Problem von Luna - 13 Jahre

Ritzen, borderline und co..

Hallo liebes Kummerkasten Team. Mir sind in der Vergangenheit viele schlimme Dinge passiert die für mich heute sehr schlimme folgen haben. Hier so öffentlich möchte ich nicht alles preisgeben, darum werde ich nicht detalliert. Im Alter von 6 Jahren ist meine beste Freundin in meinen Armen gestorben. Als ich 11 wsr brachte sich mein bester Freund um. Im selben Jahr wurde meine Freundin ermordet. Ich werde seit der 1. Klasse gemobbt, ich sei doch so ein hässlicher Emo.. der ich ja wirklich bin. Mein ketzter Freund versuchte sogar mich zu vergewaltigen. Seitdem komme ich nicht mehr klar. Ich bin Borderlinerin, ritze mich ziemlich stark, bin magersüchtig und ekel mich einfach extremst vor mir. Vor ein paar Tagen hab ich zum 6. Mal versucht mir das Leben zu nehmen. Viele Freunde habe ich nicht, schon gar nicht welche mit denen ich reden könnte. Meinen besten freund kenne ich nur durchs internet, denn er wohnt am anderen Ende von Deutschland. Ich sehe in meinem leben einfach keinen Sinn mehr. Die welt kann ja auch ohne mich kleinen, hässlichen, fetten Emo exestieren oder? Meine Eltern hassen mich auch, sie verbieten mir alles und von meinen Problemen kann ich ihnen auf gar keinen Fall erzählen.. Mein einziges Hobby ist eigentlich auf der Bühne zu stehen und Menschen mit meiner Musik zu begeistern da ich dann das gefühl habe etwas wert zu sein, aber ich bin aus meiner alten Band rausgemobbt wurden und bekomme jetzt als Solo Künstlerin relativ wenig auftritte. Wie kann ich mit der Selbstverletztung aufhören? Und habt ihr sonst noch tips für mich?
♥ Danke im Vorraus, Luna.

Delia Anwort von Delia

Hallo liebe Luna,

vielen Dank für dein Vertrauen. Du hast für dein junges Alter wirklich schon viele schlimme Dinge erlebt und es ist vollkommen normal, dass dich das sehr belastet.

Dass deine Klassenkameraden dich mobben ist zwar nicht nett, aber es überrascht mich auch nicht. Selbst wenn sie wollten, sie sind einfach nicht in der Lage zu verstehen was du durchgemacht hast und wie du dich fühlst, sie KÖNNEN nicht nachvollziehen warum du dich wohler fühlst dich wie ein „Emo“ zu kleiden und zu verhalten. Bitte versteh mich nicht falsch, das soll keinesfalls eine Entschuldigung für ihr Verhalten sein, denn es gibt keine Entschuldigung dafür jemanden fertig zu machen. Es soll dir vielmehr sagen, dass dieses mobben nicht geschieht, weil etwas an dir oder deiner Persönlichkeit oder deinem Aussehen falsch ist, sondern weil du wegen deiner Andersartigkeit ein leichtes Ziel darstellst und weil sie nicht die gleichen Erfahrungen wie du gemacht haben und nicht verstehen können warum du bist wie du bist und warum du dich so verhältst wie du es eben tust. Ihr geht zwar zur selben Schule, in die gleiche Klasse, habt die gleichen Fächer und verbringt jeden Tag Stunden miteinander, aber innerlich besteht eine Distanz zwischen euch. Das ist allerdings kein Grund dir nicht ebenso mit Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft zu begegnen wie allen anderen auch. Aber in deinem Alter fällt das vielen sehr schwer, erst wenn man älter wird und selbst einige Schicksalsschläge miterlebt hat, kann man die Gefühle anderer besser verstehen. Es könnte aber genauso gut sein, dass er weitere Leute in deiner Klasse gibt, die eigentlich gar nicht beim mobben mitmachen möchten und denen es selbst nicht so gut geht. Wenn du die finden könntest, könntest du somit Verbündete für dich gewinnen und anfangen dich in deiner Klasse auch wohler zu fühlen. Ob es diese Leute in deiner Klasse wirklich gibt, kann ich dir aber natürlich nicht sagen. Das müsstest du selbst herausfinden.

Aber das mobben ist ja eigentlich nur eines deiner Probleme. Dein Hauptproblem sind die Schwierigkeiten mit dir selbst. Und diese Probleme mit dir selbst sind ein Spiegel deiner Erfahrungen, er ist absolut nicht verwunderlich, dass du dich so beschissen fühlst. Jedes andere Kind in deinem Alter mit deinen Erfahrungen würde sich wahrscheinlich ähnlich verhalten. Du bist also nicht in irgendeiner Form abnormal oder seltsam oder verrückt.

Die letzten Wochen habe ich ein Praktikum in einer Einrichtung gemacht, in der ich von vielen Menschen Geschichten gehört habe, die deiner ähneln. Sie alle hatten Schicksalsschläge hinter sich, die die meisten Menschen nicht erleben müssen. Sie alle wollten aufgeben, wollte es einfach nur noch beenden und ihr Leben mitsamt ihrem Schmerz und ihrer Trauer und ihrer Wut hinter sich lassen. Aber sie haben es nicht getan, auch wenn sie oft kurz davor waren oder schon einige Versuche hinter sich hatten. Stattdessen haben sie sich Hilfe bei Therapeuten und Kliniken gesucht. Und während ich ihren Geschichten zuhörte fühlte ich natürlich auch Mitgefühl. Aber neben dem Mitgefühl wurde mir klar, dass ich noch etwas ganz anderes fühle und zwar Respekt. Ich respektierte diese Menschen dafür, dass sie nach all diesen schlimmen Erlebnissen noch aufstehen konnten, dass sie sich getraut haben, sich Hilfe zu suchen und diese dann auch zu akzeptieren und dass sie weiter gekämpft haben und somit die Chance hatten noch viele schöne Erfahrungen zu machen, die sie nie hätten machen können, wenn sie schon früh aufgegeben hätten.

Ich respektiere auch dich liebe Luna. Dafür, dass du trotz deiner schlimmen Erfahrungen in jungen Jahren immer noch da bist und du immer noch stehst, auch wenn es sich für dich oft genug so anfühlen mag, als würdest du auf dem Boden liegen und nicht mehr aufstehen können. Und deswegen möchte ich dich dazu ermutigen, dir professionelle Hilfe zu suchen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil, es ist ein Zeichen von Stärke, denn es zeigt, dass du es mit deiner Vergangenheit aufnehmen möchtest. Wenn du es langsam angehen möchtest, kannst du zuerst zu deinem Hausarzt gehen und ihm erzählen wie es dir geht und ihn bitten, dich bei der Suche nach einem Therapeuten zu unterstützen. Keine Sorge, der Arzt unterliegt der Schweigepflicht und auch Hausärzte haben schon so einige schlimme Geschichten gehört. Wenn du allerdings den Eindruck hast, es geht einfach nicht mehr und du brauchst auf der Stelle Hilfe, dann solltest du bei einer psychiatrischen Klinik in deiner Näher anrufen und fragen ob du einen Platz bekommen könntest. In vielen Städten gibt es mittlerweile auch psychiatrische Ambulanzen, zu denen man während eines Notfalls direkt gehen kann. Dafür bräuchtest du dich vorher auch nicht anmelden oder ähnliches, sondern wenn du das Gefühl hättest, du hältst es nicht aus und möchtest dir etwas antun, könntest du jederzeit zu dieser Ambulanz fahren und du würdest dort auch weiter beraten werden. Du kannst einfach mal im Internet schauen was es in deiner Stadt und in deinem Umkreis für Möglichkeiten gibt.
Am besten wäre es, wenn du deinen Eltern erzählst wie es dir geht und dass du Hilfe brauchst. Es ist schließlich ihre Pflicht, sich um dich zu kümmern und dafür zu sorgen, dass du dich wohlfühlst. Aber viele Eltern sind nicht in der Lage dieser Pflicht nachzukommen und sind selbst mit der Situation total überfordert, das heißt auch nicht, dass sie dich hassen oder ähnliches. Solltest du bei deinen Eltern nichts erreichen, könntest du auch versuchen einem Vertrauenslehrer dein Problem zu schildern. Versuche, irgendeinen Erwachsenen mit deinem Problem zu erreichen und bitte ihn, dich auf deinem weiteren Weg zu unterstützen. Aber selbst wenn dir das nicht gelingen sollte, glaube ich daran, dass du es auch allein schaffen kannst dich an die notwendigen Stellen wie z.B. die oben erwähnte psychiatrische Klinik oder den Hausarzt zu wenden. Du musst jemanden finden der dir zuhört und Ärzte sind dazu verpflichtet, auch wenn es natürlich einige gibt, die diese Pflicht nicht so ernst nehmen. Es gibt allerdings auch genug, die diese Pflicht vollkommen ernst nehmen und es als ihre Aufgabe ansehen, anderen Menschen zu helfen.

Einen weiteren Aspekt möchte ich noch ansprechen. Du schreibst in deiner Anfrage, dass Musik dein Hobby ist und dass du auf der Bühne das Gefühl hast, etwas wert zu sein. Musik ist eine wunderbare Art Gefühle auszudrücken und zu verarbeiten. Sie hat mich selbst schon durch einige verzweifelte Nächte geführt und mir Hoffnung gegeben. Ein Mann aus meiner Praktikumseinrichtung, von der ich oben schon erzählt habe, hat sich in den Jahren, in denen er am liebsten sterben wollte, selbst Gitarre spielen beigebracht und das hat ihm geholfen, das alles durchzustehen. Musik kann also jede Menge Kraft geben und wenn du auf der Bühne Menschen begeistern kannst, zeigt das, dass du anscheinend auch einiges musikalisches Talent besitzt. Es wäre sehr schade, wenn du das einfach wegwerfen würdest.

Liebe Luna, ich wünsche dir ganz viel Kraft und Glück für deinen weiteren Weg. Bitte suche dir Hilfe und lass nicht zu, dass deine Vergangenheit deine Gegenwart zerstört. Du scheinst ein sehr intelligentes und liebenswertes Mädchen zu sein und es wäre schade, wenn du das alles wegwirfst. Und so einsam du dich momentan auch fühlst, es gibt noch viele andere Menschen auf dieser Welt, denen es zumindest ähnlich geht wie dir, du musst sie nur erreichen. Du bist nicht allein.

Alles Liebe
Delia