Problem von philipp - 18 Jahre

Unverständnis

Hallo,

Am 25.10.2009 lernte ich ( damals 14, fast 15) meine Freundin ( damals 16) im Internet kennen. Wir trafen uns gleich am ersten tag und waren sogar an dem selben Tag abends schon ein Paar. Wir lernten uns immer besser kennen und verliebten uns immer mehr ineinander. Eines Tages waren wir uns nach schwierigen Zeiten und auch wundervollen Zeiten sicher das wir füreinander bestimmt sind. Klar stritten wir öfters, klar gab es heftige Auseinandersetzungen, hatten auch Probleme die man sogar als Trennungsgründe sehen könnte, aber die Liebe war immer extrem stark sodass wir uns immer wieder eine Chance gaben. Am 26.07.2011 stand ich dann vor ihr und machte ihr auf knien im Kerzenlicht einen Verlobungsantrag den sie natürlich mit Tränen in den Augen annahm. Die Beziehung war zwar keine Bilderbuchbeziehung, es gab kurzzeitige Trennungen und dadurch andere Partner, wo aber keine bzw kaum Gefühle im Spiel waren. Dennoch muss ich sagen das die Zeit damals die beste in meinem bisherigen Leben war. Ende letzten Jahres wurde sie dann unerwartet schwanger, wir sind beide noch jung und haben nicht viel Geld, aber freuten uns dennoch sehr auf das Kind und wir sagten uns, irgendwie schaffen wir das mit paar Hilfen, solange wir uns haben! Die Wohnungssuche für uns und das Kind begann. Wir kündigten ihre alte Wohnung und wollten in eine 3 Raum Wohnung wo dann genug Platz für uns als junge Familie wäre. Soweit kam es aber nicht da wir am 06.11.2012 erfahren haben, dass unser Kind kein Herzschlag mehr gibt :-(. Wir mussten dann die Vermietung der 3 Raum Wohnung anrufen und schildern weshalb wir nicht in die Wohnung einziehen. Wir wollten nicht in eine Wohnung einziehen in der wir schon das Kinderzimmer im Kopf dekoriert haben, das haben wir nicht über das Herz gebracht. Deshalb zogen wir am 29.01.2013 Zusammen in eine 2 Raum Wohnung. Anfangs diskutierten wir öfters da wir uns erstmal an die neue Situation gewöhnen mussten. Mit der Zeit beruhigte sich dann alles und wir hatten eine schöne Zeit. Ich lernte dann irgendwann durch meine psychologische Therapie meine Meinung zu sagen, was ich zugegebenermaßen vorher nie konnte. Ich bin eigentlich ein sehr ruhiger und emotionaler Mensch und meine Freundin eher die, die auch mal ihre Meinung sagen kann. Ich sagte also ab dem Zeitpunkt meine Meinung aber unbewusst wohl etwas zu rücksichtslos gegenüber meiner Freundin und hinzu kommt ja auch das sie dies nicht von mir kannte. Und sie ist der Meinung, dass ich sie auch schlecht behandle was ich leider nicht selber mitbekommen habe. Ich wiederum finde das sie mir seit paar Wochen zu wenig Liebe zeigt. Eventuell hängt das mit meinem Verhalten zusammen und mein Verhalten mit dem empfinden das sie zu wenig Liebe zeigt, sprich wie ein endloser Kreislauf. Hinzu kommt noch das sie seit paar Wochen wieder mit ihrem Kinderwunsch ankommt, aber ich wiederum derzeit kein Kind möchte. Diese Meinungsverschiedenheit belastet uns zwei momentan extrem. Letzte Woche haben wir uns dann beide für eine Trennung entschieden. Gestern bekam ich aber wieder eine meiner Depressionsphasen und alle Bilder von mir und ihr kamen hoch. Jeder Kinobesuch, jeder Zoobesuch, jedes Picknick, jeder Spaziergang durch Parks, jeder Seebesuch, jeder Freizeitbadbesuch, jeder Ort den wir besucht haben, jedes Erlebnis, einfach alles :-(. Heute habe ich es versucht das es nochmal etwas wird aber leider vergebens. Nach einem langen Gespräch meinte sie dann nur sie brauche Zeit.

Für was brauch sie Zeit?
Wie kann sie so kalt sein?
Soll ich kämpfen, warten oder den Schlussstrich ziehen?
Wie soll ich das alles nur verstehen?

Ich habe 1000 fragen in der Hoffnung, dass mir jemand helfen kann!

