Problem von Anonym - 20 Jahre

Verzweifelt...

Hallo liebes Kummerkasten-Team.
Normal ist das nicht meine Art mich an den Kummerkasten zu wenden, doch ich weiß einfach nicht mehr weiter.
Ich bin mit meinem Freund jetzt 4,5 Jahre zusammen, meiner Meinung nach auch glücklich, aber ich habe ihn jetzt schon des öfteren dabei erwischt, dass er sich auf Escortseiten rumtreibt und auch fast täglich mit solchen Damen telefoniert. Treffen hat aber glaubich noch keines stattgefunden, da mir bestätigt wurde, dass er immer auf der Arbeit war und auch immer pünktlich zuhause war. Anfang des Jahres hatte ich ihn auf frischer Tat ertappt, als die seite in seinem Handy noch offen war und ich war kurz vor der Trennung, habe mich aber dann doch wieder überreden lassen und er hat mir versprochen das nicht mehr zu machen, doch leider geht das Theater von vorne los. Wir sind derzeit auf Haus suche bzw. spielen mit den Gedanken selber zu bauen. Auf der einen Seite liebe ich ihn und er hat mich ja nicht betrogen, aber das ist vilt nur eine Frage der Zeit. Auf der anderen Seite kann ich so nicht weiter machen. Der gedanke dass er wieder mit einer telefoniert oder nach einer sucht sobald er sein handy in der hat hat, ist einfach da.
Die letzten 2 Jahre ist er meiner Meinung nach "handysüchtig" geworden. Er kommt jeden tag mit einem leeren Akku nach hause, früher hat er nur alle 2-3 Tage das Handy geladen. Reden bringt leider nichts. Er löscht immer seinen Verlauf im Handy damit ich nichts mitbekomme bzw. streitet er alles ab oder es kommt der Kommentar dass ich halt schluss machen soll. Ich würde ihm so gerne Vertrauen, doch ich kann es nicht.
Ich kann einfach nicht mehr.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

du hast zu Recht bemerkt: Bisher hat er dich ja noch nicht betrogen. Trotzdem hast du, denke ich, ein Recht, solche Ängste zu haben. Wenn er das zurückweist, obwohl ihr doch Pläne für eine gemeinsame Zukunft schmiedet, wie soll es dann auf lange Sicht werden?

Ich kann dir nicht sagen, ob es besser wäre, dich von ihm zu trennen. Wenn du aber durch Reden nicht an ihn herankommst, wie groß siehst du die Chance, dass er sein Problem selbst angeht? Da ist zum Einen die massive Beschäftigung mit dem Handy, zum Anderen der Gedanke, er könnte es benutzen, um eine andere Frau zu treffen. Ich weiß jetzt nicht, ob der öfter aufzuladende Akku allein Beweis sein kann, dass er süchtig ist. Sollte es so sein, wirst du das wahrscheinlich auch anderweitig merken: Ist er häufig mit dem Handy beschäftigt, wenn er mit dir allein im Raum ist? Könnt ihr noch miteinander reden, essen, kuscheln, ohne dass es hervorgeholt wird? Im Ganzen: Bringt er dir noch die Aufmerksamkeit entgegen, die du dir wünschst? Die eigentlich angemessen wäre, da du die Frau bist, mit der er sich dauerhaft ein Nest bauen möchte?

Es scheint, als ob er deiner Befürchtung überdrüssig ist, er könnte dich hintergehen. Das ist die denkbar schlechteste Art, mit ihr umzugehen, aber er sieht es leider nicht so. Und so, wie du mittlerweile auf deine Angst (die zurzeit ja nicht zwingend begründet sein muss) eingeschlossen bist, so steigert er sich vielleicht in wütendes Beharren auf sein "Ich mach doch gar nichts!" Wenn du ihn also nicht erreichen kannst, braucht er womöglich das Von-dir-getrennt-sein als Erfahrung, um "bekehrt" zu werden. Da du ihn liebst, ist es vielleicht vorschnell, einfach die Zelte abzubrechen; wobei er, obgleich deine Angst ein Stück weit irrational sein mag, sich einfach nicht mehr so um dich kümmert. Und das tut doch weh. Ganz egal, ob du befürchten musst, betrogen zu werden, oder nicht. Eure beiden Haltungen schenken sich nichts: Er geht aus lauter Trotz noch weniger auf dich ein, was dich nur in deinen Gedanken bestärkt. Und je unsicherer du dich fühlst, desto mehr verrät es dein ganzes Verhalten, und er reagiert genervt. Hier ist jetzt der Punkt, wo wir spätestens aufhorchen müssen: Ob der Anlass jetzt unbedeutend war, spielt weniger eine Rolle - als dass er nicht merkt, wie er dir fremd wird, du ihm nicht mehr traust. Zwar mag er sich denken, sie geht mir einfach auf den Keks, wenn ich jetzt schwach werde, hört sie nie damit auf. Das kann man sogar ein bisschen nachvollziehen. Gleichzeitig wird, selbst wenn du deine Angst morgen abstreifen kannst, irgendetwas zerstört bleiben. Denn auch wenn es dir demnächst besser ginge, hättest du gesehen, wie wenig es für ihn zählt, die Frau, die seine Zukunft bedeuten soll, von seiner Liebe und Treue zu überzeugen. Woher deine Angst kam, wie berechtigt sie je war, ist nicht der Kern der Frage, die du dir stellen musst: Vielmehr, wie erhält das Gefühl seine Nahrung? Wie geht er damit um? Wie sehr ist er bereit, auf dich einzugehen, dir Trost zu bieten? Es sind einfache Schritte, die er ergreifen müsste, um die Lage für dich zu beruhigen. Er wird sein Handy nicht so viel brauchen. Ihm wird kein Zacken aus der Krone fallen, dich mal in den Arm zu nehmen, und dir Beruhigung zuzusprechen, auch wegen der Sache damals, oder? Aber das geschieht alles nicht. Und gleich wie die Ursache ist, jetzt oder in Zukunft: Genau das würdest du dir doch wünschen von dem Mann, mit dem du ein Haus kaufst oder baust? Dieser Punkt ist es, von dem aus du überlegen musst, ob das Sinn macht. Seine Eskapaden sind zum Prüfstein für eure Beziehung geworden, zum Gradmesser seines Ernstes und seiner Liebe. In diesem Sinne hatten sie etwas Positives. Denn so kannst du die Frage klarer beantworten als vorher: Liegt er weit genug oben auf der Skala?

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul