Problem von Tobi - 16 Jahre

Es macht keinen Sinn mehr sie zu lieben....

Hallo, mir wäre es vorweg am liebsten wenn Paul G. das liest, danke.

So, jetzt ist es vorbei. Ich sehe einfach keinen Sinn mehr, sie noch weiter zu lieben.
Wir sehen uns seit Schulende überhaupt nicht mehr, sie macht auch so den Eindruck, dass sie gar nichts mehr mit mir zu tun haben will. Ich hab sie wirklich geliebt, doch ich bin mir nicht mehr sicher, ob sie jemals das gleiche gefühlt hat. Ich konnte meine Liebe zu ihr nie ausleben, das konnte ich generell noch nie. Es ist einfach Zeit geworden aus einem Traum aufzuwachen und der bitteren Realität ins Auge zu blicken. Es ist Zeit geworden alle Bilder von ihr zu löschen. Diese Liebe hat mich einfach zu viel Schmerz und zu viele Tränen gekostet. Vielleicht finde ich irgendwann jemanden, doch mit jedem Nein das ich höre wird es schwieriger für mich, eine Beziehung aufzubauen. Im großen und ganzen bin ich jetzt schon ein großer Pessimist. Es ist einfach so, dass einfach zu vieles negativ gelaufen ist. Am 1. September ist mein 1er Arbeitstag, doch es ist nicht das was ich eig. wollte. Auch wenn ich einen guten Abschluss gemacht habe, ich bekam die Stelle nicht. Es wurde gesagt, dass es zu viele Bewerber gab und das nicht jeder ,,Gute" berücksichtigt werden kann.

Die ganze Welt ist doch eh Brutal, meine Mutter kommt aus den Philippinen, an sich ein schönes Land. Doch es gibt auch dunkle Seiten im Paradies. Seit den 70ern ist im Süden Krieg, bei dem bis heute 120000 Menschen gestorben sind. Die Welt schert sich n Dreck darum. Ich hab sie mit meinen eigenen Augen gesehen, Menschen, so abgemagert dass man jeden Knochen zählen kann. Sie saßen am Straßenrand. Das grausigste war wo ich einen Hund gesehen hab, er hat im Sand gebuddelt, der Fuß eines Toten war plötzlich im Sand zu sehen.
Aber ich hab auch andere Seiten gesehen. Menschen die nichts hatten und glücklicher waren als manch Europäer.
Für mein Alter bin ich also schon viel rumgekommen.

Und doch, obwohl ich alles hab was ich zum leben brauche, ich bin unglücklich.
Langsam glaub ich, das ich zu gefühlvoll bin, dass ich die Liebe zu wichtig in meinem Leben mache. Für einige Zeit hab ich wirklich gedacht dass Liebe schön ist. Aber wie soll man nur an etwas glauben, was einen immer nur Leid und Schmerz zufügt? Wie?

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich Tobi!

Jemand hat mir mal einen interessanten Vergleich mitgegeben: So, was unsere Erinnerung betrifft; Enttäuschung, Freude, einfach alles, was passiert.

Stell es dir vor als großes Haus. Du bewohnst die oberen Etagen, und was du gerade nicht brauchst oder willst, ist in den unteren verstaut. Vieles gehört da auch wirklich hin. Das Problem ist nur: Deine Untermieter besuchen dich oft zum ungünstigsten Zeitpunkt. Sie klopfen an - und nerven ganz gewaltig.

Was ich damit sagen möchte, ist: Ich glaube, es ist nicht gut, ihr Bild zu löschen. Du hast sie geliebt oder liebst sie immer noch - ist dieses Gefühl nicht zu schön, es zu löschen? Wenn man das könnte! Denn es wird dich immer wieder einholen. Ich denke noch heute manchmal an meine Verflossenen - oder nein, ich denke ganz schön oft an sie. Manchmal gehen wir in Gedanken "einen Kaffee trinken", also, wir verstehen uns gut und können lachen. Aber manchmal sehe ich mich auch mit Vorwürfen konfrontiert, die ich mir mache, und über die ich längst hinweg zu sein glaubte.

Dann frage ich mich: "Paul, hättest du damals nicht...?", oder "Paul, wie konntest du nur...?" Allein, es ist vorbei! In meinem Kopf habe ich ein Gebäude erschaffen, eine lange Reihe von Gedanken und Antworten, warum ich mich richtig verhalten habe. Oder genauer gesagt, aus welchen Gründen ich die Dinge getan habe. Dass sie nicht immer richtig waren, steht außer Frage. Aber in der Situation hatten sie ihren Grund. Und wenn ich ihn nachvollziehen kann, fühle ich mich gut. Schwierig wird es, wenn ich beginne, meine Motive von damals zu hinterfragen, mich einen Idioten zu schimpfen. Mein Gefühl der Zeit wird ein ganz anderes, und ich schäme mich. Trotzdem möchte ich eigentlich nur eins, nämlich die Erinnerung bewahren. Denn ich weiß, dass die Erlebnisse schön waren. Leider endet nicht jede Geschichte gut - im Gegenteil; deswegen reiße ich die Seiten noch nicht aus dem Buch. Erstens, weil sie sowieso wieder angeflattert kommen. Zweitens, weil ich anerkennen muss, dass ich auch Fehler mache. Wenn ich mir sage: "Paul, was damals passiert ist, war alles schrecklich, schmerzhaft und peinlich, und du hast dich wie ein ... verhalten" - dann komme ich damit nicht weiter. Denn dahinter steht der Anspruch, dass in der Zukunft alles perfekt werden soll. Und das wird es nicht. Es wird immer zwei Seiten geben. Wichtig ist, dass man beide anerkennt - und sich das Gute nicht nehmen lässt.

Im Moment kann man von dir nicht verlangen, an die Liebe zu glauben. Vielleicht ist es wirklich so, dass sie sich für dich abgenutzt hat, dass du sie aus dem Denken verbannen magst; wohlgemerkt, im Moment. So wird es nicht immer bleiben. Du darfst dir erlauben, erstmal nicht zu hoffen. Das heißt nun nicht, dass du dir alle Hoffnung ausredest, sondern die Suche ruhen lässt. Sie geht dir noch durch den Kopf - lass sie umher gehen! Präge dir ihr Bild ein - denn sie ist das Mädchen, die du geliebt hast; die Liebe ist schmerzhaft - oft -, aber auch viel zu schön, um sich dagegen zu wehren. Lass es zu, dass sie dich beschäftigt. Doch werte dich nicht ab, du musst dich nicht mit Vorwürfen plagen. Sei stolz, dass ihr euch geliebt habt - und nimm die Erinnerung mit. Versuch, dir die schönen Bilder zu bewahren - wenigstens, wie sie aussieht, wie aufgeregt du warst; und auch, wie du gelitten hast. Das ist wichtig, denn das ist ein Gefühl, das zwar schlimm ist, dich aber voranbringt. Du hast sehr schöne Gedanken hier im Kummerkasten geschrieben. Und dein Liebeskummer ist auch nichts, wofür du dich schämen musst. Er heißt nicht, dass dich niemand auf der Welt will. Er heißt, dass du einen Menschen so sehr liebst, ihn zum Eckstein deiner Welt zu machen. Das war jetzt wieder ein Anklang an die Bibel; damit komme ich zum nächsten Thema.

Zur Zeit hat man den Eindruck, dass es nichts Gutes in der Welt gibt: Im letzten halben Jahr sind ein halbes Dutzend Kriege entstanden, eine furchtbare Seuche ausgebrochen, von all den Verbrechen, die sich täglich bei uns ereignen, noch gar nicht zu reden. Wir müssen uns keinen Illusionen hingeben: Es ist grauenhaft, und vieles davon könnte verhindert werden. Haben wir es in der Hand? Bedingt. Denn man kann zwar viel tun, um die Not in Kriegsgebieten zu lindern, und einen Protest organisieren. Was man nicht kann, ist, in den Köpfen der Leute einen Schalter umzulegen. Der eigentliche Krieg findet in den Köpfen statt - offenbar muss er erst denkbar schlimm werden, muss erst die Sicherung durchbrennen, damit die Menschen zur Vernunft kommen. Versteh mich nicht falsch: Ich will nicht sagen, dass man die Augen verschließen soll, dass es keinen Ausweg gibt. Sicher gibt es die. Trotzdem ist klar, solange niemand nachgibt, ist kein Frieden zu machen.

Freude und Leid liegen häufig eng beieinander. Als die Olympischen Spiele nach Griechenland kamen - wer hätte da was von Wirtschaftskrise geunkt? Bei vielen Dingen ist eine Menge schöner Schein dabei. In der Antike hieß es "panem et circenses", Brot und Spiele. Und seien wir ehrlich, was ist es Anderes, wenn wir heute: Essen können wann und was wir wollen - zur Not unseren Körper zugrunde richten, während anderswo die Menschen hungern? Wenn wir uns mit Spielen, Musik und Internet zudröhnen, bis die reale Welt ausgeblendet ist? Du hast einen wichtigen Schritt gemacht: Dich auf das Wesentliche eingeschlossen. Liebe, Freundschaft, Familie - das sind die Bauplätze, wo am einfachsten etwas entstehen kann. Denn dort sind Menschen, die wir gut kennen, deren Gedanken wir begreifen, weil sie sie uns erklären - und mit denen sich reden lässt. Ich mag den Fernseher anschalten, wenn die Winterspiele kommen, oder nicht; ich mag nach Boykotts und Sanktionen (oder nach Waffen) rufen, oder nicht; ob ich Recht habe, oder das Falsche will - eines ist klar: Ich kann den Präsidenten und religiösen Anführern in aller Welt, den Militärs und Profiteuren jeder Art, nicht in die Köpfe gucken. Und erst recht kann ich darin nichts verändern. Vieles lässt sich tun, um das Leid zu mildern - beenden, wirklich effektiv beenden, können es nur die, die dafür verantwortlich sind. Ich bin der Letzte, der sagt, dass man die Augen verschließen soll. Aber ich bin auch gegen Gewalt, weil Gewalt zu nichts führt. Zwar weiß ich, dass manche Konflikte (Zweiter Weltkrieg) nur durch Gewalt gelöst werden konnten. Aber wenn wir mal offen sind, auch da lag es an der Stümperei im Vorfeld. Die Konflikte in aller Welt, sind die aufgebrochenen Geschwüre, die Brüche und Wunden - aber die feinen Risse, die giftigen Keime und Einschlüsse, die waren vorher da. Und haben mächtig gestunken. Deswegen ist es das Naheliegendste, dort aktiv zu werden, wo wir Aussicht auf Erfolg haben. Was darüber hinaus kommt, ist immer willkommen; aber wir sollten auch nicht die, die wir lieben, neben lauter Idealismus zu kurz kommen lassen.

Deswegen möchte ich dir raten, deine Ausbildung - auch wenn es nicht das Gewünschte ist -, anzugehen. Es ist nicht gesagt, dass du immer in diesem Beruf arbeiten wirst - im Augenblick geht es darum, dein Selbstbewusstsein zu stärken. Tätig zu sein. Und da wäre es das Beste, aus der Not eine Tugend zu machen; ob du es zu deiner Zukunft machst, wissen wir nicht - aber da ist ein Feld, um zu käpmfen. Das ist von Bedeutung. Ein produktiver Kampf, keiner mit Waffen, sondern einer, der dich im Leben vorwärts bringt. Was du nicht im Herzen hast, hast du dann immerhin in der Hand. Und trittst der Welt anders gegenüber.

Du hast sehr Recht: Unzählige Leute haben einen Bruchteil dessen, worüber wir uns beklagen, und sind glücklich. Die Menschen, die über den Wunsch nach immer mehr Besitz nie hinaus kommen, die können uns nur leid tun. Trotzdem wissen wir, dass jeder der Versuchung immer wieder erliegt. Wenn wir die Menschen in den Ländern der Dritten Welt sehen, ist unsere erste Reaktion oft Befremden: Leute, die viel weniger Chancen mitbekommen haben, weniger Geld, sind dennoch glücklich. Ich vermute deshalb, weil sie unsere Privilegien auch als Last begreifen. Ich komme mir recht überheblich vor, wenn ich sowas schreibe. Die, die tagtäglich versuchen, Europa über das Meer zu erreichen; die Vielen, die dabei umkommen - sie sind oft kluge, ausgebildete Köpfe, die sich genau damit nicht abfinden. Nun muss ich mich fragen: Kann ich den anderen Weg gehen? Kann ich so leben, wie sie leben müssen? Ich würde sagen, nein. Ich werde mich vielleicht immer schlecht fühlen, weil mir belanglose Dinge fehlen, von denen Andere nur träumen können. Während ich gleichzeitig das im Überfluss habe, was sie nötig brauchen, aber ebenfalls nicht bekommen. Diese Undankbarkeit, die wir uns immer wieder klar machen sollten - sie überhaupt zu haben, ist auch eine Last. Reich zu sein, und es nicht zu merken. Wenn ich einen Europäer frage, ob er reich sei, werden neun von zehn mit Nein antworten. Und von zehn aus hundert, die mit Ja geantwortet haben, werden wiederum neun beginnen, mir ihren Wohlstand in Konten, Häusern und Grundstücken vorzurechnen. Wenn ich einen einzigen finde, der als Erstes seine Frau, seine Kinder, seinen blühenden Garten nennt - dann kann ich hoffen. Aber andererseits: Würde ich gefragt, wäre ich dieser Eine? In dreiundzwanzig von vierundzwanzig Stunden des Tages, wohl nein. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Man muss es sich bewusst machen; und dann zur Tat schreiten.

Liebe ist nicht nur schön. Ich glaube allerdings, man muss die Schönheit der Liebe ein wenig anders auffassen: Sie bildet uns, sie lässt uns reifen - und das ist auch schmerzhaft. Die Erinnerung an die Liebe ist oft alles Andere als schön. Und oft nimmt sie Formen an, die sehr hässlich sind: Eltern, die ihre Kinder aus Überforderung, oder fehlgeleitetem Ehrgeiz, misshandeln; Ehen, in denen geschlagen und missbraucht wird; Scheidungen, bei denen sich zwei Menschen - gegenseitig und selbst -, entwürdigen, die sich einmal ewige Liebe und Treue geschworen hatten. Aber das, was trotz allem seine Berechtigung hat, ist eine andere Form: So schön die Liebe ist - diejenigen Lieben, die unerfüllt blieben, aber durch die der geliebte Mensch uns rein und herrlich bleiben konnte; diejenigen Beziehungen, die schlimm enden, aber in sich schön waren, bei denen einfach die Zeit gewirkt hat. Ich wünsche dir, dass du an die Liebe glauben kannst als etwas, das sich verändert, das Leid mit sich bringt - aber dich auch prägt, und dir Reife verleiht. Denn ich bin absolut sicher, dass Letzteres schon stark stattgefunden hat. Du darfst stolz auf dich sein.

Ich stieß zufällig auf eine interessante Seite, die ich dir gern verlinken wollte. Als ich anfing, mich durchzuklicken, trat unwillkürlich ein Lächeln auf mein Gesicht :) :

http://gutenachrichtenreporter.wordpress.com/

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul