Problem von Pascal - 15 Jahre

Ebola

Ich habe furchtbare angst mit Ebola infiziert zu werden und habe auch angst wenn ich im bus oder in der bahn sitze, dass irgendwer dort Ebola hat und ich mich infiziere. Ich hab auch Angst davor dass Ebola die Menschheit auslöschen wird. Bitte helft mir mit meinem problem

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Pascal,

letze Woche erst unterhielt ich mich mit einem Arbeitskollegen. Er erzählte mir von einer Begegnung in der Bahn. Dort saß wohl eine afrikanische Frau bei einer jungen Mutter, die mit ihrer Tochter Platz genommen hatte. Sie wurde immer unruhiger, stand schließlich auf, nahm ihre Tochter an der Hand und zog sie fort. Das Mädchen wollte nicht und protestierte. "Komm jetzt!", zischte ihre Mutter ihr zu. Und laut genug immerhin, dass mein Kollege es hören konnte: "Wer weiß denn, ob die Ebola hat!"

PENG. Gibt es solche Einfalt, wie diese Frau sie bewiesen hat? Leider ja. Damit will ich dir nichts unterstellen, auf keinen Fall. Allerdings muss ich auch sagen: So sehr ich deine Angst verstehen kann, es ist keine sinnvolle Art, auf den Ausbruch von Ebola zu reagieren.

Das Ebola-Fieber hat in Afrika immer wieder Menschenleben gefordert. Tagtäglich sterben dort viele, viele Menschen an Krankheiten, deren Namen wir nur aus Albträumen kennen. Aber da es heute Ebola ist, das uns von allen Titelseiten entgegen springt, haben wir Angst davor. Leider machen Krankheiten nicht halt vor Grenzen, und dass es Ansteckungen in Amerika, in Deutschland oder woanders gibt, hat nichts damit zu tun, dass dies eine unaufhaltsame Seuche wäre, die uns vernichten kann. Ja, es ist in der Tat eine Gefahr, die man ernst nehmen muss. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich ansteckt, noch immer kaum höher, als sie vor einem Jahr war. Es gilt jetzt, Ruhe zu bewahren, denn: Wir sehen, diese Krankheit ist nicht unheilbar. Die besten Ärzte der Welt arbeiten mit Hochdruck daran, Ebola zu bekämpfen, und somit hat dieser Ausbruch auch sein Gutes: Denn so wird am ehesten ein zuverlässiges Mittel gefunden werden. Andernfalls würden vielleicht noch viel mehr Leute Ebola zum Opfer fallen, heute, morgen und die nächsten hundert Jahre - unbemerkt von der Welt, weil es nicht so viele auf einmal sind. Die jetzige Epidemie ist schrecklich, doch wir können erst einmal nichts tun, als uns ruhig verhalten, unsere Offenheit bewahren und (wie hoffentlich immer) auf Hygiene achten.

Das Schlimme an Epidemien ist ja genau das: Sie machen den Menschen Angst, und entfremden sie voneinander. Aus der Geschichte wissen wir, dass es das, was man jetzt in Afrika beobachtet, auch in Europa gegeben hat: "Die Pest", heißt es, "säte Misstrauen überall. Eltern ließen ihre Kinder im Stich, Männer ihre Frauen, Geschwister einander." Daneben gab es das, was jetzt den von Ebola Geheilten widerfährt: Man sieht sie noch immer an wie Aussätzige, man will es nicht glauben, dass sie ungefährlich sind - dabei sind sie gegen die Krankheit immun, und könnten wertvolle Dienste leisten. Außerdem ist die Verzweiflung der Menschen so groß, dass sie nach Schuldigen suchen. Was werden wir in dieser Richtung hören? Ich erwarte es mit Furcht. Zuverlässig ist eines, nämlich dass heute in Europa mehr gebetet wird. Doch unter all den Krisen, die die Welt in rascher Folge erschüttern, ist Ebola nur eine - und man kann nicht für alles Sorge tragen. Wenn es Ebola ist, das dich beschäftigt, so wäre es besser, der Panik etwas entgegen zu halten: Nämlich Mut zu zeigen, und nicht die Straßenseite zu wechseln, wenn jemand mit dunkler Hautfarbe dir begegnet. Versuchen, andere Leute zu beruhigen, die die Angst vor der Krankheit plagt. Sie ist da, sie wird noch mehr Opfer fordern - vielleicht auch bei uns. Aber es hat sich viel gebessert in der Medizin und Hygiene, wir machen es der Krankheit nicht leicht. Dass sie sich trotzdem ausbreitet, liegt im Wesen der Sache begründet. Es bedeutet nicht, dass wir alle um unser Leben fürchten müssen. Traust du dir zu, der Furcht Anderer entschlossenes Handeln entgegen zu setzen?

Die Menschheit auslöschen? Auf gar keinen Fall. Diese Macht hat keine Krankheit, noch nie gehabt - und keine wird sie erlangen. Man mag sich darüber streiten, ob es dem Planeten nicht besser täte, eine Masse Bewohner weniger zu haben - ich will daran gar nicht teilnehmen. Denn das Ebola-Virus betrifft derzeit die Ärmsten der Armen, und wenn es so etwas wie Gerechtigkeit dahinter gäbe, dann müssten wir es doch sein, die daran sterben? In Wirklichkeit ist eine Seuche eine Seuche, sie fragt nicht nach wer und wo. Sie bricht dort aus, wo sie günstige Bedingungen findet. Das ist in Afrika oft der Fall, aber es kann eben auch hier passieren. Der Ausbruch von Ebola macht uns mit einer unbequemen Wahrheit vertraut: Nämlich, dass wir nicht besser und fortschrittlicher sind, nur weil wir reich sind und in sauberen Häusern leben. Es gibt Gefahren, die nicht vor Staatsgrenzen anhalten, und arm und reich, schwarz und weiß gleichermaßen betreffen. Wenn es einen Auftrag gibt, den Ebola aufzeigt, so ist es der: Wir sind alle gleich, denn wir alle haben dieselben Feinde: Krankheit und Hunger, Hass und Angst, Gewalt und Schmerz. Wir alle entkommen ihnen nicht. Es ist Zufall, dass wir auf einer Insel der Glückseligen namens Mitteleuropa wohnen. Doch wir müssen uns klar sein, dass diese Insel nicht immer der sichere Hafen bleibt, für den wir sie halten. Es ist nicht größere Intelligenz oder besondere Verdienste, die sie uns geschenkt haben, sondern eben die Erfahrung von Krieg und Leid, Seuche und Hunger. Und genau diese sind es, die sie uns wieder nehmen können. Wenn wir keine Schlüsse ziehen aus der Geschichte. Aber ich bin sicher, Pascal, dass du es kannst.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul