Problem von Anonym - 19 Jahre

Verbotene Liebe

Hallo lieber Kummerkasten,

seit einigen Monaten stehe ich in engem Kontakt zu einem Mädchen (17). Wir verstehen uns gut und haben beide Gefühle für einander. Leider gibt es ein riesen Problem: ihre Religion. Sie kommt aus dem Irak und ist demnach eine Muslima.

Zunächst habe ich gehofft, dass das Thema mit den Beziehung zu nicht Muslimen in ihrer Familie vielleicht nicht all zu eng gesehen wird, da ich sogar einige Freunde habe, die ebenfalls Beziehungen mit Muslimen führen. Leider hat sich das in meinem Fall nicht bewahrheitet. Eines Tages gestand sie mir, dass eine Beziehung zwischen uns nicht geduldet wird.

Ich war natürlich am Boden zerstört. Ich kann wirklich behaupten, dass sie meine erste große Liebe ist. Wir führen nun seit ca. einem Monat eine heimliche Beziehung. Wir treffen uns an Orten, wo sie keine Gefahr läuft jemanden aus ihrem Bekanntenkreis zu begegnen. Das sind Orte wie ein abgelegener Park oder auch bei mir zuhause. Und in diesen gemeinsamen Momentan geht es uns wirklich gut.

Wir haben oft darüber geredet, was die beste Option zwischen uns sei. Ich habe relativ früh darüber nachgedacht, den Kontakt zu beenden, um uns beide vor mehr Problemen zu verschonen. Das wollte sie allerdings nicht, und wenn wir mal ehrlich sind, ich eigentlich auch nicht. Also haben wir beschlossen, bis das Schuljahr zu Ende ist diese geheime Liebe weiterzuführen und danach zu beenden. Und ja, das klingt nicht nur absolut dämlich, das ist es sogar.

Ich weiß selber, dass es für uns beide nur schlimmer wird, umso stärker sich die Gefühle entwickeln und dennoch kann ich es nicht über mein Herz bringen, den Kontakt abzubrechen, ich bin verliebt, und zwar über beide Ohren.

Ich denke viel zu oft an sie, ich stelle mir immer wieder vor wie schön es wäre, diese Gefühle offen zeigen zu können. Und doch bin ich machtlos dagegen und warte auf den Tag, an dem mir jemand einen Dolch durch mein Herz rammt, nämlich der Tag, an dem wir den Kontakt abbrechen müssen.

Ich weiß nicht was ich machen soll, ich bin einfach überfordert. Ich weiß, dass ich in spätestens einem Monat am Boden zerstört sein werde. Ich weiß auch, dass ich, wenn ich das ganze jetzt Abbreche zwar auch am Boden zerstört bin, es aber erträglicher sein wird, als wenn wir diese Beziehung noch einige Wochen fortführen - denn der Kontaktabbruch kommt so oder so, solange diese Beziehung nicht geduldet wird.

Wahrscheinlich weiß ich in mir tief drinnen die Antwort zu meinem Problem vermutlich selber. Es ist ja eigentlich offensichtlich. Und dennoch würde ich mir gerne eine andere Meinung einholen, vielleicht hilft es mir.

Ich danke vielmals für die Bearbeitung meines Problems,

Grüße

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich lieber Anonymer!

Dies ist einer der Stoffe, aus denen Legenden und Romane entstehen... zuallererst, es tut mir sehr leid für euch. Ich würde gerne eine andere Antwort geben als die, die sich aufdrängt. Aber so sehr ich es möchte, mir fällt keine ein.

Wenn es die Möglichkeit gäbe, mit ihrer Familie zu reden...? Aber mir scheint, wir träumen uns die Realität manchmal mehr in Form eines Happy Ends. Es gibt welche - meist nicht so umfassend und spektakulär. Aber eben auch nicht immer. Wenn ihre Familie tatsächlich so traditionell ist, stehen deine Chancen sehr schlecht. Wir können auch nicht weit in die Zukunft denken - das will ich dir nicht aufbürden. Dann wäre die einzige Möglichkeit, die man sich denken könnte (ohne dass ich sagen will, dass sie für dich in Frage kommt und hier funktioniert), dass du selbst Muslim wirst... Du siehst, wir kommen so nicht weiter. Schließlich habt ihr auch schon darüber gesprochen, und seid zu keinem anderen Schluss gekommen. Es macht mich sehr traurig, dass es solche Fälle gibt. Ich würde dir gern einen Weg aufzeigen - allein mir fällt keiner ein. Der Gedanke, den Kontakt abzubrechen, ist zu grausam, als dass ich dir dazu raten könnte. Vernünftig ist er dennoch. Wenn, dann diente es auf Dauer auch dazu, dir größeres Leid zu ersparen - und sie vor Streit in der Familie zu beschützen. Im Augenblick habe ich keinen wirklichen Rat, ihr geht sicher so gut wie möglich mit der Situation um. Trotz allem möchte ich die Hoffnung aussprechen - einfach, weil es mich mitnimmt -, dass sich für euch doch noch ein Weg findet. Wir wissen nicht, wie der aussehen könnte. Aber wir wissen auch, dass es nicht ganz und gar ausgeschlossen ist. Mehr, als darauf zu hoffen, bleibt wohl nicht. Bewirken kann man es nicht.

Was kann ich jetzt noch tun? Ich kann, wie ich es hin und wieder tue, eine Geschichte erzählen.

Als der Bürgerrechtler Martin Luther King 21 Jahre alt war, verliebte er sich in eine weiße Frau. Verliebte sich sehr in sie. Und sie verliebte sich in ihn. Damals studierte Martin im Crozer Seminary, Pennsylvania, Theologie. Die Universität war ein Kosmos, in dem für die kostbaren Stunden des Unterrichts keine Farben existierten; kein Schwarz und kein Weiß, nur Menschen, die im Leben vorwärts kommen wollten. Martins Freundin gefiel der junge Mann aus dem Süden, nicht weniger ein Gentleman alten Schlages, als seine weißen Altersgenossen. Sie taten das, was junge Leute tun - gingen spazieren, tanzen und in Cafés. Auch Martin war es sehr ernst. Die beiden wollten heiraten.

Damals bestanden die USA aus 48 Staaten. In 30 davon waren "Mischehen" verboten, waren nicht geduldet, und wo erlaubt, da oft kaum mehr. Schwarze Freunde des angehenden Predigers Martin informierten den Rektor der Universiät. Das war ein gewisser Pastor Barbour, also auch ein Priester, natürlich. Er ließ Martin und seine Freundin zu sich kommen, und wollte ihnen schon den Kopf waschen.

"Ich bin sehr froh, dass Sie die Sache herausgefunden haben", erklärte Martin. "Wir möchten Sie nämlich bitten, uns zu trauen."

Wir alle wissen, dass dieser Liebe kein Happy End vergönnt war. Martin fand eine Frau, die er sehr liebte und mit der er eine Familie gründete. Allein, fragen wir uns heute, warum durften sie nicht? Und warum ist es noch heute so, oft genug - obwohl auf dem Papier alle gleich und frei sind? Wir können deiner Freundin genauso wenig abverlangen, dass sie aus ihrer Familie und ihrer Kultur ausbricht, wie man von dir verlangen kann, Muslim zu werden. Was bleibt, ist ein großes, verzweifeltes WARUM?

Ich kann es nicht sagen. Warum kommt es vor, dass solche Beziehungen nicht geduldet werden? Die Natur hat es so eingerichtet, und die Betroffenen, darunter ihr, lieben sich nicht weniger als Andere. Ob es nun zwei Hautfarben, zwei Kulturen und / oder zwei Religionen sind - überall trifft man das Vorurteil, das unnachgiebige Pochen auf "Bloß nicht die Anderen!", das einsichtlose "Wir wollen bleiben was wir sind!", und schließlich das gemeine "Du bist wie ich, deswegen musst du es bleiben!"

Als ich vierzehn war, lernte ich in meiner Heimatstadt ein farbiges Mädchen kennen. Sie war meine erste große Liebe. Nicht das Vorurteil hat uns getrennt, sondern das Leben - aus Gründen, die wir nicht wegleugnen konnten, an denen wir beide vielleicht nicht ganz unschuldig waren. Aber sie war die Erste für mich, das Gesicht einer Zeit, die so nie wieder kommt - und die ich um keinen Preis anders haben will. Ich bin froh über das, was ich mit ihr erleben durfte - und ich bin mit dem glücklich, wie es jetzt ist. Ich weiß, dass es der richtige Weg war, auch wenn es mich geschmerzt hat, ihn zu gehen. Und ich wünsche ihr alles Glück der Welt, wo immer sie gerade ist. First time, first love, forever.

Dies ist eine wahre Begebenheit aus meinem Leben. Damit will ich dir nicht sagen, dass du deine Freundin aufgeben sollst! Wirklich nicht. Ich fühle mich nicht berechtigt, euch zu dem zu raten, was niemand von uns will, und zu dem wir doch keine Alternative sehen. Ich hoffe vielmehr, dass du zumindest weißt, nicht allein zu sein. Und ich hoffe, dass viele Menschen dein Problem mitlesen werden, um danach die Augen offener für solche Nöte zu haben. Wenn sie es nicht ohnehin sind - was wir glücklicherweise von sehr, sehr vielen Menschen sagen können.

Vor einiger Zeit schrieb ich einem Problemsteller, der mit der Welt als Ganzer haderte: "Du besserst die Welt nicht!" Damit ich nochmal deutlich mache: Wir Menschen sind, wie wir sind. Wir werden immer zanken und streiten; immer wird es Leute geben, die anderen nichts gönnen; vielleicht wird es auch immer Kriege geben, wenn wir einmal ehrlich sind. Aber - aber das Gute ist im Menschen genauso angelegt wie das Schlechte. Wir sind auf der Welt, um zu sehen, wie sich das Gute vom Schlimmen scheidet, das eine könnten wir ohne das Andere nicht sehen. Wir sind aufgerufen, die Welt im Kleinen zu retten. Im Kleinen heißt nur, dass ein Einzelner es nicht im Ganzen kann. Aber wenn jemand nicht bereit ist, klein beizugeben, wenn es um das Gute geht, dann wird er viel Gehör finden. Und viel erreichen, sehr viel. Wir alle können Namen nennen, und für alle da draußen, die einmal in diese Reihe gehören, ist deine Geschichte schon heute eine Stärkung, ein Zeichen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Trösten wird dieser Satz dich nicht können; vielleicht kann er dir ein wenig Kraft geben?

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wie auch immer deine Geschichte ausgeht, hoffe ich, dass du einmal mit freundlichen Augen auf sie zurückblicken kannst. Obwohl ich dir nicht raten kann, kann ich dir doch sagen, dass ich euch das Beste wünsche. Und die Kraft, die ihr braucht, selbst wenn das Äußerste
von euch verlangt wird.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul