Problem von Anonym - 15 Jahre

Ich habe meinen Freund gern, liebe ihn aber nicht...

Hallo liebes KuKa-Team! :)

Ich habe vor einiger Zeit bereits ein Mail an euch gesendet und habe daraufhin auch eine hilfreiche Antwort von Bernd zurückbekommen.
Ich wollte mich erstmal für diese bedanken.
Seit ein paar Monaten besuche ich einen Tanzkurs und irgendwie habe ich bald meinen "Sinn" im Tanzen gefunden. Ich fühle mich dabei so gut, dass es kaum noch Momente gibt, in denen mein Leben keinen Sinn macht. :))

Jedoch plagt mich zurzeit ein anderes "Problem".
Und zwar habe ich seit ca. drei Wochen einen Freund. Er ist gleich alt wie ich und ein richtig lieber Typ... Doch das Problem ist... Seit dem wir zusammen sind, habe ich irgendwie dieses Gefühl von "Verliebt-sein" verloren. Oder besser gesagt weiß ich nicht, ob es jemals RICHTIG da war.

Und ich fühle mich so schuldig und schlecht. Schließlich ist mein Freund so lieb!
Er überhäuft mich jeden Tag mit Komplimenten, macht mir immer wieder kleine Geschenke und gibt mir einfach das Gefühl, ich sei das tollste auf der Welt.
Und ich hab ihn ja auch richtig gern... Doch wenn wir uns küssen oder so, fühle ich nichts....
Er ist einfach wie ein Kumpel für mich und ich will ihn wirklich nicht die ganze Zeit "betrügen", indem ich ihn küsse oder noch schlimmer, sein "Ich liebe dich" erwidere (was mich jedes Mal total überfordert)

Und es wird noch schlimmer... Mein Freund hat seinen Eltern diese Woche von uns erzählt (die sind ziemlich streng) und jetzt ist das ganze richtig offiziell... :o

Was mach ich denn nur?! Ich fühle mich so unglaublich schuldig!
Ich würde mich wirklich wirklich sehr auf einen Rat von euch freuen,

Liebe Grüße,
ein verzweifelter Teenager

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

dass du im Tanzen eine Leidenschaft gefunden hast, die dein Leben mit Sinn erfüllt, freut mich und ist sicher auch in Bernds Sinne. Diesmal bin ich es, der dir antwortet - ich hoffe, dass das für dich okay ist.

Was dir gerade passiert, ist unangenehm, das glaube ich - aber du musst dich deshalb nicht schuldig fühlen. Es kommt vor, dass man im besten Willen mit jemand eine Beziehung eingeht, um dann zu merken, dass die Gefühle für den- oder diejenige bloß ein Strohfeuer waren. So wie ich dich verstehe, ist dein Freund eben auch jemand, der sich sehr "reinhängt" und um dich bemüht, was von dir natürlich eine entsprechende Reaktion verlangt. Es wäre auch kein Verbrechen, sich damit überfordert zu fühlen, selbst wenn du dir deiner Liebe zu ihm absolut sicher wärst. Dieses intensive, ich nenne es mal "sich vergöttern lassen" ist halt auch nicht jedermanns Sache. Auf Dauer ist es ja auch nicht zu halten; damit entweicht aus einer Beziehung auch die Spannung. In jedem Fall gibt es Gründe, warum einen sowas überfordern kann. Bei dir ist es so, dass dir einfach das Gefühl der Liebe fehlt. Jetzt wäre es völlig falsch, dir Vorwürfe zu machen (oder du dir selber), von wegen: "Warum hast du dann überhaupt zugelassen, dass ihr zusammen kommt?" Das ist Quark. Denn du sagst richtig: Er ist ein lieber, sehr einsatzbereiter Freund, was toll ist, aber eben nicht das, was absolut jede sich wünscht; du hast seine Qualitäten erkannt. Warum ihr ein Paar wurdet - ob er dich einfach fasziniert hat, ob es Sehnsucht war, vielleicht auch einfach der Wunsch, diesem lieben Jungen zu gefallen -, warum ihr ein Paar wurdet, müssen wir hier nicht ergründen. Was viel wichtiger ist: der jetzige Zustand ist für dich nicht haltbar, weil du dich schuldig fühlst und ihn nicht in einer Illusion lassen willst. Das zeugt von Reife und Opferbereitschaft, spricht also für dich; du bist dir auch im Klaren, dass es für ihn nicht einfach wird. Trotzdem solltest du so fair sein, ihm reinen Wein einzuschenken. Denn auf Dauer wird es für dich womöglich unerträglich - und für ihn umso schlimmer, wenn er es herausfindet.

Der Fairness ihm gegenüber solltest du den Vorrang geben vor den Bedenken, die kommen. Was seine Eltern dazu sagen werden, ist erstmal unerheblich. Sie mögen streng sein, aber für ihn hat es ja keine negativen Konsequenzen, wenn du dich von ihm trennst. Weder sagt das etwas darüber aus, dass er bei der Auswahl seiner Partnerinnen verantwortungslos wäre, noch ist es ein Grund, dich zu beschuldigen. Möglicherweise werden sie etwas traurig oder enttäuscht sein, dass ihr Sohn verletzt wurde; das ist der übliche Fall. Jedoch werden alle Eltern früher oder später einsehen, dass es ja nur in ihrem Sinn ist, wenn ihr Kind jemanden findet, der ihn oder sie wirklich liebt. Dass das bei dir nicht so ist, dafür kannst du nichts. Es zeichnet dich eher aus, dass du es so rasch bemerkt hast und reagieren möchtest.

Du kannst jetzt mit der Tür ins Haus fallen, und dich direkt von ihm trennen - ich denke aber nicht, dass das dein Wunsch ist. Du möchtest ihm möglichst nicht weh tun. Leider wird es ganz ohne das nicht gehen. Du musst auch damit rechnen, dass es Tränen oder flehentliche Bitten geben wird, du mögest bleiben. In dieser Situation stark zu sein, ist das Wichtigste - denn sonst gibst du euch am Ende eine zweite Chance, die du gar nicht willst. Du musst dir deiner Sache also sicher sein. Wenn du die Möglichkeit siehst, vielleicht doch noch - oder wieder - mit ihm warm zu werden, kannst du ihn auch um eine Auszeit bitten. Das hat jedoch den Nachteil, dass es das Problem für dich nicht löst, sondern lediglich aufschiebt. Es wäre daher besser, ihm - am besten im direkten Gespräch - etwa Folgendes zu sagen: "Du, ich finde es richtig toll, wie du dich um mich kümmerst. Du machst mir Geschenke und Komplimente, man kann sich glücklich schätzen, dich als Freund zu haben. Trotzdem, ich habe gemerkt, dass ich keine Gefühle mehr für dich habe. Ich möchte nicht, dass du mit jemandem zusammen bist, der deine Aufmerksamkeiten nicht so würdigen kann, wie es richtig wäre." Es wäre gut, wenn es dir gelingt, deinen Wunsch nach Trennung mit der Aussage zu verbinden, dass es nicht an ihm und seinem Verhalten liegt; das Feuer ist schlicht und einfach erloschen, nie aufgekommen oder auf halbem Weg erstickt - wer weiß das schon. Du kannst es dir auch erlauben, dich nicht näher zu äußern, seit wann. Vielleicht wird er das wissen wollen - dann könntest du eher ausweichend antworten, und sagen: "Ich weiß nicht genau, ich habe jetzt schon eine Weile nachgedacht..." Werde lieber nicht zu präzise, wenn du diese Frage "Seit wann liebst du mich nicht mehr?" beantwortest. Denn je länger der fragliche Zeitraum ist, desto schwieriger wird es für ihn, sich klar zu machen, dass seine Mühe in dieser Zeit kein liebendes Herz gefunden hat. Wenn du es nicht unbedingt willst, musst du ihm auch nicht sagen, was du uns geschrieben hast: Dass du dir nicht sicher bist, ob du je richtig in ihn verliebt warst. Das muss er nicht erfahren, und es brächte ihm nur zusätzlichen Schmerz.

Wenn du Schluss machst, dann kannst du anmerken, dass es wohl besser wäre, sich jetzt erstmal nicht zu sprechen. Ich weiß nicht, ob du ihn anderswo - in der Schule, im Tanzkurs, bei sonstigen Hobbys - noch siehst. Falls ja, kannst du ihn weiterhin grüßen, ihm zulächeln, aber probiere, auf Distanz zu ihm zu bleiben. Wenigstens mal die nächste Zeit - ein paar Wochen bis ein oder zwei Monate. Er kann wissen, dass du ihn nicht schneiden willst, aber er soll auch merken, dass der Zug abgefahren ist. Denn in jede Geste von dir, in jedes Wort, wird er anfangs hineindeuten, dass es vielleicht noch eine Chance gibt. Wenn er dir schreibt, dich anruft, wäre es gut, das Ganze nicht mit ihm zu diskutieren, sondern ihm höflich, aber bestimmt zu sagen, dass es vorbei ist, und jedes Bereden erstmal nur zu größerem Schmerz führen muss. Das ist vielleicht noch schwerer als die Trennung selbst: Durchhalten, keine zweite Chance geben, wenn du nicht willst, ihn abweisen, wenn er dich davon überzeugen will. Aber es gehört dazu, es ist in deinem Interesse und in seinem. Wahrscheinlich kommt irgendwann die Zeit, wo er es eingesehen hat, und ihr wieder mit Abstand miteinander reden könnt; das kann aber eine Weile dauern, und wird für dich eventuell nicht leicht.

Ich wünsche dir die Kraft und den Mut, das durchzustehen - aber ich wünsche dir auch, dass du dir bewusst sein kannst, nichts falsch zu machen. Solche Sachen passieren, sie sind menschlich. Gib nichts darauf, wenn jemand dich deswegen als falsch oder gemein darstellen will. Auch er selbst wird von der ersten Phase der Trauer in eine Wut kommen, bevor sein Gefühl sich abkühlt, und die Heilung komplett ist; auch das ist eben so. Es hat nichts mit dir zu tun. Wer dich in deiner Situation nicht verstehen kann, hat nie so etwas erlebt. Und du hast nicht nur deutlich gemacht, was ihn auszeichnet, sondern hast auch die Ehrlichkeit zu dir selbst, dir zu sagen, dass es so nicht ideal ist. Das ist die beste Voraussetzung. Ich hoffe, du kannst aus dem Ganzen gestärkt hervorgehen, und dass du dein Hobby weiterverfolgen und dein Leben weiter so aktiv gestalten wirst!

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul