Problem von Isabell - 38 Jahre

Sollte ich an mir selbst zweifeln?

Hallo KuKa Team,

ich bin derzeit sehr verunsichert was meine Ehe angeht und befinde mich in einem Gefühlschaos, zweifel teils an mir selbst.

Zu meiner Partnerschaft sollte ich vorab erklären: wir sind sehr gegensätzliche Charaktere. Tja, es heißt ja bekanntlich Gegensätze ziehen sich an, nur bin ich mir seit einigen Jahren nicht mehr sicher, ob diese Konstellation tatsächlich einer lebenslangen
Beziehung standhält. Gemeinsame Interessen und Ansichten wären doch deutlich von Vorteil.
Wir kennen uns nun seit 11 Jahren, sind seit bald 8 Jahren verheiratet und haben zwei kleine Kinder (6J und 4J).
Vor den Kindern gabs auch hin und wieder Streit. Meist ging es um seine Versprechungen, die er leider nicht einhält und seinen mangelnden Ordnungssinn.
Ab den Kindern fühlte er sich oft zurückgesetzt und leider hat unsere Jüngste ihn auch im 2. und 3. LJ abgelehnt und wollte nur zu Mama. Dies war wiederum für mich eine schwierige Phase, da auch mein Sohn darunter litt.
Mein Mann ist sehr geradlinig und durch und durch Logiker. Es wird allerdings zunehmend anstrengend, da er bei Diskussionen Beweise möchte und mir so gut wie nie Glauben schenkt, außer ich winke mit einem Fachbericht oder hab' die Antwort eines Fachmann in peto.
Auch verhält er sich mir gegenüber immer wieder schroff, nach meiner Ansicht. Ob ich damit nun richtig liege würde ich gerne von Euch wissen. Oder nehme ich diese Aussagen zu gewichtig und sollte mir ein dickeres Fell zulegen?
Folgende Beispiele: bei uns tropfte wochenlang der Wasserhahn in der Toilette. Als ich ihn zum x-ten mal in einem etwas schärferen Tonfall fragte ob er diesen wohl endlich mal reparieren könnte meinte er"ich soll ihn reparieren, nur damit Du weniger laufen mußt?"

Vielleicht erscheint Euch ja mein Anliegen zu banal, aber mich wurmt es wirklich und für mich war es verletzend.
Er geht Vollzeit arbeiten, ich arbeite halbtags und kümmere ich nachmittags um unsere Kdr. und versuche den Haushalt zu schmeißen. Ehrlich, es bleibt so wenig Zeit und ich komme nicht recht rum. Letzteres leidet und ich mach immer wieder Nachtschichten.
Dafür bekomme ich auch Ärger von ihm, da ich am nächsten Tag durch Schlafmangel eine kürzere nervl. Reisleine habe. Ich reagiere beim 5mal verärgert und nicht beim 10.
Er haßt es 5-10 Min. zu warten. Ich warte wochenlang auf das er im Haushalt etwas in Ordnung bringt, seine Sachen wegräumt. Ich habe mir nun 4 Monate auf der Anrichte in der Küche eine riesige Schüssel Nüsse angesehen, die er mit den Kdr. knacken wollte/möchte um Schokolade zu machen. Er bestellte Westen, die waren zu klein und ich habe sie nach 3 Wo zurückgeschickt, damit wir das Geld noch bekommen, nachdem ich ihn 4-5x drauf ansprach. Er hat mir einen Gutschein für ein Kaffeeseminar zu Weihnachten geschenkt, dieser kam zu spät per Post bei uns an, nach gebuchtem Termin. Seitdem warte ich auf einen Ersatztermin, den er nicht ausmacht.
Ich habe einmal pro Wo einen freien Arb.Tag, wir reden von Vormittag. An diesem mache ich entweder Haushalt, habe kranke Kdr., kümmere mich um "Bürokram" und erlaub mir evtl. mal zum Frisör zu gehen. Heute kam von ihm prompt eine "ABM-Maßnahme": "Du besorgst dann heut die Sachen im Baumarkt." Er frägt nicht mal, sondern macht nur eine Feststellung. Mittlerweile werde ich bei sowas echt fuchsig und reagiere auch dementsprechend ablehnend und aufbrausend.
Daraufhin meinte er wir müßten mal meine Vorstellung von "freiem Tag" besprechen, schließlich hat er ja auch nie einen bei einer 40Std.Wo, also steht mir auch keiner zu.
Wenn ich ihm einmal nahe bringen möchte, daß ich mich wegen etwas verletzt fühle, dreht er jedes Mal (wirklich!) den Spieß um, und geht in die Opferrolle, beklagt sich was ich falsch mache.

Mittlerweile glaub ich schon selbst teils dran, daß es an mir liegt. Ich kann nicht mehr mit ihm umgehen. Ich halte ihn auf Distanz und such oftmals am WoEnde mit den Kdr. das Weite, geh weg. Dann hat er seine Ruhe und ich die meine. Mit den Kdr. unternimmt er nur was allein, wenn ich mehrfach was sag. Er ist sauer, wenn ich mir erlaub am WoEnde bis 8 oder 9 zu schlafen. Dann hat er die Kdr. 1-2 Std. allein. Von mir wird erwartet, daß ich nebenbei was im Haushalt schaffe, wie z.B. Küche nach dem Frühstück, oder Wäsche waschen...., er sagt im Nachhinein, ich konnte ja nichts machen, ich hatte die Kdr.

Ich finde ihn immer öfter als so ungerecht. Mit welchem Maßstab misst er denn?
Ach ja, nebenbei ist er überrascht, wenn ich ihm gegenüber nicht auf Zärtlichkeiten aus bin und mich nicht anfassen lassen möchte, nur weil ihm mal wieder danach ist. Dann reagiert er auch noch beleidigt, daß ja eh seit einiger Zeit nichts mehr läuft.
Wie lange kann ein Mensch Demütigungen und seelische Verletzungen ertragen? Er hat sich "beruflich" belesen mit Rhetorik und Manipulationstechniken. Manchmal hab ich das Gefühl er wendet es auch privat an. Ich bin wirklich nicht auf den Mund gefallen, aber er hat mich in den ganzen Jahren wenn er besonders sauer war immer wieder beschimpft mit "wie blöd bist Du eigentlich?" - Er verachtet meine Haltung, das Weltgeschehen und die tgl. Nachrichten nicht verfolgen zu wollen. Ich finde Nachrichten grausam und von Wirtschaft habe ich tatsächlich keine Ahnung. Ich arbeite im sozialen Bereich, meine "Welt" ist das tgl. Leben und meine Kdr., meine Arbeit, meine Interessen sind Medizin und viele Andere. Es sind nicht die seinen.
Bin ich deswegen ein schlechter Mensch? Hab ich nicht auch das Recht mit Respekt behandelt zu werden? Ist es mir zu verdenken, daß ich ihn unterkühlt behandele?
Ich möchte keine weiteren Verletzungen, daher auch ein gewisser Abstand. Er hat mich schon mehrfach sehr verletzt. Ich weiß, daß ich auch eine sehr verletzend werden kann "böse Zunge".
Meine Hoffnung ist, daß es die schwierige Phase des "Kleinkindalters" zu überbrücken gilt. Wenn die Kdr. größer sind, kommt auch wieder mehr Zeit für uns Beide.

Ich bin neugierig auf Ihre Sichtweise.

Entschuldigen Sie, aber ich dachte ich sollte zum besseren Verständnis meiner Beweggründe weiter ausholen mit meinen Erzählungen.

Gruß, Isabell

Dana Anwort von Dana

Liebe Isabell!

Ich zerstöre deine Hoffnung auf bessere Zeiten nach dem Kleinkindalter nur ungern, aber wenn ich mir eure "Muster" durchlese, die ihr mit der Zeit eingeübt habt, dann kann ich dir jetzt schon mit Bestimmtheit sagen: wenn sich da nichts grundlegend ändert, steuert ihr auf das Ende der Beziehung zu.

Ja, das mag hart klingen und vielleicht hätte man es in mehreren Gesprächen auch sanfter machen können, aber wir sind halt hier der Kummerkasten, der meist nur eine einzige Chance für eine Antwort hat...und darin muss alles gesagt sein, worum es geht.

In eurer Beziehung fehlen grundsätzliche Dinge. Ob sie immer schon gefehlt haben, kann ich nicht sagen.
Was fehlt?
- das Interesse am Anderen (auch an den Dingen, die man selbst nicht als seine eigenen bezeichnet)
- die Achtung und der Respekt für den Menschen an seiner Seite
- die richtige Kommunikation
- das Wohlwollen
- und....die Liebe für den PARTNER

In eurer Beziehung ist dies doch alles verloren gegangen - oder war nie vorhanden, das kann ich nicht beurteilen, nur du. Ihr zickt euch auf eine Weie an, die jeglichen Respekt sucht, ungefiltert und unreflektiert werden hier Forderungen gestellt (vor allem von der Seite deines Mannes aus)...so ist die Beziehung eigentlich schon fast verloren, das läuft NUR noch auseinander.

Du leidest, du siehst, dass dein Mann anscheinend nichts wirklich von dir hält, dich nicht ernst und wichtig nimmt...und du machst den Fehler zu denken, dass er vielleicht Recht haben könnte. Das bedeutet, dass dein Mann dich immer mehr verliert (sexuell und seelisch), aber auch DU selbst dich immer mehr verlierst.

Hier sind Muster tief eingeprägt, die so schädlich sind, dass ich, als außenstehende Leserin deines Problems, der Beziehung SO nicht mehr viel Zeit gebe.

Oben habe ich ja schon die Probleme notiert, die so geistig-seelisch bestehen. Es gibt aber ja noch jede Menge fassbare und faktische Probleme:

- ihr beide arbeitet, aber er ist der Meinung, du musst Kinder und Haushalt noch nebenbei wuppen
- er hält Versprechungen nicht, du bist die, die organisieren muss, weil er es liegen lässt
- du lässt ihn nicht mehr "ran"
- er sagt dir, dass du blöd seist
- du hast eine "böse Zunge"
- er verachtet deine Haltung
- du hältst ihn für faul, weil er neben seiner Arbeit nichts macht und schon mit 1-2h Kindern überfordert ist
- du findest, dass du zu viel machen musst
- er findet, dass du das durchaus noch mit machen kannst
- es gibt Ärger, wenn du nicht "funktionierst"

...und ich wette, wenn wir ein persönliches Gespräch hätten und du nicht alles schreiben müsstest, würden dir noch VIEL mehr Dinge einfallen.

Das wird nicht "einfach so" wieder besser, Isabell. Zwei Menschen ändern sich nicht einfach so wieder, wenn erst einmal die Bodendielen durchgetreten sind. Wie auch? Das ist schon in der Physik so: um Änderungen herbei zu führen, muss man Energie zuführen oder Energie wegnehmen. Wenn das schon bei Kleinstteilchen so ist, wie soll es bei Menschen dann anders sein?

Energie wegnehmen würde bedeuten, dass ihr euch trennt. Vorübergehend oder ganz, je nach Gefühl.
Energie zuführen würde VIEL Arbeit bedeuten, die man aber auf sich nehmen kann, wenn man das will. Die Frage ist - und das kannst nur du beantworten - wie viel Chance du dieser Ehe gibst. Du schriebst gleich am Anfang, dass ihr eigentlich überhaupt nichts gemeinsam habt, dass jeder von euch seinen Weg geht und auch gar kein Interesse an dem hat, was der Andere macht. Dein ganzer Brief an uns liest sich eigentlich so, als würdest du dich selbst wundern, warum ihr überhaupt zusammen seid UND dann kommen noch die ganzen Probleme.

Was für dich jetzt erst einmal wichtig wäre, wäre die Klärung der Frage:
WAS WILL ICH?

Will ich Energie abziehen oder will ich Energie zuführen?
Will ich diese Ehe noch?
Will ich diesen Mann noch?
Bin ich der Meinung, dass sich solch grundlegende Sachen ändern können?
Habe ich die Hoffnung, dass wir beide das wollen?

Existenzangst oder Kinder sollten übrigens NIE ein Grund sein zusammen zu bleiben. Kinder spüren das Streitpotential der Eltern mehr als Erwachsene so denken und leiden auch. Die Existenz kriegt frau/man immer irgendwie hin.

Das Zusammenbleiben sollte aus dem Wunsch entstehen, dem Partner wieder mehr Liebe und Achtung zu zeigen, wieder GEMEINSAM den Weg zu gehen. Hier hat man das Gefühl, als würdet ihr auf Parallelwegen laufen, gerade noch in Sichtweite, aber auch meilenweit voneinander entfernt...und das kann es ja nicht sein.

Deine "Aufgabe" wäre es nun also, dir ganz genau klar zu machen, was du möchtest.
Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen? Was müsste sich ändern? Wo könntest du da auch deinen Teil dazu beitragen?

Ihr macht beide einen grundlegenden Fehler.
ER bringt dir null Achtung entgegen und fordert und fordert, krittelt und macht dich so runter.
DU erwartest, dass er sich ändert und kannst seine Fehler nicht ab. Daraufhin entziehst du dich ihm.

In der Psychologie gibt es so ein Bild, dass eine Beziehung sowohl "Mann-Frau" als aber auch "Kind-Vater" oder "Kind-Mutter" beinhaltet. "Mann-Frau" ist die gleichberechtigte Ebene, wo beide Partner sich auf Augenhöhe begegnen. Die "Kind-Vater"-Ebene bedeutet, dass die Frau unter dem Mann steht und zu ihm aufblickt, während er schaltet und waltet, die "Kind-Mutter"-Ebene zeigt es genau anders herum.

Eine gesunde Beziehung besteht dann, wenn die Mann-Frau-Ebene vorherrscht und die Kind-Vater und die Kind-Mutter-Ebene ausgeglichen sind. Also dass mal der Mann die Vaterrolle ausübt und mal die Frau die Mutterrolle. Fehler hat jeder Mensch und der Partner gleicht diese dann aus. Aber es darf keine Seite überwiegen.

Bei euch habe ich den Eindruck, dass Mann-Frau-Ebene fast völlig fehlt. Dein Mann beschimpft dich, nichts ist ihm gut genug, er kritisiert dich oft, er erklärt dir, was du zu tun hast und du zickst rum. Du bist genervt, weil er alles schleifen lässt, trittst ihm in den Hintern und bestrafst ihn mit Sexentzug. Auf Augenhöhe scheint ihr euch so gut wie gar nicht mehr zu begegnen, es geht irgendwie nur noch darum, wer gerade "oben" ist.

Respekt und Achtung sind übrigens das Zauberwort. Wenn man möchte, dass DER ANDERE sich in der Beziehung wohl fühlt und BEIDE Seiten dies denken, dann ist die Beziehung wunderbar. Wenn man möchte, dass man sich selbst in der Beziehung wohlfühlt, ist schnell ein Kampf da und es werden Erwartungen wach, die nicht erfüllt werden.

Du siehst...ich könnte ein ganzes Buch schreiben.

Mein Tipp für dich wäre, dich mal mit einem Familienberater zu unterhalten. Familientherapeuten gibt es eigentlich in jeder Stadt, wenn sie nicht gerade ein Dorf ist...einfach mal Google anschmeißen und nach jemandem suchen. Hingehen (erst einmal du alleine) und eine Erstberatung mitmachen. Es wäre von beiden Seiten sehr viel Arbeit und viel Verständnis nötig, um die Fronten aufzuweichen - die Erfolgsquote ist zwar nicht riesig, dass es klappt, aber es KANN klappen.

Ihr müsstet wieder mehr Ebenen finden, die euch gleichwertig machen, auf denen ihr euch in die Augen schaut und nicht auf den Anderen herab. Ihr seid beides Menschen mit Fehlern und Schwächen...aber die gilt es mit zu lieben und sanft zu helfen...und nicht so abzustrafen.

Aber vorher musst du dir echt überlegen, was genau du möchtest. Und wenn du es weißt, dann zieh es durch.

Ich wünsche dir viel Erfolg, Isabell! Dass dir das für dich Beste geschehen möge!

Dana