Problem von Anonym - 16 Jahre

Alles zu viel.

Hallo, ich weiß es gibt deutlich "schlimmere" Probleme als die meine, aber ich würde sie trotzdem gerne einmal loswerden.

Schön früher als ich jünger war, war ich sehr sensibel und umso älter ich geworden bin, auch immer labiler. Ich hatte damals eine Therapie, weil ich mich sehr zurückgezogen hatte. Im Grunde genommen hatte ich psychische Probleme, welche vom Arzt prognostiziert wurden. Reden konnte ich noch nie gut, nicht mit meinen Eltern, nicht mit meinem Psychologen und geschweige denn mit fremden Personen. Ich fraß so ziemlich immer alles in mich rein, weshalb ich mich jetzt mal an dieses Forum gewendet habe. Nun ja, ich habe mich damals dann trotzdem aufgerappelt, allerdings vorallem durch eine Freundin, bzw. eigentlich meine beste Freundin. Wir kennen uns seid ca. 5 Jahren, jedoch hatten wir nie wirklich Kontakt, bis wir uns mit 13 Jahren ungefähr besser kennengelernt haben. Ich habe in ihr damals meine Hoffnung gesehen und sie hat mir aus dem ganzen rausgeholfen und ich hab auch recht gutes Selbstbewusstsein aufgebaut, mit ihrer Hilfe. Wir waren quasi ein Herz und eine Seele, sie war die einzige Person mit der ich wirklich offen über alles geredet habe. Naja, aufjedenfall hat sich bei mir, was Sachen Selbstvertrauen, Reden usw. angeht, einiges verändert, allerdings denke ich auch, das liegt natürlich auch ein wenig daran das ich älter geworden bin. Jedoch hat sich an meiner Labilität und meiner Sensibilität nicht wirklich was verändert, aber vielleicht ist das einfach angeboren. Ich nehm mir einfach viel zu viel zu Herzen, zerbreche mir über so verdammt viele Sachen den Kopf und weinen, ja schwieriges Thema, das tue ich sehr, sehr oft.
Nun aber zu meinem momentanen, eigentlichen Problem. Wir beide sind in einer zehnten Klasse eines Gymnasiums, was wirklich sehr viele nerven kostet. Alle Gymnasiasten wissen wie das ist, Leistungskurse hier und da, Lernen, Vorbereitung und teilweise echt wenig Freizeit. Ich steck das Schulische teilweise ganz in Ordnung weg, was bei meiner besten Freundin jedoch anders ist. Sie denkt das sie nach dem Halbjahr die Schule abbricht und somit einen erweiterten Realschulabschluss hat und eine Ausbildung anfängt. Ja, da ist es mein Problem, wir wohnen nicht im selben Ort und die Schule war die Mitte unserer Dörfer. Ich hatte im Grunde genommen schon immer Zukunftsangst, jedoch habe ich so verdammt Shiss, das ich sie verliere, meine momentane einzige Stütze. Allgemein haben wir uns in letzter Zeit immer ein wenig weiter auseinander gelebt, was ich jedoch ungern wahr haben möchte. Sie hat in ihrem Dorf ihre Freunde mit denen sie natürlich auch was unternimmt, ist ja auch alles in Ordnung, aber irgendwie hab ich das Gefühl sie vernachlässigt mich momentan so sehr. Wir telefonieren auch nur noch sehr selten und ich will einfach nicht das unsere Freundschaft kaputt geht, weil sie in meinem Leben so einen großen Stellenwert hat, einfach weil sie mir damals aus der Patsche geholfen hat. Ich weiß, es klingt naiv, weil ich weiß, menschen ändern sich, Freunde kommen und gehen, man muss loslassen usw., jedoch ist dies bei so persönlich wichtigen Personen leichter gesagt als getan.

Jetzt liege ich wieder hier, labil, alles in mich reinfressend, viele Klausuren vor mir, auf welche ich mich überhaupt nicht vorbereiten kann, weil zu viel in meinem Kopf ist und unschlüssig was die Zukunft bringt.

Eigenlich habe ich nur Angst, verdammt große Angst. Ich sag jetzt schon mal danke für eine Antwort.

JuliaG Anwort von JuliaG

Hallo liebe Unbekannte!

Als ich deinen Text las, habe ich mich sehr mit dir verbunden gefühlt. Ich gehöre ebenfalls zu den sensiblen Menschen, die über viele Dinge grübeln können und auch schnell mal weinen. Ich kann deine Gedankengänge daher gut nachvollziehen und möchte dir sagen: Du bist nicht allein damit! Es gibt weitaus mehr Menschen, die sensibel und "labil" sind, als man vielleicht denkt.

Glaube mir, du musst dich nicht klein machen. Sensibel zu sein, hat viele Vorteile. So handeln die meisten sensiblen Menschen oft "aus dem Bauch heraus" und wissen intuitiv, wie sie eine angenehme zwischenmenschliche Atmosphäre schaffen können. Sie sind gute Zuhörer, können für verschiedene Sichtweisen Verständnis aufbringen und sich ein Gesamtbild von einer Situation machen. Vielleicht hast du auch schon unter Beweis stellen können, wie gut du Verantwortung übernehmen kannst? Dies sind nur einige Stärken des Sensibel-seins. Es gibt da noch weitaus mehrere. ;)

Du machst auf mich einen sehr rücksichtsvollen Eindruck - das möchte ich dir positiv anmerken. Ich kann mir gut vorstellen, dass du an eine Sache sehr bedacht heran gehst und vorher überlegst, was zu tun ist. Das bringst du von Natur aus bereits mit, was andere Menschen erst mühevoll z.B. in einem Seminar erlernen müssen. Weiterhin scheinst du sehr mitfühlend zu sein, weswegen du andere vielleicht nicht so gerne mit deinen Sorgen "belasten" möchtest. Du hast schon recht, wenn du sagst, dass es "deutlich schlimmere Probleme gibt", aber deswegen sind deine doch nicht unwichtiger, liebe Unbekannte. Jedes Problem ist es wert, angehört zu werden und sei es "nur": Wie kann ich meine Eltern zu einem Haustier überreden?

Sich selbst zu akzeptieren, ist wohl der schwierigste Weg eines Menschen. Wir lernen unser ganzes Leben ständig neu dazu und erleben viele Rückschläge - vor allem, was unser Selbstvertrauen angeht. Manchmal schaffen wir es aus eigener Kraft, aber es ist auch keine Schande, die Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen. Umso mehr freue ich mich, dass du den Schritt gewagt hast und uns geschrieben hast!

Es ist jetzt nur noch wichtig, dass du am Ball bleibst und dich weiterhin anvertraust - vor allem bei deinem persönlichen Umfeld, wzB. deinen Eltern. Glaube mir, niemand wird dir den Kopf abreißen, wenn dich etwas bedrückt, denn du wirst so geliebt, wie du bist. Wie du bereits gemerkt hast, ist das "Reinfressen" definitiv keine Lösung auf Dauer. Je weniger du andere an deinen Sorgen teil haben lässt, desto negativer wirkt sich das auf deine Psyche und irgendwann auch auf deinen Körper aus.

Ich habe die Erfahrung bemacht, dass sensible Menschen einfach nur etwas mehr Zuspruch brauchen als andere, da sie gerade zu im Hagel von äußeren Einflüssen stehen. Um all das zu verarbeiten, bietet es sich an, dass du dich mit deinem Umfeld unterhältst. Wozu? Damit du einen Ausgleich schaffen kannst und ein Ventil öffnest, um angestaute Gedanken und Gefühle frei zu lassen. Überlege einfach mal ganz in Ruhe, wer sich hierzu am besten eignet - zu wem hast du ein gutes Verhältnis? Ich bin mir ganz sicher, dass es da jemanden gibt. Und zur Not kannst du dich auch ganz anonym bei der Telefonseelsorge anvertrauen: 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 (Anruf ist kostenfrei). Manchmal hilft es schon, die Gedanken und Erfahrungen aufzuschreiben, die man am Tag gemacht hat. Am effizientesten ist es jedoch mit einer vertrauenswürdigen Person zu sprechen.


Und nun auch von meiner Seite zu deinem eigentlichen Problem:
Du schreibst, dass du Angst hast deine beste Freundin zu verlieren. Das ist natürlich sehr besorgniserregend, zumal in deinem Text auch deutlich wurde, dass ihr aufgrund der Schule immer weniger Zeit füreinander habt und du nun schon das Gefühl hast, dass ihr euch auseinander lebt. Falls sie sich entscheidet, die Schule nach der 10. Klasse zu verlassen, ist das leider nicht zu ändern, so schmerzlich das ist. Überlegt gemeinsam, wie ihr in dieser Zeit Kontakt halten könnt. Vielleicht lässt sich ein festgelegter Tag in der Woche einrichten, an dem nur ihr zwei euch seht und etwas schönes unternehmt? So kannst du dir in Zukunft sicher sein, dass der Kontakt nicht verloren geht.

Das könnt ihr auch jetzt bereits machen. Am besten ist es, sich an einem ruhigen Platz zu treffen und einmal in Ruhe miteinander zu sprechen. Ich denke, dass sie dich nicht mit Absicht vernachlässigt. Vielleicht ist sie sich dessen nicht einmal bewusst? Daher bietet es sich an, dass ihr zwei einmal miteinander darüber redet und du sie darüber aufklärst. Das wird dich sicher viel Überwindung kosten, aber verliere nicht den Mut! Wenn einfach nur die Zeit verstreicht und Ungesagtes auch unausgesprochen bleibt, wird sich das Problem leider nicht lösen. Ich bin mir sicher, dass du das Thema einfühlsam ansprechen kannst, ohne dass es nach einem Vorwurf klingt. Versuche es mit Formulierungen wie: "Ich mache mir zur Zeit große Sorgen, dass wir uns aus den Augen verlieren." oder: "Findest du, dass wir in letzter Zeit viel seltener etwas gemeinsam unternehmen?"

Vielleicht kannst du ihr auch einen Vorschlag machen, indem ihr zusammen für die Klausuren lernt. Das hätte den Vorteil, dass ihr wieder mehr Zeit miteinander verbringt und für die Schule lernt. Möglicherweise kannst du deiner Freundin sogar helfen. Dadurch würden sich auch ihre Noten verbessern und vielleicht überlegt sie es sich mit dem Realschulabschluss auch noch einmal.

Was ich dir abschließend noch gerne raten möchte: Erweitere deinen Bekannten- und Freundeskreis! Deine Freundin geht da als gutes Beispiel voran. In dem Dorf, wo sie lebt, kennt sie noch andere Leute, mit denen sie etwas unternimmt. Und trotzdem bist und bleibst DU ihre beste Freundin! Ich denke, dass sie dir nicht böse ist, wenn du es ihr gleich tust - sonst würdet ihr wohl kaum schon so lange durch dick und dünn gehen. ;)

Durch neue Bekanntschaften erweiterst du deinen Horizont, kannst auf einen größeren Kreis zurück greifen, wenn du mal Hilfe benötigst und vielleicht schöpfst wieder neue Kraft für dein Selbstvertrauen! Ich weiß: Aller Anfang ist immer schwer. Aber wenn du erst einmal Kontakt zu jemandem finden konntest, wird es dir sicher gelingen, diesen zu vertiefen! Höre dich also einfach mal um, wo du in deiner Region neue Kontakte knüpfen kannst. Gibt es ein Hobby, welches du in deiner Freizeit mit anderen betreibst? Wenn nicht, könntest du einmal überlegen, wo deine persönlichen Interessen liegen und ob du diese beispielsweise in einem Verein ausleben kannst.


Liebe Unbekannte, ich hoffe sehr, dass ich dir ein wenig neue Kraft geben konnte. Ich bin mir sicher, dass du es schaffen wirst, dich mitzuteilen - schließlich hast du es hier bei uns auch schon geschafft! Ich glaube an dich. Alles Gute für die Zukunft!

Mit lieben Grüßen

Julia