Problem von Lena - 18 Jahre

Vater verstorben, seit dem läuft alles aus den Fugen!

Hallo,
Ich schreibe hier im Versuch etwas los zu werden, das ich anders bisher noch nicht geschafft habe loszuwerden. Vor 6 Monaten ist mein Vater nach einer langen und qualvollen Krebsgeschichte verstorben. Ich war noch sehr jung als die ersten gesundheitlichen Probleme bei ihm auftraten, die ich immer wieder versuchte runterzuschlucken da ich nicht damit klar kam. Zu meiner Mutter hatte ich seit ich mich erinnern kann kein gutes Verhältniss. Als ich klein war schlug sie mich und machte mir verbal immer wieder zu verstehen wie wenig wert ich doch wäre. Zudem habe ich fünf Geschwister, die alle aber sehr viel älter sind als ich, weshalb ich mich selten an sie wende. Das Verhältnis ist auch nur bei zwei meiner Schwestern wirklich gut. Ich habe einen lieben Freund, der mich in allen Lebenswegen unterstützt, doch selbst mit ihm kann ich nicht ganz offen über all meine Gedanken reden. Warum weiß ich nicht mal genau. Ich denke es liegt daran dass meine Eltern mir nie beigebracht haben wie man über Gefühle redet. Wie auch immer: Während der Krankheitsgeschichte meines Vaters ging es mir nie sonderlich gut. Ich war oft traurig aber warf nie die Hoffnung für ihn über Bord. Mein Vater war für mich alles. Er hat mir vieles beigebracht und war für mich da, anders als meine Mutter. Ich war auch kein Wunschkind, was mich meine Mutter heute noch oft spüren lässt. Papa war für mich immer eine große Hilfe im Streit mit meiner Mutter, da er es immer geschafft hat zwischen mir und meiner Mutter zu schlichten. Doch jetzt wo Papa weg ist, komme ich nicht mehr klar. Ich weine mich seit seinen Todestag sehr oft in den Schlaf, kriege manchmal vor Tränen keine Luft mehr. Ich fühle mich dann als würde mein Körper in tausend kleine Teile zerbrechen. Auch mit Mama ist es seit dem natürlich schlimmer geworden, aber dazu später mehr.
Ich komme mit den Veränderungen nicht klar. Wir mussten aus Geld Gründen in eine kleinereWohnung ziehen, da nun das Einkommen meines Vaters fehlt. Da es eine Dachgeschosswohnung ist mussten wir jetzt unseren Hund weg geben, da er die Treppen nach zig Übungen immer noch nicht hinaufsteigen wollte. Der Hund bedeutete Papa sehr viel und mir lag deshalb verdammt viel daran ihn zu behalten. Er war irgendwie immer mein Seelentröster, den ich nun auch nicht mehr habe. Das Verhältnis zu meiner Mutter wird Tag für Tag schlechter da wir jetzt eng auf eng leben, doch eine eigene Wohnung kann ich mir nicht leisten, da ich noch zur Schule gehe. Habe mich auch schon wegen geldlicher Hilfe für mich umgehört, doch immer wieder hieß es das es nicht möglich wäre. Meine Mutter hat seit dem Tod meines Vaters auch immer mehr Geld Probleme. Ihr Gehalt reicht vorne und hinten nicht, weil sie auch nicht mit dem Geld umgehen kann. Umsehen nach einem Job, wo sie ganztags arbeitet, will sie aber auch nicht, da sie das wegen ihrer Psyche nicht kann. Denn seit Papas Tod muss sie schnellstens in Behandlung, da sie psychisch krank geworden ist. Sie kommt mit dem Verlust genauso wenig klar, ist mit einfachen alltäglichen Dingen komplett überfordert. Dann lässt sie alles an mir aus, schreit mich an, will mich schlagen und sagt mir dass ich dumm bin, nichts wert bin. Sie ist unglaublich undankbar, sagt zu nichts und niemanden Danke. Nicht mal jetzt wo meine Geschwister und ich ihr so viel wie möglich unter den Arm greifen. Im Gegenteil: Sie hat noch was dran auszusetzen oder meckert rum dass man nicht genug helfen würde, dabei ist immer jemand vor Ort. Aber das alles scheint wegen ihrer Psyche zu sein. Bis sie in Behandlung gehen kann, dauert es noch lange, da vorher einige geldliche Dinge geregelt werden müssen. Ich habe letzten Winter meinen Führerschein angefangen, den ich immer noch nicht beenden konnte, da ich zwischenzeitlich wegen meines Vaters keinen Kopf zum Lernen für die Theorieprüfung hatte. Nun habe ich das Lernen wieder aufgegriffen und wollte mich zur Prüfung anmelden, als das nächste Problem aufkam: Im Septemper fahre ich auf Studienfahrt, bei der ich unter jeden Umständen mit muss, da aus der Fahrt mein Abschlussprojekt hervorgeht, das ich für meine Endprüfung benötige, damit ich gut abschneide und studieren kann. Am Anfang hat meine Mutter noch gesagt sie könnte das in monatlichen Raten an meine Lehrerin überweisen, da ich meine 200€ Halbwaisenrente für meinen Führerschein brauche, den ich abbezahlen muss. Geschieht das bis Oktober nicht, dann darf ich alle bisherigen Zahlungen nochmal tätigen damit ich meinen Führerschein weiter machen kann. Jetzt habe ich allerdings vor ein paar Woche erfahren dass meine Mutter das geldlich gar nicht tragen kann, weshalb ich ein riesen Streit mir ihr hatte, wieso sie das nicht gleich gesagt hat, damit man sich um Hilfe beim Amt kümmern kann. Ihr war es wohl unangenehm. Nach dem Streit beantragte Sie Zuschuss bei der AGE und stellte einen Antrag damit Sie eventuell die Fahrt übernehmen. Doch gestern kam nun die Absage da wir 200 € zu viel Geld verdienen würden und deshalb alles selbst finanzieren müssen. Diese 200€ sind allerdings meine Rente, die ich für meine Zukunft brauche und die sie mit anrechnen. Zu meinem Übel ist jetzt auch noch mein Handy und mein eigener Laptop den ich für die Schule benötige und alle wichtigen Unterlagen drauf waren, kaputt gegangen. Die Kosten erhöhen sich immer mehr und ich weiß einfach nicht was ich tun soll. Ich kann die Klassenfahrt nicht selbst bezahlen, da ich mich sosnt bei meiner Fahrschule verschulde und meine Mutter will jetzt wegen mir ins Sol gehen. Bei dem Gedanken fühle ich mich allerdings nicht wohl. Ich bin einfach total überfordert mit allem. Weiß nicht mehr wo mein Kopf steht, kapsel mich von der Außenwelt ab, weine zu viel, lache zu wenig, habe keine hobbys mehr und nichts mehr das mir Spaß macht. Ich bin oft müde auch wenn ich mal viel schlafe, leide unter Kopfschmerzen, unter Schlafproblemen, Albträumen, Angstzustände und Verlustangst. Ich träume oft davon wie ich geliebte Menschen verliere. Bekomme Angst dass mich mein Freund verlässt weil ich so oft traurig bin, weshalb ich nun vor ihm versuche stark zu wirken und alle Sorgen runterzuschlucken. Über die Geldprobleme kann ich gar nicht mit ihm reden weil mir das unfassbar peinlich ist. Seine Familie hat sehr viel Geld und ich habe Angst wie er darauf reagiert. Meine Familie bricht außerdem immer weiter auseinander wegen meiner Mutter. Sie vergrault alle und zwei meiner Geschwister haben schon den Kontakt abgebrochen. Mein großer Bruder hat meiner Mutter viel Geld geliehen, was er jetzt versucht von meinem nicht vorhandenen Geld irgendwie wieder zu ergattern, indem er mir ein schlechtes Gewissen macht. Außerdem heißt es ständig von meinen Geschwistern dass ich Mama mehr unter die Arme greifen soll, das machen soll und dies und zu faul wäre. Ich bekomme von allen Seiten der Familie nur Kritik weil ich die Einzige bin die noch zuhause wohnt und die anderen sich zurückziehen weil sie selbst nicht mit Mama klarkommen aber ich muss das natürlich können. Wenns nach ihnen gehen würde müsste ich acht Arme haben. Ich kann einfach nicht mehr und bin komplett am Ende. Manchmal mache ich mir selber Angst indem ich nur in meinem Zimmer sitze und die Decke anstarre. Ich fühle mich leer. Und manchmal da gibt es diese Momente, in denen ich sogar über Selbstmord nachdenke, damit ich all das hinter mir habe und wieder bei meinem Vater bin.
Tut mir leid dass das jetzt so furchtbar viel geworden ist, es lag mir einfach eine Menge auf dem Herzen.

Danke im Vorraus!

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Lena,

es ist mehr als verständlich, dass dir all das über den Kopf wächst. Und das leider schon seit geraumer Zeit, ohne dass dir jemand von uns geantwortet hätte. Ich habe die Antwort für Bernd übernommen, da er gerade wenig Zeit hat, und hoffe, dass sie dich erreicht, ohne dass dir etwas zugestoßen ist.

Du hast einen Kreislauf beschrieben, der sich immer enger dreht, und an dem du schließlich zerbrechen könntest - da gebe ich dir Recht. Je mehr von dir verlangt wird, je mehr die Kosten ansteigen, die Vorwürfe und Ansprüche, die dich treffen, desto mehr versuchst du, nach außen stark zu wirken - und merkst selbst, dass es immer weniger funktioniert. Auch heute, nachdem deine Zuschrift schon eine Weile zurück liegt, kann ich dich trotzdem nur bitten: Tu dir nichts an - es ist das einzig Gute und Gerechte, wenn du am Leben bleibst. Auch dir könnte eine Therapie auf lange Sicht vielleicht helfen, aber im Augenblick würde das zeitlich wahrscheinlich kaum gehen. Vor den inneren Belastungen, der Tod deines Vaters, der Verlust deines Haustiers, die ungerechten Vorwürfe deiner Familie, die Psyche und die Launen deiner Mutter, vor all dem sollte etwas gegen die Kosten und Schulden unternommen werden, die sich immer weiter anhäufen. Dafür solltest du jemanden zu Rate ziehen, der sich auskennt, dir Wege aus diesem Engpass weisen kann - ob dies eine Schuldenberatung ist, ob du das Jugendamt zu Rate ziehst, oder dich an eine Beratungsstelle der Gemeinde, der Kirche wendest: Letztlich wirst du nicht umhin kommen, einzugestehen, dass du es nicht tragen kannst, und jemanden bräuchtest, der dir unter die Arme greift. Du bist mit einer Verantwortung beladen, die du eigentlich kaum tragen kannst und auch nicht müsstest, wenn man bedenkt, dass du noch zur Schule gehst, und deine Mutter erwiesenermaßen psychisch labil ist.

Im Übrigen ist der erste Schritt zur Besserung einer, den du bereits getan hast: Zu erkennen, dass es dir schlecht geht, dich der Druck immer weiter einengt. Ich sage nochmal, ohne Hilfe von außen wird es nicht gehen; ansonsten wäre es gut, wenn du dir einen Ausgleich schaffst. Dich sportlich betätigst, oder versuchst, zu bestimmten Zeiten auf jeden Fall außer Haus und für dich zu sein, um die Art deiner Mutter nicht ertragen zu müssen. Ich kann schwer einordnen, wieweit das, was du in deiner Kindheit erlebt hast, schon durch ihre jetzigen psychischen Probleme bedingt war; in jedem Fall wird niemand dir vorwerfen, dass du mit ihrem Verhalten überfordert bist. Ich kann mir vorstellen, dass durch das, was du dir von ihr anhören musst, beständig Erinnerungen aus früherer Zeit aufgewühlt werden, die dich eigentlich verleiten könnten, auch ihr einmal Vorhaltungen zu machen - jedoch darfst du nicht. Das ist sicher schwer zu ertragen. Und doch ist es der falsche Weg, unbedingt stark sein zu wollen, wenn es immer weiter an dir zehrt. Du kannst dir nur Ruhe verschaffen, wenn du einmal umfassend die Parole ausgibst: Ich KANN das nicht. Ich bin noch jung, ich gehe zur Schule, ich habe den Wunsch und das Recht. mich um mich und meine Zukunft zu kümmern; ich habe weder jetzt noch in absehbarer Zeit Geld, um euch das zu geben, was ihr unserer MUTTER (muss man von der eigentlich Geld zurückfordern, wenn sie es brauchte und man es entbehren kann?!) gegeben habt. Ich habe Kosten zu tragen, die existenziell sind, ich habe mich mit den Problemen nicht nur meiner selbst, sondern auch ihren übernommen. Der Ausdruck davon ist es zum Einen, dass du dir Rechtsinformation und Beratung suchst, zum Anderen ist es wohl - auch, wenn es schwer fällt, und womöglich nicht verstanden wird - deinen Geschwistern deine Lage klar zu machen. Ob sie dich unterstützen wollen oder werden, weiß man nicht; worum es hier geht, ist, dass du nicht mehr mit unerfüllbaren Ansprüchen gequält wirst. Denn euer aller Mutter ist... euer aller Mutter. Und lass dir nicht einreden, dass du als die jüngste, die nichts in der Hand hat und am wenigsten für alles aufkommen kann, deine Zukunft aus der Hand geben musst, um irgendwie das Ganze abzufangen. Es geht nicht, es ist auch nichts Rechtes. Fühl dich im Recht - das ist der Anfang, um etwas zu lösen.

Ich kann auch verstehen, dass es dir schwer fällt, mit deinem Freund über alles zu sprechen. Es verlangt ja auch keiner von dir, dass du ihn anpumpst. Andererseits muss es eure Beziehung auf Dauer belasten, wenn du so völlig - was ja verständlich ist - neben dir stehst. Er ist mit der Erste, vor dem du die wirklichen Zustände verschleiern möchtest - passt das damit zusammen, dass ihr euch liebt? Wenn dich etwas stolz machen darf, dann, was du bis jetzt alles geleistet, geschafft und ertragen hast - jedoch ist Stolz auch ein schlechter Ratgeber, wenn es um das Äußerste geht. Denk daran: Nur wenn du dir erlaubst, schwach zu sein, wirst du darauf aufmerksam machen, dass du an der Grenze bist; nur wenn du das tust, wirst du etwas bewegen. Und je lauter du rufst, desto besser sind im Grunde deine Chancen. Lass dir nicht einreden, dass du jetzt für irgendetwas Rechenschaft ablegen, den Wünschen von irgendjemand genügen musst, wo es weder möglich noch gerecht ist, dass all das auf deinen Schultern lastet; denn Menschen sind manchmal kurzsichtig, auch die Liebsten. Nur wenn du sie merken lässt, was auf dir liegt, kannst du diese Last auch abschütteln. Und dass beides gelingt, das wünsche ich dir sehr.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul