen sie meist persönlich und glauben das es ihre eigene Schuld gewesen war, das keine Hilfe gegeben werden konnt.

Genau hier ist das Problem was ein Helfersyndrom auslösen kann: Wenn die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt werden und wenn die eigene Psyche aufgrund von Schuldgefühlen leidet, obwohl keine eigene Schuld vorliegt.

Das hast Du bereits auch erkannt, nicht aber die Ursache und die Lösung dazu. Die Ursache dieses Helfersyndroms liegt in der eigenen Vorstellung, die besagt helfen zu müssen und zwar um (fast) jeden Preis. Dies ist eine moralische Vorstellung, die irgendwann durch diverse Situationen beigebracht wurde und wegen der seitdem die Regel gilt: "Helfe jeden, denn das ist gut. Und tue das ohne dafür etwas zu verlangen, denn das wäre schlecht."
Diese absolute Wertung, helfen ist nur gut und etwas dafür zu bekommen ist schlecht, ist für sich genommen eine unnatürliche Vorstellung. In der Natur findet sich nichts was absolut gut oder schlecht wäre. Jedes Ereignis und jede Handlung hat gute und schlechte Seiten. Genau diese Vorstellung ist es, die Du bei Dir kultivieren musst und annehmen musst. Ebenso wie die Vorstellung, dass es durchaus auch in Ordnung sein kann, Geschenke und Gegenleistungen für seine Hilfe zu bekommen.


Wie erreicht man das?

Zum einen kannst einmal versuchen bewusst in solchen Situationen in denen Du geholfen hast und Dir danach ein Geschenk oder eine Gegenleistung, in welcher Form auch immer, angeboten wird, diese anzunehmen. Vielleicht handelst Du denjenigen noch etwas runter, wenn es Dir sonst zu sehr großzügig erscheint, aber Du nimmst diese Gegenleistung bewusst an.
Es kann auch durchaus hilfreich sein, falls es Dir manchmal so vorkommt, als ob andere Deine Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft ausnutzen, hier selbst eine Gegenleistung zu fordern. Ein "hilfst du mir, helfe ich dir"-Angebot gewissermaßen. Dadurch siebst Du zum einen jene raus die versuchen Dich auszunutzen und schaffst es so auch Deiner Hilfe bzw. Deiner Zeit und Deiner Arbeit einen gewissen Wert beizumessen.

Weiter ist es wichtig, einmal genauer zu betrachten, was in Fällen passiert in denen Du nicht helfen konntest. So gibt es genügen Fälle auf der Welt bei denen Du nicht eingreifen kannst und in denen Du keine Hilfe leisten kannst. Es gibt 7 Milliarden Menschen auf diesem Planeten und nochmal ein Vielfaches mehr an anderen Lebewesen, es gibt das Wetter, das Klima, die Strömungen der Meere, die Gezeiten, das langsame Verschieben der Erdplatten, die Rotation der Erde und nicht zu vergessen ein vielfaches an weiteren Einflussfaktoren die in jedem Augenblick auf die gesamte Erde und damit auch auf uns Einfluss nehmen. Und doch haben wir nur die Kontrolle über ein einziges Wesen, uns selbst. Wir sind nur ein Faktor innerhalb eines natürlichen Systems mit so vielen Faktoren, dass keine Zahl diese erfassen kann. Und jede Situation wird von diesen unzähligen Faktoren beeinflusst.
Und jetzt frag Dich doch einmal, in wie vielen Situationen Du wirklich die Kontrolle hast und wo Du helfen kannst. Und dann frage Dich weiter, welche Faktoren alles mit hineinspielen, wenn Du einmal nicht helfen konntest. Es gibt unzählige weitere Faktoren denen Du genauso die Schuld geben kannst, wenn eine Hilfe von Dir versagt. Eine Schuld die nur Dich betreffen würde, kann es nicht geben. Es trifft immer auch andere Teile dieses natürlichen Systems.

Ein weiterer wichtiger Punkt wäre, das "was wäre wenn"-Denken abzustellen oder zumindest stark zu reduzieren. Ein Grund dafür warum man sich immer wieder selbst gerne die Schuld an etwas gibt, ist genau dieses Denken. Dabei ist dieses Denken vollkommen unnütz. Denn die Situation ist bereits geschehen, folglich nicht wiederholbar und keine Korrektur möglich. Wenn man in der Vorstellung nun danach sucht "was wäre gewesen, wenn ich schneller gewesen wäre" oder "was wäre gewesen, wenn ich doch A anstatt B gewählt hätte?" kommt man vielleicht darauf wo eventuell ein Fehler stattgefunden hat. Aber es nützt nichts mehr. Weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft. Denn jede Situation hat andere Voraussetzungen und andere Faktoren die es zu berücksichtigen gilt. Somit ist auch jede Situation anders. Das gelernte aus vergangenen Situationen hilft also praktisch gar nichts. Das "was wäre wenn"-Denken folglich ohne wirklichen Nutzen.
Wenn man sich das einmal bewusst wurde, kann dieses Denken auch überwunden werden und sich stattdessen darauf konzentriert werden, was jetzt zu tun ist im Anbetracht der gegenwärtigen neuen Situation mit eben den vorliegenden Voraussetzungen. Jedes andere Denken, egal ob in die Zukunft oder die Vergangenheit, hilft für die Gegenwart absolut nichts. Die Konzentration muss entsprechend im hier und jetzt liegen. Denn nur dort kann gehandelt werden.
Entsprechend daher der Tipp, wenn Du Dich dabei erwischt einen solchen Gedanken zu erwischen, konzentriere Dich wieder auf die Gegenwart und die vorliegende Situation und handel entsprechend.


Ich hoffe Dir damit weitergeholfen zu haben und wünsche Dir alles Gute.


Gruß

Florian