Problem von Lea - 18 Jahre

Abitur abbrechen

Ich besuche derzeit die 12.Klasse eines Gymnasiums (G8) und ziehe es in Erwägung die Schule abzubrechen, da ich den psychischen Druck nicht mehr standhalten kann. Es liegt nicht nur an dem Stress durch die vielen Arbeiten & Hausaufgaben, sondern allgemein an meiner ganzen Lebenssituation. Ich kann mich für nichts mehr begeistern, besitze keinen Lebensenthusiasmus mehr und habe das Gefühl, dass meine Familie den Ernst der Lage nicht begreift. Meine Noten waren bisher keineswegs schlecht, aber seitdem ich für mich persönlich abgeschlossen habe, sinken diese auch erheblich in der Punktzahl. Wenn ich nach der Schule nach Hause komme, kapsele ich mich von allen ab, schließe mich in mein Zimmer ein und starre gegen Wände mit Musik in den Ohren. In der Nacht kann ich nicht schlafen und der Weg zur Schule ist eine Qual. Ich habe Angst davor zu scheitern und die Erwartungen nicht erfüllen zu können. Überall herrscht Chaos und alle sagen mir, dass ich die Schule nicht beenden soll. "Es könne ja nicht so schlimm sein und die Anderen schaffen es ja auch. Es wären ja nur noch ein paar Monate." Diese naiven Ansichten zerstören mich nur noch viel mehr. Ich habe einen sehr guten Realschulabschluss und würde so gesehen nicht komplett ohne etwas dastehen. Ich brauche einfach eine längere Zeit für mich und befürchte, diese nie zu bekommen. Von allen Seiten höre ich nur noch, wie enttäuscht sie alle sind. Damals, als meine Leistungen rapide gestiegen sind, da taten alle so als wäre es selbstverständlich. Dabei saß ich täglich nur da und hab gelernt - ein ganzes Jahr lang, jeden verdammten Tag. Jetzt, wo ich einfach nicht mehr kann, da fällt alles auf mich zurück . Dieser Höhenflug hat mir nicht gut getan. Der damalige Enthusiasmus hat zu einer Essstörung geführt, die ich jetzt weitestgehend überwunden habe. So dumm sich das jetzt anhören mag: Aber sie fehlt mir. Das Wenige, was ich hatte, was mich charakterisiert hat, ist nun auch weg. Jetzt bin ich quasi dumm und fett. Ich hasse mich wirklich, weil ich mich in Gruppengesprächen nicht eingliedern kann. Ich kann nicht in Ruhe durch die Stadt laufen ohne das Gefühl zu haben, dass ich da nicht hingehöre und mich alle anstarren. Ich weiß nicht, ob ich mir einen Psychiater suchen sollte, weil ich immer glaube, dass meine Probleme sicher nicht so groß sind, dass sie jemanden ernsthaft interessieren könnten. Ich verletze mich nicht, ich plane keinen Selbstmord - ich fühle mich nur durchweg schlecht. Vielleicht können Sie mir helfen - ich bedanke mich im voraus.

Dana Anwort von Dana

Liebe Lea!

Zuerst einmal, wenn ich deinen Brief an uns so lese, fehlt mir eine Sache:
Der Stolz auf dich selbst. Du hast es erfolgreich geschafft, bis in die 12. Klasse zu kommen. Du kannst, wenn du fleißig lernst, gute Noten bringen und kannst auch das Abitur schaffen. Darauf solltest du stolz sein, in allererster Linie! Dazu kommt, dass du AUCH erfolgreich deine Essstörung überwunden hast! Wie viele Menschen schaffen das? Es ist oft eine richtige Qual und viele schaffen es nur bedingt oder rutschen wieder ab. Du kannst SO stolz auf dich sein.

So, damit haben wir geklärt, dass deine Fähigkeiten durchaus vorhanden sind. Das ist FAKT. Du kannst es.

Und nun kommt das, was dir momentan gehörig Steine in den Weg schmeißt. Du bist "außer dir". "Außer sich sein" bedeutet nicht, dass man explodiert, rumschreit und Wutausbrüche bekommt. "Außer sich sein" bedeutet ebenso, dass man "nicht in sich ist". Uneins mit sich selbst sein, verschiebt sich selbst in eine Distanz zu sich selber. So, als würdest du neben dir stehen und kritisch und skeptisch beäugen, was du da machst. Und damit einher geht eine gewisse Entwurzelung...man fühlt sich plötzlich nicht mehr wohl, nicht mehr "richtig"...das ist ja das, was du beschreibst.

Und ich glaube, dass durch diese Entwurzelung, dieses "uneins sein", dein Leben momentan eine Schieflage hat, die dir sehr unangenehm ist, dich an dir selbst zweifeln lässt und den Druck deutlich steigert. Man sieht ja, dass du dich selbst überkritisch beäugst, dass du der Meinung bist, hier nicht her zu gehören, nichts zu können etc.

Ich persönlich würde dir empfehlen, dir zwei Ziele zu überlegen.

1. Was will ich JETZT gerade?

2. Was will ich in Zukunft?

Und dann aus dem Bauch raus sagen, was du fühlen willst und was du erreichen willst, beruflich, privat, persönlich.

Ich kenne dich ja nicht und weiß nicht, was für berufliche Ideen du hast, welchen Weg du gerne gehen wollen würdest. Würde da ein Realschulabschluss denn reichen? Hättest du dann dieselben Chancen wie Abiturienten? Das sollte in die Überlegungen genauso eingehen wie die Frage, was du momentan willst. Willst du momentan einfach deine Ruhe? Willst du Zeit für dich? Willst du dich heilen? Dann geh wirklich in Therapie, rede mit deinen Eltern, deinen Lehrern, mit den Vertrauenslehrern, mit dem Direktor, egal, hauptsache, du teilst dich mit. Wenn deine Eltern es nicht ernst genug nehmen, such dir wirklich in der Schule jemanden, der dir wenigstens mal zuhört.
Willst du flüchten, weil momentan alles zu viel ist? Dann möchte ich dir gerne sagen, dass Flucht immer der falsche Weg ist.

Ich habe den Eindruck, dass alles über dir zusammen schlägt und du zweifelst, dass du das alles schaffst. Insgesamt bin ich mir sicher, DASS du es schaffst, denn du hast schon öfter großen Willen gezeigt. Ich bin mir sicher, dass du ein gutes Abitur hinlegen könntest, dass du mit einem normalen Lernaufwand einiges erreichen kannst. Wenn es dir momentan nicht gut damit geht, begib dich gerne in Therapie, erarbeite zusammen mit dem Therapeuten/der Therapeutin einen Weg, wie du aktiv in dir Ruhe findest und Selbstvertrauen schöpfen kannst. Zu einem Schulabbruch möchte ich dir nicht raten, denn ich glaube, dass du wirklich fähig bist, einen guten Abschluss zu machen. Es ist nur viel auf einmal.

Meiner bescheidenen Meinung nach erwächst dein schlechtes Gefühl aus der Überforderung und der Entwurzelung, nicht aus deiner Unfähigkeit. Deine Selbstwahrnehmung ist negativ und daher kannst du auch keine Kraft mehr schöpfen, denn die kann man nur aus positiven Gefühlen und gutem Selbstwertgefühl holen.

Du bist fähig und du kannst einiges. Kümmere dich erst mal um das in dir drin...und bringe dich in die Bahn zurück. Abbrechen kannst du immer noch. Ich bin mir aber eigentlich sehr sicher, dass du, wenn du wieder in dir ruhst, erfolgreich sein kannst. :) Was dir fehlt, ist etwas Kraft und Zutrauen zu dir selbst. Und die kannst du wieder lernen.

Ich wünsche dir alles Gute - ich glaube fest, dass du es schaffst.

Liebe Grüße,

Dana