Problem von Elmas - 15 Jahre

Islam, glaube,...

Hallo,
ich weiß nicht ob ich hier richtig bin jedoch hoffe ich auf antworten die mir helfen, denn ich bin echt in Kummer geraten.
Es ist so ich bin Türkin meine Eltern stammen beide aus der Türkei ich wurde in Deutschland geboren. Natürlich sind wir Moslems. Mein Problem ist das ich einmal mich selbst befriedigt hatte und nun es manchmal immer noch tue. Ich will es aber nicht mehr machen. Ich möchte mich meinem glauben Annähern um vielleicht aus dieser Zeit raus zu kommen. Vielleicht sogar das allah mir irgendwann meine Sünden verzeiht.
Ich hatte vor kurzem einen jungen kennen gelernt der 4 Jahre älter War als ich. Er selber War sehr gläubig und so dachte ich das er der richtige wäre als mein erster fester freund. Das erste mal als wir uns bei ihm getroffen haben hat er angefangen mich zu küssen und zu berühren... ich kam mir hab vergewaltigt vor. Ich hab an ihn meinen ersten Kuss verschwendet,den ich eigentlich mit meinem zukünftigem mann haben wollte. Seitdem hat er sich nie gemeldet.
ich fühle mich irgendwie benutzt und weggeworfen. Wir hatten zwar keinen Geschlechtsverkehr jedoch fällt es mir jetzt sehr schwer Männern zu vertrauen, weil ich Angst habe das so was wieder passiert.
ich habe mir halt seitdem Gedanken über die Welt, gott und alles mögliche gemacht. Oft hatte ich den Gedanken Kopftuch Trägerin zu werden, weil so etwas diesen Mädchen nicht passiert. Es ist schwer zu erklären jedoch meine frage ist: würde mir allah meine Sünden verzeihen wenn ich aufrichtig zu ihm beten würde? Kennt ihr Bücher die mir helfen mich dem glauben zu nähern? (Auf der suche nach sich selbst habe ich schon gelesen)Denkt ihr als
Kopftuch Trägerin würde ich mich besser fühlen? Ich hoffe, dass mir jemand helfen kann.
Mit freundlichen grüßen Elmas

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Elmas,

ich danke dir für dein Vertrauen in uns, und ich werde versuchen, eine angemessene Antwort zu finden. Vorneweg musst du wissen: Obwohl auch ich mich als gläubig bezeichnen würde - wenn auch nicht buchstäblich - so bin ich doch Christ, und das mag eine gewisse Distanz schaffen. Ich respektiere alle Religionen, und die häufigen Vorurteile über den Islam bedeuten für mich nichts. Trotzdem hoffe ich, mich nicht an irgendeiner Stelle für dich unpassend auszudrücken, was deine Religion betrifft. Falls es doch geschieht, tut es mir sehr leid.

Dass du im Grunde gläubige Muslima bist, geht aus deinem Text eindeutig hervor. Das ist eine gute Sache, da der Glaube eine große Kraftquelle darstellen kann. Jedoch muss man auch immer Acht geben: Es kann - so ist jedenfalls meine Meinung - nicht der Wunsch Gottes sein, dass der Glaube an ihn uns peinigt und Angst macht. Ich möchte dich auf keinen Fall dazu bringen, von deinem Glauben abzugehen. Und ich kann mich auch nicht äußern, was dir als Gläubige erlaubt ist und was nicht - was Küssen, Berühren und so weiter angeht. Die Moralvorstellungen des Christentums sind kaum weniger streng; allerdings hat es sich im Laufe der Zeit ergeben, dass sehr viele Menschen das Vertrauen in die Kirche verloren haben, und der Wunsch, jungfräulich in die Ehe zu gehen, wird oft belächelt. Ich bewundere dich - du wirst deinem zukünftigen Ehemann damit ein großes Geschenk machen. Und es ist in jeder Hinsicht gut, sich genau zu überlegen, wie weit man gehen will, und wann und von wem man geküsst sein möchte. Dafür gebührt dir ein Lob - aber ich bitte dich auch: Hab Vertrauen, dass Gott weiß, was du denkst und welchen Anspruch du hast. Wenn du das, was dir mit deinem Freund passiert ist, als Sünde betrachtest, so ist sie dir mit Sicherheit vergeben: Denn du hast erkannt, dass es sich für dich nicht gut angefühlt hat, und dass du in Zukunft umso mehr aufpassen willst.

Nur kommt jetzt das große Aber: Was da vorgefallen ist, ging ja schließlich von dem Jungen aus, oder nicht? Wieso sollte es deshalb deine Schuld sein, warum eine Sünde deinerseits? Vielleicht wäre es günstig gewesen, ihm ausdrücklich zu sagen, dass du es nicht willst - von Anfang an. Aber das kann man dir nicht vorwerfen, Elmas. Denn du hast dich vergewissert, dass er selbst religiös ist, und konntest daher nicht damit rechnen, dass er das tun würde. Ich würde es übrigens auch einem christlichen deutschen Jungen ankreiden, wenn er gegen den Willen seiner Freundin das täte. Denn schön und gut ist es nur, wenn beide einverstanden sind. Du allerdings hattest ja wirklich Vorsorge getroffen, dass nichts geschehen konnte, was nicht in deinem Sinne war. Dass er dich dennoch küssen wollte, woher solltest du das wissen? Es ist in Ordnung. Du hast dir nichts vorzuwerfen. Ich bin kein Geistlicher und kein Muslim, und ich schreibe überdies "Gott" und nicht "Allah". Es erfüllt mich mit Respekt, jemanden so selbstverständlich den Namen nennen zu sehen; und wenn er heute fällt, da ist er leider oft mit Nachrichten über Mord und Gewalt verbunden. Doch wenn ich nicht irre, beten wir zum selben Gott - und dieser Gott ist ein guter Gott. Und er kann gewiss zwischen bewusster und unerwarteter Schuld unterscheiden. Wenn du das für Schuld hältst. Denn du warst weit davon entfernt, deine Jungfräulichkeit zu verlieren. Und du hast dir sehr viele Gedanken gemacht - schon mehr, als dir wirklich gut tun. Ich weiß nicht, ob ich dich von deiner Angst erlösen kann. Ich kann dir nur erzählen, was ich für vernünftig halte, wenn man ein religiöser Mensch ist: Sich auch immer wieder mal zur Ordnung zu rufen. Der Glaube gibt einem viele Pflichten auf, darunter auch die, seine Arbeit oder Schule gewissenhaft zu versehen, für seine Mitmenschen da zu sein, und sich um die eigene Gesundheit zu bemühen. Wenn du dich mit Ängsten quälst, ob dir eine Sünde verziehen werde, die - meiner Meinung nach! - gar keine sein kann, dann macht es dich auf gewisse Weise krank. Und dadurch wirst du gehindert, das zu tun, was wirklich von Bedeutung ist. Ist das nicht viel schlimmer, als einen Fehler zu begehen, und ihn sogleich zu bereuen?

Das Gebet ist ein gutes Mittel, dein Gewissen zu erleichtern, und dein ganzes Leben bewusster wahrzunehmen. Bete gerne, wann immer du das Bedürfnis hast - und zweifle nicht, dass dein Gebet gehört wurde. Auch in meiner Religion gilt, dass der Mensch, der aufrichtig bereut, frei von Schuld ist. Andererseits kann man nicht "vorsorglich" beten und dann eine Sünde begehen, das wäre unehrlich. Außerdem - aber das ist meine persönliche Einschätzung: Was nützt es dir, bei jeder Gelegenheit zu beten, wenn du nicht jedes Mal mit dem Herzen dabei sein kannst? Auch die vorgeschriebenen Gebete sollten am besten offenen Herzens verrichtet werden, denn Gott spürt, wenn du dich ihm nur aus Pflichtgefühl und Furcht näherst, statt aus ehrlicher Dankbarkeit, mit einem echten Anliegen. Horche auch hier in dich hinein: Möchte ich das? Ist in mir der Wunsch wach, mich im Gebet Gott mitzuteilen? Oder glaube ich, dass Gott zornig sein wird, wenn ich nicht bete - ohne dass ich eigentlich bereit bin? Jede Handlung, die im Sinne Gottes und zum Wohl der Menschen getan wird, hat den Wert eines Gebetes. Und umgekehrt ist jedes Gebet, das nur aus äußerlichem Druck und lebloser Gewohnheit gesprochen wird, ohne großen Nutzen - am wenigsten für dich selbst. Denn Beten ist eine viel zu ernste Angelegenheit, um leichtfertig getan zu werden. Und es ist auch nur der erste Schritt: Folgen sollte die Überlegung, was du verändern möchtest - was dir helfen könnte, alte Fehler nicht zu wiederholen. Die Antwort auf diese Frage kannst du nur bei dir selbst finden; und gleich, wie inbrünstig du betest, du wirst doch allein dadurch kein Problem aus der Welt schaffen. Veränderung setzt an, wo das Gebet beendet ist - gestärkt durch die Kraft, die man daraus gewinnt, ja.

Zu der Selbstbefriedigung muss ich sagen: Was der Islam vorschreibt oder erlaubt, weiß ich nicht. Auch bei uns Christen war Selbstbefriedigung lange verpönt. Man hat viele Schauergeschichten darüber erzählt. Zum Beispiel, dass ein Mensch dadurch unheilbar krank würde. Doch all diese Legenden über Selbstbefriedigung sind genau das: Quatsch, Märchen, Behauptungen, die nicht zutreffen. Zudem schreibt die Bibel nicht vor, dass man es nicht tun soll. Wenn es in deiner Religion ein Gebot gibt, dass es dir eindeutig untersagt, musst du dich entscheiden. Ich möchte dir dazu folgenden Gedanken mitgeben: Du hast dich entschieden, auf den Richtigen zu warten, und dann nur ihm zu gehören. Er wird das Privileg haben, der Erste und Einzige bei dir zu sein. Mit ihm wirst du intim werden, möchtest vielleicht Kinder haben. Was, wenn dieser Mann gar nicht weiß, wie ihr euren Geschlechtsverkehr genießen könnt? Womöglich hat er selbst noch gar keine Erfahrung. Wenn ihr eure Körper gegenseitig kennen und es genießen wollt, miteinander zu schlafen, ist es von Vorteil, wenn du seine Hände führen kannst. Ihm zeigen kannst, was dir gefällt, und wie du berührt werden möchtest. Ich weiß nicht, welche Gründe dagegen sprechen sollten, dich selbst zu befriedigen. Denn damit verfällst du nicht der Sünde, sondern bereitest dich im Gegenteil darauf vor, ein gutes Eheleben zu führen. Wie gesagt, die Entscheidung liegt bei dir. Ich kann wohl nicht gegen einen Satz aus einer Heiligen Schrift an, das mag sein. Worum es mir geht, ist, dir die Angst zu nehmen. Und vielleicht kann ich das ja ein wenig.

In der Tat ist es ja nicht leicht, heute jung zu sein: Nackte Körper sind überall präsent. Man wird unter heftigen Druck gesetzt, Geschlechtsverkehr zu haben. Und daneben sind viele Dinge, die zu Zeiten Jesu und Mohammeds noch als Verbrechen galten, heute von öffentlichem Interesse, sind ganz normal: Dazu gehört auch die Selbstbefriedigung. Du hast dir ein großes Ziel gesteckt, dich aufzubewahren - vielleicht ist es aber so, dass dir diese größere Aufgabe leichter fällt, wenn du in einem kleineren Punkt abweichst. Gewiss, "Allah ist mit den Standhaften", steht geschrieben. Aber steht nicht ungleich öfter, dass Gott verzeihend ist? Ich muss es dir überlassen. All dies sind nur Gedanken aus der Sicht eines Menschen, Paul, der für sich entschieden hat, dass Religion gut ist - aber nur, wenn sie dich stärkt. Und ich kenne viele gläubige Christen, denen ihr Glaube zwar viel bedeutet und nützt, die aber unter der Last der Forderungen, die sie erfüllen möchten, beinahe zusammen brechen. Was steht höher im Wert: Ein barmherziger Mensch zu sein, der seine Grenzen kennt, und sich zugesteht, auch Fehler zu machen? Und damit auch sich selbst einen Dienst erweist? Oder ein Mensch zu sein, der nur beschäftigt ist, kein Gebot zu übertreten - und darüber fast keine Möglichkeit mehr findet, am Leben teilzuhaben? Der für die, die seine Hilfe brauchen, keine Kraft mehr hat? Weil er sich jeden Genuss versagt, der ihn wieder aufrichten könnte?

Ob es eine Hilfe sein könnte, ein Kopftuch zu tragen - auch das kann ich als Christ und Mann schwer beantworten. An dieser Stelle hast du mir - und unseren Mitlesern - einen überraschenden und deutlichen Einblick gewährt, was das Kopftuch bedeutet, um das so viel gestritten wird, und welchen Sinn es für die Trägerinnen hat. Dafür danke ich dir. Du hast Recht: Es wäre rein äußerlich ein mächtiges Zeichen, dass du nicht zu haben bist - von deinem zukünftigen Ehemann abgesehen. Doch täusche dich auch nicht: Weder wird das Kopftuch dich hundertprozentig davor beschützen, Opfer einer Vergewaltigung zu werden - das kannst du nie wissen. (Gebe Gott, dass es nicht geschieht!) Noch kann es, obwohl es ein klares Symbol deiner Hinwendung zum Glauben ist, dir genau das verschaffen: Festen, beständigen Glauben, der dir Kraft spendet. Das Kopftuch ist nicht ohne Grund in die Welt gekommen, du selbst hast diesen Grund benannt - und wenn ich mich nicht täusche, tut dies auch der Koran. Wenn du das Gefühl hast, durch das Kopftuch deinem Glauben Ausdruck verleihen zu wollen, dann tu es. Aber mit dem Kleidungsstück wird er sich nicht automatisch einstellen. Da ist es wichtiger, dass du dich traust, Jungs klar deine Meinung zu sagen, ihre plumpe Anmache zurückzuweisen. Selbstbewusstsein und Geistesgegenwart sind auf jeden Fall ein besserer Schutz als ein Kopftuch, so wenig ich es auch grundsätzlich in Frage stellen möchte. Und ich habe den Eindruck, dass es für dich notwendig sein könnte, etwas überzeugter von dir selbst zu sein: Was, wenn du ab morgen ein Kopftuch trägst - und in deinem nächsten Freund täuschst du dich noch viel mehr? (Was du nie wissen kannst!) Hier wären wir wieder beim ersten Thema: Nicht du bist schuld, wenn ein Mann seine Grenzen nicht kennt, sondern nur er allein. Das Kopftuch drückt zwar aus, dass der Körper einer Frau etwas Besonderes und Heiliges ist. Dann jedoch muss eine Frau, die dennoch Opfer wird, auch den Schutz der Gesellschaft in Anspruch nehmen können, die es ihr vorschreibt. Wenn eine Frau, die Kopftuchträgerin ist, sexuelle Gewalt erfährt, kann man ihr das noch weniger vorwerfen, als wenn sie es nicht tragen würde. Das gilt auch für die Frau selbst - in diesem Fall wärst du das. Ob du dich in Stoff oder Eisen hüllst - es sind die Männer, die die Dummheiten machen. Das ist so, und in diesem Punkt bin ich unnachgiebig.

An Büchern habe ich neulich das Buch "Fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen" gelesen. Es enthält sehr kluge Gedanken, worauf man im Leben wert legen sollte - und auch die Frage nach Prinzipien, nach der Religion, spielt eine Rolle. Es ist eben so, dass bei allem Bemühen, sich an die Religion zu halten, der Mensch nicht vergessen werden darf. Und in eben jenem Buch findet sich eine Szene, in der die Autorin am Bett eines alten Herrn sitzt, der im Begriff ist, seine letzten Atemzüge zu tun. Ein junger Mann kommt hinzu, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Bewohnern des Seniorenheims aus der Bibel vorzulesen - man darf davon ausgehen, dass er äußerst gläubig ist. Und während er, übrigens nicht zum ersten Mal, am Bett sitzt und völlig mechanisch den Text liest, verstirbt der alte Mann. (Es muss sehr aufwühlend sein, den Tod eines Menschen mitzuerleben!) Wer also wird beschämt und tief beeindruckt sein, über dieses erschütternde Erlebnis? Er ist es, der sich so sicher fühlte in seinem Glauben. Und so beschert dir auch das Leben immer wieder Momente, in denen du dich entscheiden musst: Tue ich jetzt das, was irgendwo vorgeschrieben ist - oder handle ich nach dem Bedürfnis des Augenblicks, was vielleicht in vieler Hinsicht nützlich ist? Gott wird dein Herz ansehen, Elmas - er prüft nicht, wo deine Finger gewesen sind, und auch nicht jede Haarsträhne, die irgendwo sichtbar ist. Wenn deine Hand nie an einem Mitmenschen schuldig geworden ist, und dein Kopf keinen Hass gegen Andere ausgebrütet hat, wird dies genügen. Immer.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul