Problem von Fine - 16 Jahre

Mein Vater

Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Mutter und meinen beiden Geschwistern, deswegen traue ich mich nie zu sagen, dass es mir schlecht geht wegen meinem Vater, da sie sagen würden: "Der kann dir doch egal sein, du hast trotzdem uns."

Das stimmt ja auch, aber ich kann trotzdem nicht aufhören daran zu danken, dass mein Vater nie mehr ein Papa für mich sein wird, und es nie war.

Mein Papa ist ein Narzisst, er hat mein Selbstbewusstsein genommen mit seinen erniedrigenden Sprüchen, er hat mich psychisch verwundet mit Unüberlegten Äußerungen. Aber eines Tages habe ich ihm all das vergeben, vor einem Jahr (Ich war 15) und ich war auf einem Internat im Ausland. Dort habe ich eine sehr innige Beziehung zu ihm aufgebaut, habe ihm meine ganzen Geheimnisse anvertraut. Ich habe mit ihm geskypt und von SEHR geheimen und privaten Dingen berichtet. Dabei ging es um Dinge die ich sonst keinem erzählt habe, aber ihm, um seinen Rat zu bekommen. Eigentlich hat er nie darauf hilfreich geantwortet, er hörte immer nur zu. Mein Papa tut immer sooooo lieb, er redet dann mit einer sanften Stimme und verhält sich wie ein unglaublich netter Mensch, doch eigentlich versteckt er sich nur hinter dieser Fassade. Jedenfalls vertraute ich ihm alles an. Eines Tages bekam ich eine anonyme Facebook Nachricht von einer anonymen Frau, die mir plötzlich meine ganzen Geheimnisse erzählte. Ich dachte? Wer ist das? Dann hatte sie mir Aufnahmen gezeigt, die mein Vater von mir bei Skype machte. Er hat mich dabei gefilmt. Ich wusste nicht wer die Frau war. Sie wusste alles. Über mich, über ihn, über uns. Es wurde immer schlimmer, sie schickte mir private Bilder von seinem Apartment und Kindheitsbilder von mir. Dann klärte sie mich endlich auf: Mein Vater hatte die Frau auf einer Sexseite im Internet getroffen. Er schickte ihr und unzähligen anderen Frauen die Aufnahmen von mir, erzählte von uns Kindern und schickte Bilder von meinem Gesicht etc. (Ich habe gemodelt). Angeblich hat mein Vater so das Vertrauen unzähliger Frauen gewonnen, um sie zum Sex zu verführen. Ich bekam einen äußerlich grausamen Link zu seinem Online-Profil, wo ich leider sah: Alles was sie mir sagte, stimmte. Sie tat das wohl um sich an ihm zu rächen, dass er sie nicht mehr kontaktierte. Natürlich sprach ich sofort meinen Vater darauf an. Er redete sich heraus und versuchte so gut wie möglich selber aus der Sache zu kommen. Das wichtigste war ihm jedoch, dass seine Freundin und der andere kleine Sohn (5) nichts erfahren. Er hat es mir unmöglich gemacht sauer auf ihn zu sein, machte auf Mitleid und meinte "Keiner liebt ihn und bla bla." Jedenfalls MUSSTE ich ihm jetzt vergeben. Immer wenn ich meiner Mama, meinem Bruder (18) oder meiner Sis (24) jetzt mit einer Depri Stimmung komme, sagen sie "Wieso kümmert es dich? Wir wussten eh dass er ein Arsch ist, lass es einfach ruhen...". Doch seid diesem Vertrauensbruch bin ich noch pessimistischer, vertraue keinem mehr und glaube eh schon lange nicht mehr an mich. Mein Vater hat schon so viel andere schlimme Dinge gebracht, und jetzt schrieb er mir eben: Freu mich auf morgen, dann bekommst du dein Geburtstagsgeschenk. ICH will nichts von ihm, aber habe iwie ein schlechtes Gewissen und auch Mitleid. Das macht mich alles so fertig.... :( Danke fürs Lesen, FINE.

Nuala Anwort von Nuala

Hallo Fine!

Ich habe ganz schön geschluckt, als ich gelesen habe, was dein Vater getan hat. Ich kenne die typischen Geschichten, dass (junge) Leute ihrem Partner Nacktbilder schicken und diese nach der Trennung veröffentlich werden und all das, was schon schlimm genug ist. Aber dass ein Vater sein eigenes Kind derart ausliefert, ist ein starkes Stück.

Es gibt immer wieder Menschen, egal ob im Beruf, im Freundeskreis oder in der Familie, die ihre Umwelt mehr oder weniger systematisch manipulieren. Genau das tut dein Vater. Er manipuliert dich, indem er dir ein schlechtes Gewissen macht, aber auch indem er dich nach seiner Liebe und Gunst hungern lässt und dir hin - und wieder einen Fetzen davon vor die Füße wirft (nachdem er dich miserabel und unwürdig behandelt hat!). Das ist sehr gefährlich!

Ich verstehe, dass du hin - und hergerissen bist. Da er nicht "irgendein Freund" oder "irgendein Kollege" ist, kann dein schlechtes Gewissen und dein Wunsch nach Harmonie und Liebserwiderung viel besser greifen. Schließlich erwartet man ja gemeinhin, dass ein Vater seine Tochter über alles liebt und sie beschützt und nicht verrät und benutzt!
Dein Kopf weiß es natürlich, er sagt dir, dass er deine Liebe und Aumerksamkeit nicht verdient hat, dass er menschlich versagt.
Ich weiß nicht, was bei deinem Vater nicht in Ordnung ist, aber nach deinen Schilderungen muss ich dir Recht geben: Du solltest dich von ihm fern halten, besser noch den Kontakt vollkommen beenden. Denn: Wenn du ihn zwar selten siehst und hörst, aber immer noch so oft, dass er auf dich Einfluss nehmen kann, wird er auch immer noch einen Fuß in der Tür haben. Er kann unterschwellig Macht ausüben und dich ungünstig beeinflussen. Dir beispielsweise wieder ein schlechtes Gewissen machen und deine Sehnsucht nach ihm als liebevollen Vater schüren.
Mit Erklärungen ihm gegenüber würde ich mich gar nicht aufhalten, genausowenig wie mit Versuchen, ihn zu verändern.
So wie ich die Sache einschätze, ist er insofern ein hoffunungsloser Fall, als ihm die Problemeinsicht und die Motivation, etwas an seinem Verhalten grundlegend zu verändern, fehlt.

Deine Geschwister scheinen einen anderen Weg zu wählen, damit umzugehen: Sie geben sich abgeklärt und schieben diesen hässslichen Brocken einfach weg, als ob das so einfach ginge. Sie merken vielleicht gar nicht, wie gut es dir tun würde, wenn sie dir einfach mal zuhören würden, ohne gleich etwas "befürchten zu müssen". Dieses unter - den - Teppich - Kehren ist eine sehr schlechte Strategie, auch wenn es oft getan wird, gerade in Familien.
Versuche doch mal, ihnen konkret zu sagen, dass du einfach nur mal deinen Kummer in einem Gespräch verarbeiten möchtest, ohne dass deine Mutter oder deine Geschwister irgend etwas machen müssen außer bei dir zu sein und aufmerksam zuzuhören.
Wenn ihr so ein gutes Verhältnis habt, ermuntere ich dich ausdrücklich, ihnen zu zeigen, wie schlecht es dir geht! Andere zu schonen, nur weil man Verprellung und Ablehnung fürchtet, ist keine gute Idee! Es geht ja auch nicht darum, dass du ihnen täglich etwas "vorjammerst", sondern darum, sich Beistand zu suchen in einer schweren Lebensphase. Und falls du deinem Vater wirklich dauerhaft den Rücken zukehren wirst, benötigst du diesen Rückhalt von deinen Lieben umso dringender! Das wäre übrigens auch ein guter Gesprächsanlass, dass du ihnen sagst, was du vorhast und sie dadurch mehr Verständnis aufbringen können. Denn ein Kontaktabbruch fällt oft schwer, besonders in solch familiären Verstrickungen.

Egal welche Richtung du gehen möchtest - also entweder Kontaktabbruch oder sporadischen Kontakt zu ihm halten - empfehle ich dir, eine Familienberatungsstelle aufzusuchen. Gerade weil du doch sehr unglücklich wirkst und von mangelndem Vertrauen in Andere schreibst, halte ich diesen Schritt für sinnvoll.
Wenn du das Kapitel "Vater" für dich befriedigend klären kannst und etwas Zeit vergangen ist, zeigt sich vermutlich eher, ob du tatsächlich noch weiterführende Hilfe benötigst, beispielsweise in Form einer Psychotherapie.

Sei bitte vorsichtig und höre auf deine inneren Alarmglocken, wenn es um deinen Vater geht!

Alles Liebe,
Nuala