Nuala Anwort von Nuala

Lieber Philipp,

zuerst möchte dir schreiben, wie leid es mir tut, dass ihr euer Baby verloren habt. Ihr habt beide diesen Verlust verkraften müssen und ich denke, dass dieser Schock sehr tief sitzt.

Ganz wichtig: Lass ihr die Zeit, die sie braucht, aber signalisiere ihr gleichzeitig, dass du sie liebst und für die Beziehung kämpfen willst. Denn wenn sie noch das Gefühl bekommt, dass du am Zweifeln bist, ob du überhaupt noch mit ihr zusammen sein möchtest, wird es für sie noch schwerer, sich dir zu öffnen.

Es gibt verschiedene Aspekte, auf die ich eingehen möchte. Du fragst, wie du das alles nur verstehen sollst.
Deine Verlobte hat den Verlust des Kindes ertragen müssen, den sie noch intensiver verarbeiten muss als du. Sie hatte das Baby in sich, hat gespürt, wie es wächst und sich jeden Tag ein Stück mehr auf die Geburt und das neue Leben vorbereitet. Und dann muss sie plötzlich irgendwie damit zurechtkommen, dass es gestorben ist, bevor es überhaupt auf die Welt kommen konnte... ich denke, das hat einen enormen Stress hervorgerufen, der immer noch vorhanden ist. Alles, was dann an weiteren, vielleicht ganz alltäglichen Schwierigkeiten in eurem Alltag hinzukam, war wahrscheinlich zuviel. Dann der Kinderwunsch, den du gerade nicht erwidern kannst. Womöglich fühlt sie sich genauso zurückgewiesen wie du dich fühlst, aber auf ganz andere Art. Das kommt dir dann als kalt vor, obwohl sie dich vielleicht immer noch liebt... Es kann sein, dass ihr gerade 2 völlig unterschiedliche "Ideen" im Kopf habt, wie die Beziehung nach dem Verlust eures Kindes weitergehen soll. Sie sucht vielleicht die Ruhe und Kraft in einer erneuten Schwangerschaft, du möchtest dich anscheinend erstmal auf euch als Paar konzentrieren...

Für eure gemeinsame Zukunft sehe ich zwei Möglichkeiten, das alles besser zu begreifen: Die eine ist, das Gespräch mit ihr zu suchen - immer und immer wieder. Über das Erlebte zu sprechen, die eigenen Gefühle und Gedanken zu äußern und beim Anderen wahrzunehmen, ist total wichtig. Das ist die Grundlage jeder Beziehung, wenn diese dauerhaft bestehen bleiben soll. Bei dem, was ihr beide erlebt habt, ist das noch wesentlicher. Ich glaube, da steht ganz viel an Emotion im Raum, was bisher unausgesprochen geblieben ist. Gefühle wie Wut, Angst, Resignation, Zweifel, Unsicherheit, Enttäuschung und Ohnmacht können vorhanden sein.
Die andere Möglichkeit ist, dass du selbst reflektierst, was alles geschehen ist und daraus die möglichen Erklärungen ableitest. Ein Schritt dahin ist es, einen Schritt zurückzutreten, indem du sachlich aufschreibst oder überlegst, was alles Belastendes vorgefallen ist. Oder es anderen mitteilst, damit die von außen draufgucken können. Das hast du getan, indem du dich an den Kummerkasten gewandt hast. Wenn man selbst mitten drin steckt, also den "Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht", kann es sehr hilfreich sein, wenn Freunde, Verwandte oder eben völlig Außenstehende ihre Sicht nennen können.

Du schreibst, dass ihr schon früher viele, zum Teil heftige Auseinandersetzungen hattet. Da ist es schwer, zu beurteilen, ob das eine dauerhafte Beziehungsgefährdung ist oder bei euch einfach dazugehört. Das hat sicherlich viel damit zutun, was für Temperamente in der Beziehung zusammenkommen und ob ihr oder einer von euch unter dem Streit gelitten hat... falls ihr in Zukunft wieder ein Paar sein solltet, wäre es gut, wenn ihr euch Gedanken darüber macht, wie ihr auftretende Probleme konstruktiv lösen könnt und wie Gespräche möglich werden, in denen ihr euch nicht gegenseitig angegriffen fühlt. Also dass ihr eure Bedürfnisse und Gefühle so rüberbringen könnt, dass der Andere damit "arbeiten" kann. Einen Schritt dahin hast du bereits getan, da du bei dir selbst wahrnimmst, wie du dich verändert hast und sich das in deiner Kommunikation niedergeschlagen hat. Darauf kannst du aufbauen.

Ich hoffe sehr, dass ihr einen Weg finden werdet, euch wieder anzunähern und die Liebe wieder aufleben zu lassen.

Nuala