Problem von Manuela - 18 Jahre

Versagensängste

Stichpunkte: Psychose, Psychiatrie, Hochbegabung, Versagensängste, Angst, soziale Isolation.

Ich fange einfach mit der aktuellen Situation an. Innerhalb des letzen Jahres war ich vier Monaten in Psychiatrien, davon drei in einer Erwachsenenpsychiatrie obwohl ich noch nicht achzehn war. Diagnosen geben die Ärzte nicht gerne, aber meine neue Psychiaterin hat gesagt, ich hätte eine Psychose. Verdachtsdiagnosen waren Schizophrenie, Soziale Phobie, Zwangsstörung, Depression, narzisstische und schizoide Persönlichkeitsstörung. Diagnosen sind mir eigentlich ziemlich egal. Ich habe sie jetzt nur geschrieben, damit man mich besser versteht.

Das eigentliche Problem ist die Schule. Ich kann nicht mehr. Ich gehe auf eine wirklich schwierige Schule und wir haben auch die strengsten Lehrer. Letztes Jahr bin ich mit größter Mühe durchgekommen. Und heuer war ich die erste Woche wieder in der Psychiatrie. Ich komme mit dem Stoff einfach nicht mit. Ich sitze im Unterricht und kann nicht folgen. Ich fühle mich so schlecht. Ich kann nicht mehr lesen, nicht mehr richtig denken. Die Medikamente machen mich müde.

Ich weiß, dass ich heuer das Abi nicht schaffe. Und dieses Gewissen treibt mich wieder in meine Selbstmordgedanken. Je mehr Stress desto schlechter geht es mir. Ich habe riesige Angst, zu versagen. Und das Versagen ist sicher. Es wird sich nichts bessern. Die Krankheit macht mich fertig.

Und dazu kommt das Problem mit meinen Freuden. Eigentlich sind es nicht mehr meine Freunde. Zu meinem achzehnten Geburtstag haben sie mich nicht mal angerufen oder eine Mitteilung geschrieben, obwohl sie wussten, dass es mir elendig geht, weil ich in der Geschlossenen saß. Sie sind auch nie vorbeigekommen, so wie früher mal. Ich glaube, ich bin ihnen egal.

Ich bin Hochbegabt und das ist für mich ein Problem. Genau das müsste mir doch helfen, besser in der Schule zu sein. Aber nein, es ist nur ein Hindernis. Erade bricht alles zusammen. Seit ein paar Tagen bin ich auf ded Offenen. Aber hier ist es einfach nur schlimm. Keine Ablenkung. Und der jüngste Patient nach mir ist 45, weshalb ich mich auch nicht unterhalten kann. Vielleicht darf ich bald nach Hause, aber dann wird auch nicht viel besser werden.

Ich will die Schule schaffen, aber irgendwie steht mir die Krankheit im Weg. Von euch möchte ich einfach mal eire Meinung hören. Hilfe bekomme ich genug, aber es wäre hilfreich auch mal was von außen zu hören. Danke falls ihr bis hierher gelesen habt. Ihr macht eine gute Arbeit.

Dana Anwort von Dana

Liebe Manuela!

Ich habe dein Problem sehr aufmerksam gelesen und habe einige Gedanken dazu.

Persönlichkeits- und Angststörungen sind Krankheitsbilder, die die komplette Kraft desjenigen benötigen, der sie hat. Um den Kampf dagegen aufzunehmen, brauchst du Zeit und Stärke, die du momentan so nicht auftreiben kannst. Im Prinzip bist du bei nichts wirklich bei der Sache, weder bei der Bekämpfung deiner Störungen, noch bei der Schule oder bei Freunden oder sonstwo. Du bist verzettelt. Und dadurch bist du auch nicht in der Lage, dich ordentlich zu fokussieren, um die Baustellen fertig zu bauen.

Da ist die Angst vor der Psychiatrie, die mir für dich die falsche zu sein scheint.

Da ist die Angst vor der Schule. Zu viel Druck, zu viel verpasster Stoff. Versagensängste.

Da ist die Enttäuschung durch die "Freunde", die dich links liegen lassen.

Da ist der natürliche Graben zwischen dir als Hochbegabter und den anderen als Normalbegabten.

Diese ganzen Baustellen sind nicht auf einmal zu lösen. Du musst mit EINEM Punkt anfangen - und das wäre die Bekämpfung deiner Krankheitsbilder, die dich hemmen und dir den weiteren Weg momentan stark erschweren. So jedenfalls meine Meinung. Lass mich zu den Punkten oben mal noch meine Gedanken formulieren.

Zur Psychiatrie:
Du müsstest eher in eine Klinik für Psychotherapie, mit vielen Gesprächsrunden, Einzeltherapie, behutsamem Arbeiten an deinen Störungen. Das ist jedenfalls meine Meinung. Natürlich helfen Psychopharmaka und eine psychiatrische Betreuung auch, aber es müsste eine Mischung aus beidem sein. Es bringt meiner Meinung nach gar nichts, dass du immer wieder in die Psychiatrie gehst und dort fern des sonstigen Alltags aufgepeppelt wirst, obwohl du dich dort null wohlfühlst und schon gar nicht daheim. Am besten wäre mal eine Kur, die zwischen sechs und zwölf Wochen dauert, wo du vor allem Stärkung im Alltag lernst und den Umgang mit den Störungen. Danach dann eine begleitende ambulante Therapie, die mit dir durch den Alltag geht und die gelernten Punkte weiter stützt. Das dauernde Rausreißen aus dem Alltag hat für mich überhaupt keinen Sinn, da du dort völlig andere Lebensrhythmen und andere Umstände hast als zu Hause.

Zur Schule:
Du bist 18. Du kannst locker in ein, zwei Jahren dein Abi nachmachen. Aber gesund bzw auf dem richtigen Weg! Du verbrauchst deine letzten Kräfte, das kann doch weder im Sinn von deinen Eltern, deinen Lehrern, deinen Ärzten, noch im Sinne von dir sein. Ich würde dir raten, die Schule erstmal abzubrechen. Das mag krass klingen, aber so, wie dein Leben momentan läuft, funktioniert es nicht. Das merkst du ja selbst. Sprich mit deinen Eltern mal über die Alternativen. Überlegt gemeinsam, wie man die Schule aufsparen kann, ein Gespräch mit dem Direktor kann auch Abhilfe schaffen. Und wenn dich keine Schule mehr nehmen will, weil du zu alt bist, sind da immer noch die Kollegs, an denen man das Abi nachmachen kann.

Was bringt es dir denn, wenn du jetzt mit das Abi verfehlst, dann wieder lernst und versuchst, den Anschluss zu halten, aber vor lauter Stress kranker und kranker wirst? Dann hast du denselben Effekt, nämlich kein Abi und keine Schule, bist aber noch kränker als vorher. Verstehst du? Gesund werden ist erstmal oberste Priorität! Und dazu brauchst du Zeit und Kraft und keine anderen Dinge, die dir die Stärke und den Mut rauben und vor allem viel Zeit fressen. Wenn deine Eltern da nicht mitziehen, müsstest du dir Menschen in deinem Umfeld suchen, die helfen. Schulpsychologen, Vertrauenslehrer, Verwandte, Ärzte...einfach alle Möglichkeiten ausschöpfen.

Zu den Freunden:
Hier wäre es sehr wichtig, dass du vergeben lernst. Psychische Erkrankungen sind SO schwer von Gesunden nachzuvollziehen, dass diese automatisch Abstand nehmen. Sie verstehen die Stimmungsschwankungen nicht, sie verstehen nicht, warum du fehlst, was da in dir ist, das dieses auslöst...für sie bist du wie eine Art "Zeitbombe". Sie haben Berührungsängste, weil das, was du durchmachst, fernab von ihrem Vorstellungsvermögen liegt. Es ist für sie total schwer dich umfassend zu verstehen und einzuordnen. Und vor dem, das man nicht kennt, bekommt man schnell Angst. Daran bist du nicht schuld. Und sie sind es auch nicht. Es ist ein völlig logischer Prozess, der von niemandem böse gemeint ist. Jeder geht damit unterschiedlich um. Es gibt die, die sich komplett zurück ziehen. Dann gibt es die, die dich plötzlich mit ihrer Freundschaft erdrücken und versuchen, alles zu verstehen. Das sieht dann meist nach "Helfersyndrom" aus und ist gerne mal lästig. Dann gibt es die, die hinter dem Rücken lästern, das sind die Doofsten..die verstehen nix und überspielen das. Es ist definitiv sehr schwer, mit jemandem umzugehen, der PS hat. Aber Schuld hat keiner daran. Vergib deinen Freunden also, dass sie momentan keinen Kontakt suchen. Vielleicht gibt es ja ein Mädel oder einen Jungen, mit der/dem du vorher sehr eng warst. Versuche doch mal, diesem einen oder dieser einen oder auch zwei deiner Freunde zu erklären, was da gerade los ist und warum alles so ist, wie es ist. Oft wandeln sich Beziehungen auch, wenn plötzlich mehr Verständnis da ist. Ansonsten konzentriere dich auf dich selbst und schau, dass die Baustellen weniger werden.

Zu dem "Graben":
Hochbegabungen sind leider meistens hemmend und nicht förderlich. Es ist immer "seltsam", wenn jemand etwas unglaublich gut kann und Dinge kennt und weiß, die ganz natürlich-logisch für ihn sind und für sonst keinen. Ich hatte mal einen hochbegabten Schüler, der konnte mir mit acht Jahren fehlerfrei Fakultät vorrechnen, war aber nicht in der Lage, mit seinen gleichaltrigen Mitschülern zu reden und mit ihnen zu spielen. Begabung in diesem hohen Maße macht einsam. Oft jedenfalls. Bei dir klingt es so, als habest du trotzdem Freunde, das bedeutet, dass du zwar klug bist auf einem bestimmten Gebiet, du aber trotzdem in der Lage bist, sozial mit deinen Mitmenschen umzugehen. Trotzdem wird auch dieser Graben dazu beitragen, dass man Abstand nimmt, weil man dich nun gar nicht mehr versteht. Ich glaube nicht, dass du deinen Freunden egal bist. Sie haben nur KEINEN Schimmer, wie sie mit dir umgehen sollen.

Umso mehr möchte ich dich ermuntern, die Baustelle PS zuerst anzugehen. Die Kraft, die du zum Leben brauchst, ist sonst zu gering. Es wäre zu schön, wenn du es schaffst, die Folgen der verschiedenen PS einzudämmen und aktiv daran zu arbeiten, eine Fachfrau zu werden, die weiß, was sie tun muss, wenn das und das kommt. Und DANN ist auch ein Leben in normaleren Bahnen wieder möglich und DANN ist sicher auch die Schule erfolgreicher und du bist dann offener für Freunde, Bekannte und deine Mitmenschen.

Das wären nun so meine Gedanken... Wenn man merkt, dass es so, wie es momentan ist, nicht wirklich geht, muss man einfach neue Wege betreten und schauen, welche Alternativen es gibt. Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen.

Liebe Grüße und viel Erfolg für dich!

Dana