Problem von Alexandra - 24 Jahre

Fernbeziehung - keiner will weg

Hallo, mein Freund & ich (beide 24) führen beide seit fast 3 Jahren eine Fernbeziehung. Wir sehen uns jedes Wochenende. Anfangs wollte ich diese Beziehung nicht eingehen, da ich wusste, dass ich keine Fernbeziehung emotional aushalten kann. Meine Angst wurde genommen, indem von meinem Freund versichert wurde, dass er auf jeden Fall in meine Stadt ziehen wird. Jetzt heißt es auf einmal, dass er das nicht gesagt habe. Er würde schon wollen, doch er habe zu viel Angst vor einem Arbeitswechsel. Gemeinsam in einer neuen Stadt anfangen möchte er auch nicht. Indirekt erwartet er, dass ich in seine Stadt ziehe. Diese gefällt mir allerdings Oberhaupt nicht und ich habe weniger Chancen eine mir angepasste Arbeit zu finden. Was soll ich tun? Was soll ich denken? Ich wünsche mir eine gemeinsame Wohnung. Ein gemeinsames Leben. Ich will in nächster Zeit ein Kind und ihn auch heiraten. Ich liebe ihn so sehr. Er will es auch, aber nur wenn ich zu ihm ziehe. Was soll ich davon halten? Ich bin so wütend und traurig und würde ihn am liebsten verprügeln :( ich wollte das doch nie so. Er wusste es von Anfang an. Ich kann keine Fernbeziehung mehr aushalten.. Bitte helfen Sie mir...

MichaelaS Anwort von MichaelaS

Liebe Alexandra,

ich kann gut verstehen, dass die momentane Situation sehr aufwühlend für dich ist. Auch, wenn dein Freund es bestimmt nicht so meint, entsteht durch sein Verhalten für dich ja vielleicht trotzdem ein Gefühl, als würde er dich vor die Wahl stellen: "Entweder du ziehst zu mir oder du musst mit deinen Träumen noch warten".

Die Entscheidung, wo man leben möchte, ist nicht immer leicht - gerade in einer Beziehung, in der zwei Menschen zusammenkommen und oft beide sehr unterschiedliche Vorstellungen haben, was ihren zukünftigen Wohnort betrifft. Manche wollen ins Ausland, andere wollen auf keinen Fall weg von ihrer Heimat, wieder andere stellen sich eine ganz bestimmte Stadt vor.
Wichtig ist, dass man sich in einer Beziehung auf etwas einigen kann, womit beide glücklich werden können, ohne dass einer der Partner unter der Wohnsituation leiden muss. Es ist also wichtig, dass ihr diese Entscheidung gemeinsam trefft.

Der erste Schritt, den ich dir empfehlen möchte, ist zu versuchen, die Situation auch aus Sicht deines Freundes zu sehen.
Ich kann deine Trauer und Enttäuschung gut verstehen, wenn du fix damit gerechnet hast, dass er zu dir ziehen wird (weil er das gesagt hat) und er dieses vermeintliche Versprechen nun nicht einhalten möchte. Ich möchte dir aber auch den Ratschlag geben, dir bewusst machen, dass man eine Wohnentscheidung nicht so einfach treffen kann. Im Vorhinein, wenn die Situation noch nicht real ist, kann man oft sehr schwer sagen, wie man sich entscheiden wird und wie man sich mit jener oder dieser Entscheidung fühlen wird. Es kann also sein, dass dein Freund dir gerne versprechen wollte, zu dir zu ziehen, jetzt habe das Gefühl hat, mit dieser Entscheidung nicht glücklich werden zu können. Das ist zwar eine große Enttäuschung für dich, aber es ist auch gut, wenn er diese Gedanken klar ausspricht, anstatt etwas zu tun, das er sich jetzt, da das Thema Umzug real geworden ist, doch nicht so recht vorstellen kann.

Versuch trotz deiner Trauer und deines Ärgers einmal zu verstehen, wie es deinem Freund mit dieser Situation gehen muss. Wie du schreibst, hat er in seinem jetzigen Wohnort eine Arbeit. Vielleicht macht ihm diese besonders Spaß und er wäre sehr traurig, wenn er sie aufgeben müsste? Oder er mag den Ort, in dem er wohnt, einfach sehr gerne und es fällt ihm schwer, von dort wegzugehen?
Alles sind berechtigte Gefühle und Gedanken, denn du hast ja ebenso deine Gefühle und Gedanken, was eure Wohnsituation betrifft. Du solltest also ebenso auf das eingehen, was er im Moment fühlt und darüber denkt, und nicht nur auf das schauen, was er vor 3 Jahren zu dir gesagt hat.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist aber auch, deinem Freund klar zu machen, dass ihr diese Entscheidung auf jeden Fall gemeinsam treffen müsst. Er kann nicht von dir erwarten, all deine Wohnvorstellungen aufzugeben, nur weil er seine nicht noch einmal überdenken möchte.
Es ist also wichtig, dass ihr euch gegenseitig zuhört und gemeinsam herausfindet, was eure Optionen sind.
Versucht doch einmal eine Liste aufzustellen, die festhält, welche Wünsche/Anforderungen jeder von euch an eine zukünftige Wohnsituation hat. Schreibt auf, was jeder von euch sich wünscht und womit er/sie am glücklichsten wäre. Mögliche Punkte auf dieser Liste wären: "Ich möchte meinen Job nicht aufgeben müssen", "Ich möchte nahe zu meiner Heimat wohnen", "Ich möchte in einem Ort arbeiten, in dem ich gute Jobchancen habe", etc.
Auf Basis dieser Liste könnt ihr dann abwägen, welche Wohnort-Optionen ihr habt, die für euch beide die Bedürfnisse, die ihr aufgeschrieben habt, erfüllen.
Vielleicht gibt es ja einen Ort, den du schön findest und von wo aus dein Freund seine alte Arbeitsstelle immer noch erreichen kann?

Versucht abzuwägen, welche Kompromisse ihr schließen könnt, bei welchen Punkten ihr zurückstecken könnt und bei welchen nicht, und kommt euch so gegenseitig entgegen. Dabei solltest du deinem Freund offen sagen, dass es dir wichtig ist, nicht nur eine einzelne Option zu haben (nämlich zu ihm ziehen), sondern gemeinsam mehrere Alternativen zu besprechen. Dadurch bekommst du auch viel mehr das Gefühl, dass dein Freund bereit ist, dir entgegenzukommen und auch deine Wünsche zu berücksichtigen. Das kann schon sehr viel wert sein! Ich selbst kann zumindest aus eigener Erfahrung sagen, dass man viel eher bereit ist, selbst Kompromisse einzugehen, wenn man auch merkt, dass der andere bereit ist, entgegenzukommen. Keiner fühlt sich gern in eine Entscheidung gedrängt, die er/sie eigentlich gar nicht möchte. Bzw. möchte keiner derjenige sein, der alle eigenen Wünsche für den anderen aufgeben muss.
Eure Entscheidung solltet ihr also gemeinsam treffen, einander zuhören und dabei beide Seiten und Wünsche berücksichtigen - sowohl deine als auch seine.

Ich wünsche dir alles Gute, Alexandra, und hoffe, dass ihr eine gemeinsame Lösung finden könnt!

Alles Liebe,
Michaela