Problem von Anonym - 23 Jahre

Meine Psyche ist am Popo...

Meine probleme reißen einfach nicht ab... ich fang mal ganz von vorne an...ich hoffe ihr werdet durchsehen...

Es fing schon an als ich ganz klein war...im kindergarten / grundschule hat man ja als kind immer irgendwelche feste bzw auftritte wo eltern eingeladen sind. Meine kamen entweder zu spät oder gar nicht. Ich redete damals kaum..,die schüchternheit zog sich bis fast jetzt hin.
ich habe 3 halbgeschwister...sind für mich aber wie richtige geschwister da ich mit ihnen von anfang an zusammen lebte. Meine mutter hatte schon damals stimmungsschwankungen. Mit ca. 6 schlug sie mich das erste mal, zumindest konnte ich mich daran noch erinnern. Ich war bettnässerin. und jedes mal wenn ich ins bett machte knallte sie mir eine. irgendwann sagte ich nicht mehr bescheid und schlief nacht für nacht in meinem vollgepissten bett. Meine mutter betrog meinen vater als ich 8 war, er blieb bei ihr udn sie kauften sich ein haus. in der schule war ich anfangs noch gut. als ich ca. 10 wurde fing meine mutter an durchzudrehen. Sie begann mit den ersten selbstmordversuchen. klappte aber nie. sie lag im krankenhaus für eine bestimmte zeit. dann bekam sie einen schlaganfall und vergaß eine zeit lang wer ich war. bis heute kann sie meinen namen noch nicht schreiben aber von dem rest meiner familie schon. Meine mutter rastete oft aus und schmiss dinge um sich. brüllte ein an. hin und wieder schläge. man durfte nichts falsch machen. meine geschwister zogen aus als ich ca. 11 war. und dann ging erst alles richtig los. ich wurde nicht mehr wirklich beachtet. ich kam von der schule..machte meinem vater kaffee als er vom mittagschlaf aufwachte. ich wollte ihm immer von meinem tag berichten..und was kam als antwort? " geh in dein zimmer ich krieg kopfschmerzen wenn du redest" oder " geh ins zimmer ich versteh nichts vom tv" natürlich ging ich dann in mein zimmer. tag für tag verging. meine geburtstage wurden meistens vergessen. ich kam in die pubertät. meine halbschwester M. ( damals ca.20) kam oft zu besuch. Mein vater und sie blieben immer sehr lange wach. Ich dachte mir nichts dabei bis ich eines morgens den anrufbeantworter abhörte und da eine nachricht drauf war " Ich habe nacktbilder von andre in deiner wohnung gefunden) Das war der ex von M. Das heißt..Meine halbschwester hatte nacktbilder von ihrem stiefvater bzw meinem vater in ihrer wohnung. Der tag war für mich gelaufen aber verstehen konnte ich es nicht wirklich. Aber denken konnte ich es mir trotzdem . Irgendwann kam meine mutter nachts in mein zimmer gerannt und brüllte mich an, dass ich die polizei anrufen sollte weil M. und Andre gerade Sex hatten. Mein vater kam hinterher gerannt und zog sie aus meinem zimmer. noch heute kann ich ihre schreie hören. Meine halbschwester M. kam in mein zimmer. komplett besoffen und am heulen...ich saß einfach nur da und dachte mir...dass ich ja in 4 stunden wieder zur schule muss. Da ging ich auch hin...wurde gemobbt..und ging wieder nach hause. Ich fing an mich dunkel zu kleiden und zu schminken. Mir schossen die gedanken in den kopf, dass meine halbschwester und mein Vater eine affäre haben... meine mutter nur sterben will und dass ich irgendwie alleine bin. Ich fing an mich zu ritzen. immer mehr und mehr. alle sahen es...keiner sagte was. Meine mutter machte es mir nach. aber sie ritzte am bauch rum, worüber ich jetzt fast 10 jahre später noch schmunzeln muss weil es so dämlich ist. die zeit verging weiter. Mein alltag bestand nur noch aus schule...ins zimmer gehen...ritzen ...unterschrift fälschen bei schlechten noten...heulen..duschen..ins bett. tag für tag. Meine mutter wollte immer und immer wieder sterben. Wenn sie es versuchte...landete sie im krankenhaus. Mein vater nutzte diese chance und fuhr zu meiner halbschwester für ein bis 2 wochen. ich kam nach hause und da lag ein Zettel. " Bin bei M. für eine woche. Kühlschrank ist voll." Da war ich nun. allein in einem großen haus auf mich allein gestellt. ich hatte solche angst vor der dunkelheit. Manchmal..das klingt jetzt vllt total bescheuert aber da habe ich mich gefreut wenn meine mutter im krankenhaus war. denn manchmal blieb mein vater zuhause und er war wie ausgewechselt. Wir redeten zusammen, ich kochte und putze. wir lachten...wir spielten auf meinen konsolen. ich war da so verdammt glücklich. Aber leider hielt es nicht lange an. Ich entwickelte hass gegen meine mutter und M. Meine mutter saß einmal vor mir...und schluckte eine tablette nach der anderen. also eine überdosis. ich machte nichts dagegen. ich habe sie nicht aufgehalten. Da war ich ca. 13. selbst an weihnachten wollte sie sterben. Sie lief auch öfter weg. ( die eine vermissten anzeige von der polizei gibt es sogar noch im internet) an weihnachten mussten wir sie mal alle suchen gehen. welch ein spaß. einmal war sie stark unterzuckert. sie ging mit einer gabel auf mich los. fast wie in einem horrorfilm. ihr blick...so voller hass..,aber ich hasste sie noch mehr. weil sie damals meine babykatze mit absicht umgebracht hat. Naja mit 15 kam dann die nachricht, dass meine eltern sich scheiden lassen. ich hatte die wahl zwischen meinem vater der mit M, zusammen zieht oder meiner anderen halbschwester I. Natürlich ging ich zu meiner tollen halbschwester. Ich lernte meinen ersten freund kennen. Leider ging das nicht gut aus mit meiner halbnschwester. nach knapp einem jahr stellte sie mir das ultimatum, entweder betreutes wohnen oder zu meinem vater und M. ziehen. und ich zog zu meinem vater. zwischendurch bekam ich immer und immer wieder SMS dass meine mutter sterben will und dass sie mich hasst bla bla bla. Also ging es weg zu meinem vater. fast jede nacht konnte ich hören wie er mit meiner halbschwester sex hat. sie beschimpfte mich immer wieder wenn sie besoffen war. Mein freund verprügelte mich zwischenzeitig ab und zu was ich über mich ergehen lassen habe. denn das erste mal trotz der schläge spürte ich zuneigung in meinem leben. das war schön. leider hat er mich auch einmal vergewaltigt. ich habe geheult . seine antwort war damals nur dass ich darauf doch stehe gewürgt und missbraucht zu werden. mit 18 zog ich dann da weg in meine erste eigene wohnung. Ich fasste den mut und machte schluss mit meinem ersten freund. Ich ging aufs fachgym. und begann ein neues leben. dennoch ritzte ich mich weiter. dass mein vater mit meiner halbschwester zusammen war machte mcih einfach fertig. Denn er durfte mich nie besuchen. sie verbot es ihm. und wenn dann nur heimlich. sie nahm ihn mir weg. ich hasste sie so sehr. nach über 20 jahren fing mein vater wieder an zu trinken und was sagte meine halbschwester? Dass ich schuld bin dass er wieder angefangen hat zu trinken weil ich so eine enttäuschung bin. ich heulte und ritzte mich noch extremer. denn egal was mein vater getan hat oder noch tun wird. er ist mein ein und alles für mich. die zeit verstrich und ich lernte meinen zweiten freund kennen. er war so verdammt toll. meine erste richtige liebe. meine große liebe. wie auch meinen ersten freund , betrog ich auch meinen zweiten freund. ich weiß nicht wieso. ich weiß es wirklich nicht. aber erfahren haben es beide nie. Zwischenzeitig passierte auch so einiges. ich blieb sitzen, meine tolle halbschwester I. bekam krebs aber überlebte es zum glück, mein opa bekam einen herzinfakt... Immer wenn es mir mal gut ging...kam gleich wieder ein schlag ins gesicht. Aber dann kam endlich die tolle nachricht. Mein vater und meine halbschwester haben sich getrennt! der tollste tag in meinem leben. für ihn aber leider nicht. er leidete sehr. Er ´gab ihr alles...neue kleidung, essen, wohnung, geld , neue brüste. und ich? ich hatte nicht mal geld für neue schuhe. aber so ist das halt wenn man nur zur schule geht und auf den staat angewiesen ist. aber endlich hatte ich meinen vater wieder. Das nutzte er leider etwas aus. er machte mir geschenke..und wollte dass ich es sofort M. erzähle damit sie eifersüchtig wird. Aber langsam hatte ich ihn immer mehr für mich. Wir telefonierten öfter...inzwischen telefonieren wir fast jeden sonntag. und sehen uns ca. 3 mal im jahr. Meiner mutter schickt weiterhin nachrichten herum dass sie sterben will. einmal schrieb sie dass sie mit dem auto gegen einen baum fährt. und tat es sogar. aber natüüürlich überlebte sie. ich hasse sie. ich hasse M. ich hasse meinen halbbruder. Zu allen hab ich den kontakt seit jahren abgebrochen. Und wo steh ich jetzt? Praktisch allein...da ich es nicht schaffe auch nur zu irgendjemanden eine bindung aufzubauen. Ich bin so wütend auf alles und jeden. wie gerne würde ich wieder zur rasierklinge greifen. aber nein. das kann ich nicht tun. meine ärtzin sagt, wenn sie noch einmal neue schnitte sieht, komm ich in eine klinik. aber das will ich nicht denn ich kann meinen wuschelkater nicht alleine lassen. ich will keine menschen an mich heran lassen. ich will und kann es einfach nicht. früher oder später wird man doch eh wieder enttäuscht. Eigentlich ist mein größter wunsch dieses jahr weihnachten mit meiner familie zu verbringen...wie damals als ich 7 war. niemand hasste sich, niemand wollte sterben...aber nein. seit 8 jahren verbringe ich weihnachten ohne meine familie. jeder hasst jeden. Ich habe zwar noch meine großeltern aber die sind sehr anstrengend aber auch lieb. aber letztes mal als ich da war, waren sie ziemlich fies. Sie beleidigten mich auf einer tour , dass ich ziemlich fett geworden bin und dass ich nur Fachhochschulreife habe und kein richtiges abi..usw . sie haben mich sehr zum heulen gebracht. aber es tat auch irgendwie gut mal wieder zu heulen. am liebsten würde ich jetzt auch heulen aber ich kann es nicht. als mit meinem zweiten freund schluss war, habe ich auch nicht geheult denn ich stopfte mich sofort mit tabletten voll damit ich nichts empfinde. und ich weiß, auch morgen wenn ich wieder in die berufsschule gehe, werde ich müde sein. und hass empfinden und wütend sein. vielleicht brauche ich auch mal wieder richtig schlaf aber ich kann nicht. immer wenn ich schlafe, träume ich davon dass mein vater , halbschwester, kater etc gestorben ist und das auf eine qualvolle art. ode rich werde verfolgt oder ich versage. so gut wie jede nacht wache ich schweiß gebadet auf. manchmal habe ich einen flashback wo mir ganz plötzlich irgendetwas von damals einfällt was ich eigentlich verdrängt hatte wie zum beispiel dass meine mutter voller blut einmal im wohnzimmer stand. oder sie bewusstlos im bett lag und ich den rettungskräften zeigen musste was sie alles an medikamenten nimmt. ich habe verdammt große angst irgendwann selbst mal eine familie zu haben... denn ich habe angst wie meine mutter zu werden. eigentlich möchte ich doch nur wieder dieses gefühl von liebe verspüren. dieses in den arm genommen zu werden und zu hören , dass jemand für mich da ist. das erste mal dass mich jemand lieb hat hörte ich mit 16. ich durfte nicht mal meine jugendweihe feiern weil sie keinen cent dafür bezahlen wollten also musste ich meinen freunden dabei zugucken wie sie eine hatten. letztes jahr hatte ich das erste mal auch selbstmordgedanken weil mein vater sich an meinem geburtstag volllaufen lassen hat. und er beim vater tochter tanz nicht mit mir tanzen wollte. er gibt mir oft das gefühl dass ich ihm nicht wichtig bin. wenn ich ihm das sage dann meint er dass ich übertreibe also halte ich lieber meinen mund. irgendwie pack ich das schon alles ohne durchzudrehen.

Na gut. ich weiß, dass war jetzt nicht wirklich ein problem sondern eher meine vergangenheit. zumindest ein grober teil davon. danke fürs "zuhören".
Ihr macht wirklich eine super arbeit! Seid stolz auf euch!

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

du hast zwar noch keine Antwort auf deine Zuschrift von neulich bekommen - aber darf ich das, was du uns heute geschrieben hast, als Beweis werten, dass es dir geholfen hat, dich zu öffnen? Zunächst mal, um dich noch weiter zu öffnen? Denn das ist sehr gut. Es ist der erste Schritt zur Verbesserung, seine Probleme in Worte zu fassen und mitzuteilen.

Du möchtest, dass wir stolz auf uns sind - danke. Aber ich möchte noch mehr, dass du stolz auf dich bist. Denn du hast einen wichtigen Schritt getan, der nach allem, was dir widerfahren ist, wirklich nicht selbstverständlich ist. Klopf dir mal auf die Schulter!

Ich glaube nicht, dass irgendjemand sich nach deinem Text wundern wird, dass deine Psyche am Allerwertesten ist. Oder andersrum gefragt: Gab es eine Zeit, in der sie jemals halbwegs aufrecht stand? Deutlich oberhalb des Kellers war? Ich bewundere dich, dass du all das überstanden und geschafft hast. Es steht mir eigentlich nicht zu, über deine Familie zu urteilen. Aber ich darf wohl sagen, dass sie sich über dein Leben hinweg alles Andere als vorbildlich verhalten haben. Sondern häufig unreif, dir gegenüber lieblos und für sich selbst entwürdigend? Hast du Nestwärme mitbekommen? Hat dir jemand vermittelt, dass du toll bist, dass es einen Ort gibt, an den du kommen kannst? Ich habe nicht den Eindruck. Dabei wäre es so wichtig gewesen. Und das hast du ja selbst in Worte gefasst. Was dir fehlt, ist die Liebe, ist das "in den Arm genommen werden". Du hast es selbst festgestellt, nun kann es auch kommen. Wird es kommen. Und weil das so ist, kannst du mächtig stolz sein, all das zusammengefasst zu haben. Kannst du mächtig stolz sein, "nur" Fachabi zu haben. Du magst es nicht als Problem ansehen, was du geschrieben hast - es ist ja, damit hast du Recht, auch nicht das Problem in sich. Es ist eine Schilderung deines Lebens, in der, ich denke, jedes kleine Detail wichtig war. Diese Geschichte erklärt nämlich, was das Problem ist: Dass du tieftraurig bist und ohne Hoffnung, dass du das, was du verdienst und dir gewünscht hättest, nie bekommen hast. Aber du bist hier, und du bist am Leben. Und das ist das Wichtigste. Jetzt kann die Zukunft anfangen.

Ganz wichtig, und vergiss das bitte nicht: Was man dir bislang als Liebe verkauft hat, ist nicht das gewesen, was ich unter Liebe verstehe. Für dich mag das niederschmetternd sein, aber ich kann dir nicht ersparen, was ich denke: Dass ein Schwein wie dein Freund, der dich verprügelt, lügen muss, wenn er sagt, er liebe dich. Er hat dich nicht geliebt. Und bitte, bitte, begeh nicht den Fehler, zu denken, dass das Liebe wäre. Die wahre Liebe, die wartet deiner noch. Und gib dich in deinem ganzen langen Leben, das du noch vor dir hast, nicht mit Beschwichtigungen und Betrügereien zufrieden, belüge dich nicht selbst, weil jemand mit den Lippen etwas sagt, dass sein Herz nicht meint. Das gilt auch für deinen Vater. Wenn jemand dich liebt, muss er redlich sein - das heißt, muss er tun was er sagt, und seine Rede zu dem passen, was er tut. Bei deinem Freund war das erste nicht der Fall. Bei deinem Vater das zweite nicht, denn er hat dich zwar immer wieder mal in seinen Tag gelassen, aber oft genug auch abgewiesen, wenn du ihn gebraucht hättest. Das lässt sich in dieser Häufigkeit nicht entschuldigen, das nenne ich Egoismus. Und was hin und wieder, zwischendurch, aus schlechtem Gewissen von ihm kam, kann das nicht aufwiegen. Du musst, wenn du glücklich sein willst, eins lernen: Kompromisslos zu sein. Es bleibt im Leben nicht aus, dass man andere Menschen verletzt - so auch den eigenen Partner. Wie du ja selbst bereits erfahren hast. Das ist menschlich. Viel wichtiger ist es, dass man sich stets erinnert, was man will, und was man für Pflichten hat. Pflichten hat man gegenüber seinen Kindern, das ist wahr; man hat sie auch gegenüber seinen Eltern, wenn sie sich wie liebende Eltern verhalten. Und man hat sie auch gegenüber seinem Partner, wenn er sich wirklich so verhält, als liebe er einen. Aber diese zwei Sachen gehören eben immer zusammen. Andernfalls darfst du dich von keiner leeren Behauptung einlullen lassen.

Ich schreibe das hier zum ersten Mal so, weil ich das Bedürfnis danach habe: Wenn du magst, darfst du dich von mir in den Arm genommen fühlen. Lass mich dir einmal aufzählen, was du alles aus eigener Kraft geschafft hast: Du bist ausgezogen und machst eine Ausbildung, du wirst irgendwann auf eigenen Beinen stehen. Du bist in ärztlicher Behandlung, und du hast auch erkannt, dass du von deiner Familie (auch von deinem Vater) nicht wirklich viel zu erwarten hast. All das sind beträchtliche Leistungen. Ich muss dir gestehen, ich weiß nicht, ob es dir gut tut, weiterhin zu irgendjemand aus deiner Familie Kontakt zu haben. Zwar hast du ihn zu den Meisten schon abgebrochen, wenn ich das richtig verstanden habe. Speziell bei deinem Vater wundert es mich doch sehr, dass er trotz aller Enttäuschung, die er dir bereitet hat, noch dein "ein und alles" ist. Daher frage ich dich: Glaubst du wirklich, dass sich bei denen etwas ändern wird? Wesentlich ändern wird? Da nun mal auch dein Vater sich sehr verantwortunglos verhalten hat. Um nicht zu sagen: Grausam war. Aus meiner Sicht kann es keine Entschuldigung bilden, dass er phasenweise mit dir gespielt hat, ganz ehrlich. Wenn er dir wichtig ist und du weiter mit ihm telefonieren, dich mit ihm treffen magst (falls dem so ist), respektiere ich das voll und ganz. Du musst selbst entscheiden, wie es da aussieht. Ich habe jedoch das Gefühl, was immer du hörst, lässt dich nur noch weiter leiden, ruft immer neue, schon vergessen geglaubte Bilder in dir wach. Meiner Meinung nach wäre es nicht verkehrt, einen endgültigen Bruch zu vollziehen. Viel Hoffnung auf Verbesserung gibt es nicht. Und du darfst keinen Aufschub dulden, keine faulen Kompromisse machen, wenn es um deine Gesundung geht. Verbanne das, was dich hemmt, dich quält und belastet, aus deinem Leben - auch wenn es hart ist, deine "Familie". Sie geben dir nichts, was du wirklich brauchen kannst, und dein Mitleid haben sie nicht wirklich verdient. Habe den Mut, zu dir selbst zu sagen: "Ich habe es bis hierher geschafft, und ich werde keinen Zentimeter des Weges zurückgehen. Ich werde mich nicht wieder kleinkriegen lassen. Ich werde mir das erschaffen, was ich will." Was immer das ist - es kann nur werden, wenn du dich frei schwimmst. Denn die Ängste, die grauenvollen Bilder, werden trotzdem weiterhin kommen. Und das wird dich schon genug quälen - soviel ist sicher. Jedes Quäntchen mehr, das durch irgendwelche Beschuldigungen, die jeder Grundlage entbehren, durch irgendwelche ekelhaften Aktionen seitens deiner Familie hinzukommt, ist zuviel. Oder wie siehst du das?

Um es ganz offen zu sagen: Ich glaube, dass es gut wäre, wenn du in eine Klinik gehen würdest. Für deinen Kater findet sich eine Lösung, auch wenn das hart ist, aber du wirst ihn ja nicht für immer verlieren. Zuerst mal ist wichtig, dass du in Sicherheit kommst, dass dir geholfen wird, dass du gestärkt wirst für die Zukunft. Die größte Aufgabe ist, Selbstvertrauen aufzubauen. Sprich es dir immer wieder vor: "Ich bin eine tolle Frau, ich bin der Liebe wert. Mich wird kein Schwein mehr als Fußabtreter benutzen, vergewaltigen, ausnutzen oder beleidigen." Jeder Versuch, der im Lauf deines Lebens unternommen wurde, um dich zu zerbrechen, muss stellvertretend ein- für allemal zurückgewiesen werden. In deinem Text hast du von so unendlich vielen Demütigungen, Beleidigungen, Misshandlungen erzählt, dass man das Gefühl bekommt, dir wäre gar nicht so recht bewusst, dass die Menschen, mit denen du trotzdem noch Weihnachten verbringen magst, dich wie Dreck behandelt haben. Dass dich jemand wie Dreck behandelt, darf nie wieder passieren. Vielleicht könnte zu einer Behandlung in einer Klinik auch ein Training gehören, wie du dich selbstsicherer bewegen kannst. Daneben kann dauerhaft verhindert werden, dass du dich selbst verletzt, und in schwarze Löcher gerätst. Es gilt, den Stier bei den Hörnern zu packen. Natürlich ist auch deine Ausbildung sehr wichtig, und du kannst ja mit deiner Ärztin besprechen, welche Möglichkeiten es gibt, beides zu verbinden, ohne eines schleifen zu lassen. Ich möchte dir einfach sagen, dass ich mir Sorgen um dich mache, und dass es mir besser ginge, wenn du den Gedanken an eine Klinik (was ja auch nicht für immer ist) ernsthaft erwägen würdest.

Sicherlich wirst du nicht wie deine Mutter werden. Denn was ihr fehlt, das hast du: Die Fähigkeit, dich selbst zu betrachten, dich selbst zu hinterfragen, und genau diese Befürchtung zu hegen. Auch wenn du sehr leidest, gestehst du dir doch ein, wo deine Schwächen (für die du nichts kannst) liegen. Da ist die Bindungsangst - gut immerhin, wenn du dich unter Menschen im Allgemeinen entspannt bewegen kannst. Ist das so? Auch daran lässt sich arbeiten. Wichtig ist, sich auch immer wieder mit den Situationen zu konfrontieren, vor denen man Angst hat: Ob das Telefonieren ist, Einkaufen, im Dunkeln nach Hause gehen - was man flieht, wirkt dadurch nur umso bedrohlicher. Und ähnlich ist es auch mit den Menschen, die dich dahin gebracht haben, wo du jetzt bist: Niemand verlangt von dir, vor ihnen Rechenschaft abzulegen, von dir hören zu lassen, oder irgendetwas von ihnen anzuhören. Jedoch ist es durchaus nicht verkehrt, wenn du dich in Gedanken auch mit dem auseinandersetzt, was dir in deinen Alpträumen erscheint: Der Tod deines Vaters, deiner Halbschwester... wer weiß, vielleicht wirst du wirklich einmal ganz Ähnliches erleben, wenn ihre Zeit gekommen ist? Niemand weiß wirklich, wann das sein wird. Und also auch nicht, ob es vielleicht bald sein wird. Dann wird niemand dich dafür verantwortlich machen - aber viel zentraler ist es, dass du es nicht selbst machst. Zwar ist es noch immer deine Familie, ohne deine Eltern gäbe es dich nicht, das ist klar. Aber Selbstbezichtigung wegen Leuten, die sich nie ernsthaft um dich gekümmert haben, ist genauso fehl am Platz wie Hass auf sie. Beides hemmt dich auf deinem Weg in ein freieres, selbstbestimmtes Leben. Ich bin sicher, du wirst auf den Mann treffen, der deine Tränen trocknet und dich stärkt; ob du einmal selbst Familie haben wirst, weiß man heute nicht. Es muss ja auch nicht sein. Falls aber, sehe ich alle Chancen, dass deine Kinder sehr geborgen aufwachsen werden. Und somit kann aus dem Schmerz und Leid, die du erfahren musstest, vielleicht etwas Wunderschönes entstehen. In deinem Lebensentwurf, wie der auch ist. Schöner noch, als es anders jemals gewesen wäre. Und sag selbst - ist das nicht ein erstrebenswertes Ziel?

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul