Problem von Anonym - 18 Jahre

Meine Mutter glaubt fest daran, dass sie immer Recht hat

Hallo liebes Kummerkasten-Team,

ich wende mich nun das allererste Mal an euch mit einem möglicherweise häufig vorkommenden Problem, und zwar eines mit meiner Mutter.

Erst einmal wie ich zu ihr stehe:
Ich liebe meine Mutter. Ich liebe sie über alles. Sie hat so viel für mich getan und ich bin wirklich dankbar dafür. Ich würde alles für sie tun, wenn es darauf ankäme.
Auf der anderen Seite hasse ich sie aber auch abgrundtief, zumindest den Teil von ihr, der sich einfach nur wie ein absolut ungerechtes Arschloch verhält, weil sie sich einfach viel zu stolz dafür ist, sich irgendwelche Fehler einzugestehen.

Ihr Konfliktverhalten ist absolut fehlerhaft - sie glaubt in den meisten Fällen sofort, dass sie Recht hat, und egal was man (ich) macht, man kann sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Sie hält einfach daran fest dass sie nie falsch liegt (Zitat von ihr, als wir einmal normal geredet hatten: ''Wenn ich Recht habe, hab ich Recht!'' und fühlt sich ganz stolz) und stellt die andere Seite jedes Mal als Arschloch dar, erzählt nur, was der andere gemacht hat, in einer vollkommen überzogegen Weise, aber nie, was sie gemacht hat (weil es scheinbar schon lange normal für sie ist, so zu handeln, und sie will ihren Fehler einfach nicht sehen). Und alle glauben ihr - ich bin ja schließlich nur ein undankbares pubertierendes Arschloch!
In den wenigsten Fällen, wenn sie einmal merkt, dass sie falsch liegt (wenn sie bspw. einmal gemerkt hat, dass sie einen vollkommen zu Unrecht sofort angebrüllt hat) dann kommt auch keine Entschuldigung von ihr. Darum muss man sie regelrecht bitten, und dann kommt nur ein dahergenuscheltes ''...entschuldigung.'' und das war's dann für sie.
Außerdem hat sie ein sehr ausgeprägtes Mitteilungsverlangen, d.h. sie muss jedem, den sie begegnet, erzählen, was für ein Arschloch man doch ist und einen einfach nur aus Prinzip schlecht reden. Sie handelt und redet total Situationsbedingt, ist sie sauer auf einen, ist man und alles, was man gemacht hat, aufeinmal scheiße und man ist ihr egal (Zitat: ''Wenn er morgen nicht aus dem Bett kommt, dann hat er Pech gehabt! Es ist mir scheißegal!'' Das sagt sie einfach nur, um ihren ''Punkt'' zu verdeutlich und sich wichtig zu machen - sie scheint sich dabei ganz ganz toll zu fühlen). Sie macht dann nichts mehr für einen und verhält sich wie das letzte Arschloch.
Ist jedoch alles in Ordnung, tut sie FREIWILLIG alles für einen, selbst, wenn man ihr sagt, dass man das doch auch selbst machen könne (und das prangert sie dann auch im Streitfall an - sie mache ja alles für einen und das ist der Dank, vollkommen ignorierend, dass man ÜBERHAUPT NICHT darauf bestanden hat. Sie stellt es so hin, als hätte man es von ihr verlangt).
Ihr Problem ist einfach, dass sie glaubt, nur, weil sie vor mir 2 Problemkinder erzogen hat, dass ich genauso bin und nimmt mich überhaupt nicht Ernst. Sie vergleicht mich ständig mit meinen Geschwistern, die wochenlang die Schule geschwänzt haben (und meine Schwester, die sogar einmal mit ihrem (falschen) Freund durchgebrannt ist).
Sie glaubt einfach aufgrund dessen, dass sie alles weiß und kann und das sie immer Recht hat. Ihre Kinder sind bloß jedesmal pubertär und wollen bloß rebellieren. Vielleicht liegt das, dass sich alle gegen mich stellen, auch einfach an mir, weil ich kein Charisma habe und / oder den Leuten einfach zu hässlich bin und sie sich deshalb alle gegen mich stellen. Es kotzt mich einfach nur noch an.

Die Taten meiner Schwester tun ihr inzwischen auch Leid - was auch vollkommen richtig ist. Es ist jedoch kein Grund, einfach Pauschal zu behaupten, dass ich in JEDEM Streitfall genau das gleiche Verhalten aufweise und mich einfach nur aus Protest auflehnen will.
Bei unserem derzeitigen Streit hat meine Mutter mich sogar als den ältesten Sohn meiner Schwester und als das schwierigste Kind bezeichnet, dass sie bis jetzt hatte.
Dieser Sohn verhält sich aber wirklich daneben - ich weiß jetzt nicht die genauen Hintergründe von diesem Vorfall, aber ich kenne ihn ziemlich gut und kann mir sehr gut vorstellen, was los ist. Jedenfalls hat er plötzlich einen ''Selbstmordversuch'' (der aber zu 99% nur schein war) begangen und wohnt nun in irgendeinem Heim.
Ich finde es einfach vollkommen daneben und ungerecht (oh, oh, seht her, das pubertierende Kind fühlt sich ungerecht behandelt - typisch Pubertät eben!), dass ich JEDES MAL einfach so abgestempelt werde und meine Mutter nicht einmal VERSUCHT, sich darauf einzulassen. Und diese Bezeichnung zuletzt war einfach nur mehr als dreist und erbärmlich. Sie fischt einfach nur im Trüben nach irgendwelchen Sachen, die sie als ''die, die Recht hat'' darstehen lässt.
Meine Schwester, die natürlich absolute Schuldgefühle wegen ihrer früheren Taten hat, denkt nicht einmal im TRAUM daran, sich auf meine Seite zu stellen oder anständig zu hinterfragen (oder sich im besten Fall einfach RAUSZUHALTEN, WEIL SIE KEINE AHNUNG HAT UND NICHT EINFACH NUR VON EINEM STANDPUNKT AUS URTEILEN SOLL), weil unsere Mutter ja höchst wahrscheinlich Recht hat, weil sie mit den anderen beiden Kindern ja auch Recht hatte. Ich bin einfach nur jedes Mal, wortwörtlich, das ''Arschloch'' und ''geistig behindert''. Tolle Art, mit und über seinen Sohn zu reden, den man ja so liebt, nicht wahr?

Einen Abend, als sie mal wieder besoffen war (sie beschwert sich ständig über meinen Vater, wie scheiße es doch ist, dass er sich jeden Abend betrinkt, aber selbst ist sie KEINEN DEUT BESSER) und ich den nächsten Tag anstatt in die Schule zu gehen Zuhause bleiben wollte, (aus ernsteren Gründen) kam sie plötzlich grundlos in mein Zimmer geplatzt und fing an, rumzumeckern. Sie ist wohl wieder wegen irgendwas in Rage verfallen, wie so oft, was ich nicht mitgekriegt habe. Ich säße ja wieder nur vorm PC und das wäre total Scheiße und was weiß ich, und knallt die Tür hinter sich zu. Ich hatte absolut keine Ahnung, was los war, weil es ABSOLUT KEINEN SINN machte und wurde einfach nur extrem sauer. Ich ging ihr hinterher und schnautze sie an, sie solle keine Türen knallen (was meine Eltern von mir schließlich auch verlangen) und habe dabei mit dem Finger auf sie gezeigt. Sie, wiedereinmal glaubend, dass sie absolut im Recht ist, schaut mich erst einmal bescheuert an und zieht mir dann am kleinen Finger - dieser ist seit diesem Tag krumm aufgrund ihres Suffs.
Mein Vater stand natürlich vollkommen auf ihrer Seite, weil hey, sie ist meine Mutter, sie muss schließlich Recht haben und alle glauben ihr schließlich jedes Mal ihren verseuchten Sichtpunkt der Dinge und ich bin ja nur pubertär - sie MUSS ja Recht haben!
Noch viel schlimmer hierbei war der absolut dämliche, ungerechte und bescheuerte Kommentar meines Vaters 2 Tage später, als er mich nach meinem Finger fragte und ich in ihm zeigte: ''Tja, selbst schuld.''
Selbst schuld?! WAS ZUM TEUFEL?!?! Selbst schuld daran, dass meine Mutter irgendwelche Minderwertigkeitskomplexe hat und mich grundlos anschreit und mir nachträglich am Finger zieht, weil es ja überhaupt nicht rechtens ist, mit dem Finger auf seine Mutter zu zeigen?! Selbst schuld daran, dass sie in dem Moment wieder besoffen war? Ganz ehrlich, was soll das?!
Meine Mutter wusste auch danach überhaupt nicht mehr, dass mein Finger wegen ihr so aussah - sie glaubte bis vor ein paar Monaten, dass ich es selbst mit einem verfehlten Schlag auf einen Tisch gewesen wäre! Als ich es ihr nochmal sagte (das war in einem ''emotionaleren'' Moment - die ich aber inzwischen auch nicht mehr Ernst nehme, 1. weil sie mich nicht ernst nimmt: Als ich ihr sagte, dass mein Finger ihre Schuld sei, wollte sie dies AUCH NICHT WAHRHABEN, sie sagte bloß ''Och!'' und schaute mich absolut behindert an. Ich hätte sie erwürgen können.
2. weil alles von ihr eh nur inhaltsloses Gesülze ist, sie fängt bloß sofort an, davon zu reden, wie scheiße es IHR doch geht und wie IHR doch alles in der Wohnung misfällt und wie SIE der Stress mit den neuen Vermietern doch fertig macht. Ja ja, du bist ein ganz armes Ding. Nur du und kein anderer, schon klar.)

Sie kann einfach nur ständig über andere meckern und fasst sich NIE an die eigene Nase. Ich habe noch NIE erlebt, wie sie IRGENDWELCHE Schuldeingeständnisse von sich gegeben hat. Es sind immer nur die anderen.
Auch schlimm ist, wie sich jedes Mal so cool fühlt, wenn ich anfange, zu schreien (was nicht unbedingt gut ist, aber manchmal reicht es mir einfach - ich glaube, so geht es jedem) und wie sie sich dann so hart widerspricht, weil sie in 100% der Fälle diejenige ist, die zuerst schreit. Sie macht sich fortlaufend absolut lächerlich und will es einfach nicht einsehen.
Dann kommen so unglaublich dämliche Sprüche bzgl. ausziehen, wie in etwa ''JA DANN ZIEH DOCH AUS!'', ''DANN GEH DOCH WOANDERS HIN'', oder der gaaanz coole Spruch ''Ja, was hält dich den hier?'' (ebenfalls vom aktuellen Fall) bzw. ''Es hält dich doch nichts hier, geh doch einfach wenns dir nicht passt''. Sicher, weil man auch einfach so umziehen kann.
Diese Sprüche machen mich so extrem wütend, einfach nur aus dem Grund, weil sie sich sowas von lächerlich macht und so erbärmlich dabei ist, und sie merkt es nicht einmal. Es scheint mir, als würde sie in ihrer eigenen kleinen Welt leben, wo sie immer Recht hat und wehe es widerspricht ihr jemand. Hauptsache, sie zieht jedes Mal über ihre eigene Mutter her, aber wenn es um Konflikte geht, verhält sie sich genau so wie sie.

Ich habe auch inzwischen den Entschluss gefasst, wenn sie das nächste Mal ausrastet, es mir einfach gefallen zu lassen, denn bei Gegenwehr ziehe ich JEDES MAL den kürzeren. Ich hatte mich eigentlich auf den Besuch am nächsten Tag von meiner Schwester gefreut, aber dann musste meine Mutter ja schließlich wieder ausrasten und als erstes, nachdem sie sich zuhause angetrunken hat, meine Schwester anrufen und ihr ''alles'' (d.h: ihre verschwomme verfälschte ihrer Welt angepasste Sichtweise) erzählen und sagen, wie traurig sie doch ist (dies war jetzt der aktuellste Fall) und was für ein ''richtiges Arschloch'' ich sei. Sie merkt einfach nichts.

Ich erinnere mich an früher als kleines Kind, als wir gespielt und uns ab und zu unabsichtlich verletzt hatten - mal kam eine Hand ins Gesicht oder sonstwohin (nein, es waren DEFINITIV von KEINER Seite gewollte Schläge!), aber meine Mutter musste auch hier wieder differenzieren.
Wenn sie mich getroffen hat und ich ''Aua'' sagte, hieß es immer, ich solle mich nicht so anstellen und / oder aufhören zu jammern (das tut sie auch heute noch, wenn ich schmerzen habe - was mich dazu gebracht hat, schmerzen überhaupt nicht mehr mitzuteilen weil ich keine Lust habe, ständig deswegen als Weichei bezeichnet zu werden), traf ich sie jedoch, fragte sie immer warum ich das tue (in anderen Worten, dass ich sie hassen würde) und hat mich total fertig gemacht und manchmal sogar geweint. Es war einfach vollkommen überzogen. Ratet mal, warum ich irgendwann nicht mehr mit ihr gespielt habe und auch heute, wenn sie wieder betrunken ist und in mein Zimmer kommt und sich wie ein Kind verhält, einfach ''Nein'' sage. Daraufhin ist sie dann beleidigt und stellt mich wieder als empfindlich dar.
Dazu noch: sie ist einfach total seltsam, wenn sie betrunken ist. Schlichtweg HASSE ich sie im betrunkenen Zustand. Sie benutzt Wörter, die sie normalerweise nie benutzen würde und stammelt wirres Zeug vor sich hin (wie bspw.: ''Ich rufe jetzt bei der Polizei an, weil ich das und das nicht mehr aushalte und ich mich endlich dazu äußern muss'', daraufhin tut sie nichts sondern wiederholt sich nur jedes mal und am nächsten Tag weiß sie nichts mehr davon). Ja, der scheiß Alkohol eben. Und dann muss ich mir Leute anhören, die einfach nur behaupten, dass ich es eh nie schaffen werde, nie Alkohol zu Trinken oder zu Rauchen.
Exakt, weil ich ja auch absolut keine Gegenbeispiele dafür habe, richtig?

Was sie auch zuletzt angeprangert hat, ist, wie ich mit ihr umgehe - sie ist mir manchmal nicht schnell genug im denken und ich fange an, Handbewegungen im Sinne von ''mach schneller'' zu machen. Ich weiß nicht wirklich genau, warum und wie lange schon ich das tue - aber ich vermute sehr stark, dass all diese Streitereien, in denen sie sich als perfekt und absolut Fehlerfrei hinstellt, mich dazu gebracht hat, von ihr irgendwie zu verlangen, dass sie sich auch perfekt verhält, d.h. dass sie nicht so lange braucht, um zu überlegen, etc.
Es hat sich einfach inzwischen ein innerer Hass und aufgestaute Wut in mir verfestigt, die ich irgendwie rauslassen muss. Aber eigentlich will ich das gar nicht.

Ich könnte jetzt noch ewig so weiterschreiben, aber ich will euch nicht total zusülzen mit meinem Scheiß. Und irgendwann würde es ohnehin zuviel werden.
Und so negativ das alles auch klingt (was es auch ist) und so sehr ich manchmal wirklich das verlangen habe, sie zu schlagen (und es wird mit jedem Streit schlimmer - es ist einfach die Frustration, dass ich absolut keine Macht habe und sie ihre einfach nur total ausnutzt um mich überall schlecht zu machen und alles gegen mich zu stellen und ich rein GAR NICHTS machen kann), ich liebe sie trotzdem über alles und will das alles nicht. Sie ist eine exzellente Mutter, und JA, sie hat sehr, sehr viel durchgemacht, aber was Konflikte angeht ist sie einfach ein totales Wrack und sie hat kein Recht, mich so ungerecht (hey, wieder das Pubertätsklischee!) zu behandeln.

Ja, ich hab jetzt ziemlich viel gesagt aber noch lange nicht alles. Ich könnte höchstwahrscheinlich noch viel mehr sagen, aber wenn ich über dieses Thema rede, komm ich immer sehr durcheinander, weil es dann so viel auf einmal ist (was ihr sicher auch merkt) und manchmal fehlt mir eben die Fähigkeit, mich richtig zu artikulieren (was mir bei meiner Mutter ständig passiert, weil ich nicht weiß, wo ich anfangen soll - jetzt, wenn wir einen Streit haben, kommt all dies wieder hoch und theoretisch würde ich ihr dann genau diesen Roman vorlesen, den ich hier jetzt geschrieben habe - was logischerweise viel zu viel ist).

Jedenfalls, so viel dazu. Ich musste es rauslassen, weil ich sonst niemanden habe, über den ich damit reden kann. Mein Vater (auch, wenn er ähnliche Probleme hat) kennt das Problem mit meiner Mutter (und stellt sich trotzdem manchmal auf ihre Seite), kann aber auch nichts machen, weil wenn er sich auf meine Seite stellt, es eh nichts ändert. Dann schreit meine Mutter nur uns beide an.

Danke für eure Zeit und danke, falls ihr einen Rat oder sonstiges für mich habt.

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich lieber Anonymer!

Wenn deine Mutter so unnachgiebig ist, hast du wohl kaum eine Möglichkeit, es direkt zu ändern. Ich rechne dir hoch an, dass du sagst, dass deine Mutter viel für dich getan hat; ich verstehe und denke auch, dass sie es übertreibt. Trotzdem glaube ich, kannst du sie schwer "umdrehen".

Ich sehe mehrere Gründe, warum deine Mutter so ist - und eigentlich hast du sie selbst benannt: Da ist erstens der Alkohol. Wir wissen also, dass sie in einem Großteil der Fälle überhaupt nicht "bei Sinnen" ist. (Du verstehst, wie ich es meine.) Ihr Trinken ist keine Entschuldigung dafür, wie sie mit dir umgeht - aber vielleicht hilft es dir, dir noch einmal klar zu machen: Es hat in dem Moment nichts mit dir zu tun. Durch das Trinken kommt ihre Wut und Unzufriedenheit mit sich selbst, und noch vieles Andere, zu Tage - du bist dann eben derjenige, der es aushalten muss. Im günstigsten Fall kannst du einfach weggehen. Wo das nicht möglich ist, möchte ich deinen eigenen Vorschlag aufgreifen: Lass sie reden. Sie weiß es dann nicht besser. Und so ist es auch bei vielen anderen Situationen, wo sie nicht betrunken ist.

Das mit deinem Finger war nicht in Ordnung - ich könnte mir aber vorstellen, dass sie sehr genau wissen, dass das so ist. Vor deinen Augen wirst du als wehleidig dargestellt, aber wenn du weg bist, rumort die Frage, ob das okay war, sehr wohl in ihnen. Das grundsätzliche Problem ist wohl, dass Eltern oft nicht Unrecht haben können. Das schließt uns beide nicht aus - auch wir können einmal so werden. In den meisten Fällen sind es Vorkommnisse mit jüngeren Kindern, bei denen jedes Nachgeben kontraproduktiv wäre. In vielen der übrigen, spielt wohl die Furcht eine Rolle, dem eigenen Kind nichts mehr sagen zu können. Gerade wenn man älter wird, pubertiert, sind unsere Eltern manchmal auch überfordert. Was sie natürlich nie zugeben würden. Wir tun und sagen Dinge, mit denen sie nie gerechnet haben - oder solche, bei denen sich in ihnen einfach alles sträubt, nachzugeben. Im Endeffekt liegt es also nicht daran, dass sie uns absichtlich schlecht behandeln, sondern daran, dass sie sich um uns sorgen.

In deiner akuten Wut, die ich verstehen kann, mag dir dieser Satz idiotisch vorkommen. Von meinen eigenen Eltern kenne ich es so: Auch sie haben gewisse Vorstellungen, wollen natürlich nur das Beste für mich. Auch sie haben unglaublich viel für mich getan, wofür ich sehr, sehr dankbar bin. Aber das schließt nicht aus, dass sie ungerecht sein können. Ich möchte sogar sagen: Wenn deine Eltern dich so behandeln, ist das fast eine logische Folge davon, dass sie dich lieben. Natürlich ist es in dem Ausmaß nicht okay, aber ändern wirst du sie trotzdem nicht.

Es kann ja wirklich sein, dass deine Mutter schon immer Schwierigkeiten hatte, ein Problem einzuschätzen, dass sie schon überreagiert hat, als ihr Kinder wart. Das ist dann aber ein Problem, das bei ihr stattfindet, und nicht unbedingt damit zu tun hat, dass ihr ihr nicht wichtig seid. Es mag psychisch bedingt sein, oder andere Gründe haben - wir wissen es nicht. Ich glaube, du tust dir keinen Gefallen damit, von ganz früher bis jetzt eine Linie zu ziehen, und in deinen Vorwurf alles aufzunehmen, das dir nur einfällt - so berechtigt er auch sein mag. Sieh es doch so: Du stehst im Leben, bist gesund, hast deine Wünsche und Ziele. Aus dem Trinken deiner Mutter hast du die Konsequenz gezogen, nicht zu trinken und auch nicht zu rauchen - was du auch schaffen wirst. Diejenigen, die behaupten, du würdest es nicht packen, formulieren damit nur eine Entschuldigung für ihr eigenes Trinken, oder? Es ist eine Ausflucht, die dazu dient, das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. Aber nicht mehr. Wenn du stärker sein willst als der Alkohol und die Zigaretten, dann bist du das auch. Die, die es nicht sind, waren nicht stark genug - aber sie wollen es auch nicht werden, da es so bequemer ist.

Gerade wenn deine Geschwister schwierig waren, liegt es nahe, dass deine Mutter ein dünneres Fell bekommen hat. Du bist in der Position, ein "späteres" Kind zu sein. Nachdem man seinen früher geborenen Kindern oft noch peinlichste Aufmerksamkeit gewidmet hat, fehlt einem beim letzten manchmal die Energie, das weiterhin durchzuziehen - oder man weiß einfach, dass es auch so funktioniert. Später geborene Kinder dürfen oft mehr, werden weniger gefragt, müssen weniger diskutieren; oder es kann sein wie bei dir, dass die enttäuschten Hoffnungen über deine Geschwister, auf deinem Rücken ausgetragen werden. Deine Eltern, besonders deine Mutter, haben ihnen viel Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet. Das hat sie jede Menge Kraft gekostet, und darüber bist du vielleicht immer wieder zu kurz gekommen. Ist das so? Sie spüren, dass du ein besonderer Mensch bist, der anders ist als deine Geschwister - aber gleichzeitig ruhen auch die Wünsche, denen sie nicht gerecht wurden, auf dir, drängt das schlechte Gewissen, und die bohrende Frage: "Was habe ich bei den ersten zwei falsch gemacht?" All das bekommst du zu spüren. Sie wollen Vergangenes rechtfertigen, Vergangenes wieder gut machen, und sich nicht eingestehen, dass manches einfach nicht glatt läuft - es womöglich gar nicht ihre Schuld war. Was sie wollen, ist, Recht haben - aber nichts verändern. In dem Bestreben, ihrem Kind Gutes zu tun, sind Eltern manchmal grausam. Sie meinen das Beste zu kennen, was er oder sie braucht, und werden die Erinnerung an frühere, schmerzhafte Ereignisse nicht los. Dass die Zeit sich geändert hat, dass ein anderer oder veränderter Mensch vor ihnen steht - das merken sie nicht, und wenn, können sie dem nur schwer Rechnung tragen.

Dein Vater ist auch in einer schwierigen Lage. Alles, was in den letzten Jahren passiert ist - als es Probleme mit deinen Geschwistern gab, und seit ihr klein wart -, hat er sehr eindrücklich erlebt: Er hat den Schmerz deiner Mutter, seiner Frau, unmittelbar mitbekommen. Und ist jetzt jedes Mal in der Situation, sie in Schutz nehmen zu wollen, weil sie soviel durchlitten hat - auch ohne dass du es wolltest, oder deine Geschwister. Es ist völlig klar, dass du ihre Fürsorge nicht strapazieren willst, dass es nicht dein Wunsch ist und nie war, dass es ihr schlecht geht. Es passiert aber trotzdem, und leider wird es dir angelastet. Warum? Weil deine Eltern von dir Nachsicht erwarten, schließlich haben sie das alles für dich getan - nicht nur das, was du gesehen und erlebt hast, sondern eben auch das, was nicht. Dem gegenüber stehst du, und sagst hilflos: "Ich kann doch nichts dazu, wenn es mir schlecht geht, wenn ich eben tue, was mir gefällt - ich mache doch nichts Schlimmes, was kann ich dazu, wenn es euch verletzt?" Natürlich kannst du nichts dafür, und solltest dich auch nicht abhalten lassen, dein Leben selbst zu gestalten. Aber du wirst sie von dieser Schiene nicht abbringen, das müssen sie selbst.

Mag sein, deine Mutter spürt, dass die Zeit zuende geht, in der sie immer Recht hatte - weil Erwachsene bei Kindern, was du nicht mehr bist, eben einfach Recht haben. Sie dreht jeden Sachverhalt so hin, dass sie im Recht ist; und weil sie deine Mutter ist, kannst du sie nicht mit Argumenten auseinander nehmen. Du kannst es versuchen, es darauf ankommen lassen, oder einstecken. Die Frage ist, ist es dir einen Streit wert, Recht zu haben? Oder kannst du sie auch reden lassen, wohl wissend, dass sie in ihren Emotionen und alten Denkmustern gefangen ist, die langsam an Gültigkeit verlieren - und die sie, für sie schmerzhaft, erst ablegen muss? Ihre großen Sorgen, vielleicht Schuldgefühle und Gewissensbisse, ertränkt sie in Alkohol, was dem Konflikt noch mehr Schärfe verleiht. Sie zeigt Schwäche, das ist dir bewusst - kannst du Stärke zeigen? Kannst du zu der Sicherheit gelangen, dass du immer im Recht bist, solange du nicht zurückbeißt? Denn erst wenn du anfängst, ihnen Sätze an den Kopf zu werfen, die genauso aus deiner Wut und Enttäuschung kommen wie ihre, wirst du wirklich verletzbar. Damit bestätigst du, was sie von dir denken. Wenn sie in die Rolle verfallen, die sie sich angewöhnt haben, kannst du sie mit Argumenten nicht entwaffnen - du bist das Kind, sie die Eltern. Wer wollte da kritisieren, wenn man schon mal verantwortungsvolle Eltern ist? So dreht ihr euch im Kreis. Versuche, so weit es nur geht, gelassen zu bleiben - und setze deine Energien sinnvoller um. Wann immer dein Vater für deine Mutter Partei ergreift, mach dir klar, dass in ihm ein großer Kampf stattfindet - er sich äußerst schwach fühlt. Denn er will deine Mutter, die Frau, die er liebt, nicht vor den Kopf stoßen - und auch dir kein Unrecht tun; oft geht dieser Konflikt zu deinen Ungunsten aus. Er versteht dich sehr wohl gut, denn er ist ein Mann wie du - doch in dieser Lage kann er nicht auf der Seite der Männer stehen, das wäre genauso gegen die Natur. In dem Moment, in dem sie euch beide rundmacht, seid ihr euch wieder näher. Auch dann gilt: Halt dich lieber zurück, wo es geht - und überleg dir genau, ob es sinnvoll ist, das zu kommentieren. Oder ob du insgeheim weißt, dass deine Mutter auf ihrer gewohnten Bahn läuft, die sie nicht verlassen kann und doch besser sollte. Dies ist das Wissen, auf das du immer zurückgreifen kannst: Sie ist eben nicht im Recht, sie muss es nur einsehen - und das klappt nicht. Zumindest noch nicht. Du erreichst es am ehesten, indem du ihr zeigst, dass man bei dir mit Drohen und Beleidigen nicht weiter kommt. Es sind Sätze und Wörter, die man als Mutter nicht sagt, nicht zu seinen Kindern; es sind Zeichen von Schwäche, im schlimmsten Fall Zeichen des Verfalls - nichts, was du als vernünftiger Mann wirklich ernst nehmen musst.

Vielleicht konnte ich dir helfen - ich denke einfach, dass es besser ist, deine Mutter nicht mit "Gewalt" darauf zu stoßen, dass sie falsch liegt. Es ist ja schon mal sehr gut, wenn dein Vater im Grunde um das Problem weiß. Wirklich lösen lassen wird es sich nicht, dafür muss deine Mutter bei sich selbst aktiv werden - und vor allem etwas gegen ihr Trinken tun. Das wäre vielleicht etwas, wo ihr als Familie einschreiten könntet, denn im Zuge einer Behandlung käme möglicherweise manches zu Tage, das ihr Verhalten etwas erhellen könnte. Wobei ihr es ihr auch nicht aufzwingen könnt, dann würde es nicht funktionieren. Was ich aber versichern kann, ist, dass die Haltung deiner Mutter sich spätestens aufweichen wird, wenn du eigene Wege gehst - vielleicht studierst, ausziehst; und dann wäre es doch gut, wenn du ihr entgegen kommen könntest? Dazu gehört auch, nicht allzu vorwurfsvoll zu sein. Wenn sie ihr jetziges Verhalten einmal erkennt und bereut, ist es besser, es hinzunehmen und sie zu bestärken, statt noch Salz in die Wunde zu streuen. Denn ihr alle habt ja Interesse, eine möglichst intakte Familie zu sein. Auch später, wenn du selbstständig bist, vielleicht eigene Kinder hast. Da wäre es doch gut, wenn man gewisse Dinge nicht aufwärmen müsste - wenn ihr nicht noch Jahre um Jahre an dem Konflikt knabbert, der jetzt herrscht, sondern euch um Wichtigeres kümmern könnt. Und das umsetzen, und der Wut deiner Mutter Vernunft entgegensetzen zu können, das wünsche ich dir.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul