Problem von Alex - 18 Jahre

Das Leben

Lieber Paul,
wie du gesagt hattest gibt es um deine Ansicht des Lebens nichts zu diskutieren, dies ist auch garnicht meine Intention mit diesem Feedback.
Zuerst muss ich ehrlich sagen, mir hat deine Intellektuelle und weise Antwort sehr gefallen, sie kann mir nicht weiter helfen, denn so wie du vertrete ich meinen Standpunkt.
Ich würde nur gerne lediglich noch ein paar Worte zu diesem Thema sagen.

"Widersprichst du dir nicht ein bisschen? Auf der einen Seite soll man das Geschehene akzeptieren, auf der anderen Seite soll man es nicht verzeihen. Verzeihen kann ich doch aber nur, wenn ich ein Leid erfahren habe?"

Man soll Geschehnisse akzeptieren, ist es dennoch falsch als Mensch zu fühlen?
Erfährt man nicht durch Geschehnisse immer irgendwelche Emotionen?
In meinem Verständnis ist ein zusammenleben der Akzeptanz und der Begnadigung möglich.

Du missinterpretierst meine Überzeugung.
Ich teile meine Philosophie nicht mit der Stoa.
Ja wir sind Menschen und Menschen sind dazu bestimmt Fehler zu machen, wiederum lernen wir größten Teils aus denen.
Das macht uns möglich eine eigene Persönlichkeit zu erschaffen.

In meiner Auffassung gibt es ebenso kein gut und böse, und die Welt ist nicht grau, sie ist weiß.
Die Welt ist nur eine Leinwand, dessen Maler wir, der MENSCH sind.

„Die Hölle der Lebenden ist nicht etwas, das erst noch kommen wird. Wenn es eine gibt, ist es die, die schon da ist, die Hölle, in der wir jeden Tag leben, die wir durch unser Zusammensein bilden. Es gibt zwei Arten, nicht unter ihr zu leiden. Die erste fällt vielen leicht: die Hölle zu akzeptieren und so sehr Teil von ihr zu werden, daß man sie nicht mehr sieht. Die zweite ist riskant und verlangt ständige Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft: zu suchen und zu erkennen lernen, wer und was inmitten der Hölle nicht Hölle ist, und ihm Dauer und Raum zu geben.“

Dies ist ein Zitat das ebenfalls meine Meinung teilt.
Doch wie ich schon sagte, was ist wenn man die erste Variante nicht akzeptieren kann, und die zweite Variante einem nicht ausreicht ?

"Und zu einhundert Prozent gut und böse ist nichts. Die schlimmsten Verbrecher der Welt haben für ihre Taten vielleicht eine Motivation, die man vielleicht sogar nachvollziehen kann - was keineswegs eine Entschuldigung für ihr Handeln darstellt!"

Wir teilen demnach die selbe Meinung.

Ich muss deiner Meinung, deinem Ideal zu 95% zustimmen, denn ich vertrete die selbe Meinung, dennoch ist dies alles zu wissen und zu fühlen nicht genug für mich.

"Denn dass es eine höhere Wirklichkeit und Gerechtigkeit gibt, einen Plan für alles, daran glaube ich. Und ich kann dich nur ermuntern, ihm deiner Überzeugung gemäß zu folgen."

Das ist in meinen Augen, das Schicksal, ob es wiederum von einem "Gott" geführt wird, diesem kann ich Persönlich nicht zustimmen.
Denn die Person selbst ist der eigene Gott.

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Alex,

ich freue mich, dass wir eine große Übereinstimmung erzielen konnten. Möglicherweise ist es so, dass wir in gewissen Punkten einander nicht nachgeben können; umso mehr begrüße ich es, dass wir uns gegenseitig da lassen, wo wir sind. Der Dialog, den wir begonnen haben, ließe sich vermutlich endlos fortsetzen, insofern ist es vielleicht besser, wenn wir es tatsächlich bei der Feststellung dieser uns gemeinsamen Grundüberzeugung belassen.

Ich war wohl etwas voreilig, dich mit der Stoa in eine Reihe zu stellen. Du hast Recht: Was immer passiert, führt zu Emotionen, gute und schlechte; sie (im produktiven Sinne) zu akzeptieren, ist etwas völlig Anderes, als die Menschen mit seiner (für sie womöglich schmerzhaften) Meinung dazu zu verschonen, da gebe ich dir Recht. Denn Akzeptanz schließt immer eine gewisse Schonung mit ein, wobei es durchaus kein Widerspruch ist, jemanden grundsätzlich zu akzeptieren, ihn aber auch darauf hinzuweisen, was einen stört. Nichts Anderes tun wir ja gerade, und ich finde es höchst erfrischend, in dir mit jemandem zu schreiben, der uns als Team auf so gediegene und höfliche Weise begegnet. Vielleicht kann ich diese Unstimmigkeit so auflösen: Akzeptanz ist nicht gleich Akzeptanz. Da gibt es das willige Wegducken, das masochistische Ertragen und Hinnehmen, die Gewöhnung an das eigene Elend bis zur Normalität, ja zum Gefallen daran. Aber es gibt auch die weise Erkenntnis, dass es unmöglich ist, gewissen Menschen in gewissen Belangen ein Umdenken aufzuzwingen. Man akzeptiert also, was man nicht ändern kann - was, wie du sagst, durchaus keine Begnadigung sein muss. Denn dann hat man sich immer noch Luft gemacht. Sollte ich in meinem ersten Text etwas Anderes behauptet haben, so muss ich gestehen, hast du mich in diesem Punkt überzeugt und erinnert. Andererseits: Ich meinte doch gesagt zu haben, dass es eben notwendig ist, sich selbst und Andere nicht zu schonen? Das Leben soll ja nicht uns leben, sondern wir sollen es leben. Dazu gehören Schmerz und Leid ebenso wie das Schöne, sie sind untrennbar nebeneinander gestellt, wie wir gemerkt haben. Doch wie es sich nicht ausschließt, jemandem seine Meinung zu lassen, sie aber nicht mit Kritik zu verschonen, so schließt es sich auch nicht aus, auf unschöne Erlebnisse mit instinktiver Heftigkeit zu reagieren, und sie letztlich doch positiv zu bewerten.

Ich bin tatsächlich ein gläubiger Mensch, wie ich vor dir nicht verbergen kann, und darauf gründe ich meine Sicherheit im Leben. Nichtsdestotrotz ist der Mensch mit einem freien Willen und der Möglichkeit, ja dem Zwang ausgestattet, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen - und wenn es Gott gibt, so kann dies nur in seinem Sinne sein. Die Person selbst als eigener Gott? Da möchte man mit Friedrich Nietzsche sagen "Was immer der Mensch selbst nicht ist, dazu macht er seinen Gott!" Wobei du zu Recht den Gedanken aufwirfst, ob es nicht vielleicht gerade umgekehrt ist: Wenn einer an Gott glaubt, dann weil er von Gott gemocht werden, sich geliebt fühlen will; das kann Gott am besten leisten, wenn er der betreffenden Person ähnlich ist. Schlüssig also auch, dass es so viele verschiedene religiöse Vorstellungen gibt. Dennoch ist keine beweisbar, da die Religion ein Gegenstand des Glaubens ist, Glauben und Wissen jedoch in keinem Fall gleichgesetzt werden sollten.

Ich begreife dich als Idealisten; du hast in gewissem Maße radikale, aber sehr vernünftige und nachvollziehbare Schlüsse aus deinem Leben gezogen, und ich kann dies nur als positiven Effekt deiner - von Hindernissen geprägten - Vergangenheit ansehen. Folglich bist du nicht nur als Sieger aus dieser Geschichte hervorgegangen, sondern setzt auch deine gewonnen Ansichten selbst konsequent um und bist daher glaubwürdig. Ich mache mir daher um dich und deine Zukunft nicht die geringsten Sorgen und glaube, dass deine Philosophie dich kräftigen wird. Dein Gleichnis vom Leben als Leinwand und dem Menschen als Maler ist, kann ich nur sagen, eine im wahrsten Sinne des Wortes bildschöne Huldigung an den Individualismus, die persönliche Freiheit und Offenheit. Und dies ist sicherlich ein uns gemeinsames Bekenntnis.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul


Hier noch ein Link zu deiner ersten Zuschrift:

http://mein-kummerkasten.de/320790/Das-Leben.html