Problem von Anny - 24 Jahre

Krise in der Beziehung

Liebes Kummerkasten-Team, lieber Bernd,

lange habe ich mir überlegt ob ich euch schreiben soll. Ich habe zwar schon seit 2007 sehr positive Erfahrungen mit euch gemacht und bin auch mehr als dankbar das es euch gibt.
Trotzdem habe ich Angst euch zu schreiben, ich möchte gerne komplett anonym bleiben. Ich weiß das alle Probleme veröffentlicht werden und das ist auch gut so. So können auch andere von Problemen profitieren.
Ich möchte gerne mit euch einen Kompromiss schließen…. Ich würde gerne jetzt einen kurzen Abschnitt schreiben zu meinen Eckdaten, die aber nicht veröffentlich werden sollen. Ich wäre euch sehr verbunden wenn ihr den folgenden Abschnitt löschen konntet. Wenn dies nicht geht möchte ich nicht das ihr mein Problem bearbeitet!!!!

..... gelöscht ........

Mein Name ist Anny und ich bin 24 Jahre alt. Ich lebe in einer langjährigen Beziehung, wir leben aber Beide noch bei unseren Eltern.
Seit einige Zeit kriselt es sehr in unserer Beziehung. Wir haben mehrere Probleme.
Das eine mein Freund findet seit einem Jahr keinen Job. Hat zwar Praktika absolviert aber er hat noch keinen Job bekommen. Inzwischen bewirbt er sich auch deutschlandweit, absolviert gerade kein Praktikum.
Durch die Jobsuche ist mein Freund unzufrieden mit sich selber, ich habe viel Stress auf der Arbeit und dadurch kommt es meiner Meinung nach öfters zu Konflikten. Es prallen zwei Welten aufeinander.
Wir machen uns gegenseitig sehr viele Vorwürfe, er meint zum Beispiel das ich zu wenig mit ihm rede. Das Problem ich rede schon den ganzen Tag auf der Arbeit und möchte manchmal auch meine Ruhe. Er redet mit keinem, er hat im Alltag kaum Soziale Kontakte und braucht es dafür natürlich abends mehr als ich.
Auch merke ich das er mich viel mehr kritisiert als früher. Natürlich kritisiere ich ihn dann auch und dann kommen wir in eine negative Spirale. (Wie mein Freund es nennt)
Ich habe mich auch verändert, ich habe zugenommen und merke oft eine innere Unruhe in mir oder ich bin einfach mal einen Tag lang traurig.
Auch haben wir ein Problem was mich ganz arg belastet. Es funktioniert seit Monaten nicht mehr im Bett mit uns Beiden. Es geht einfach nicht mehr. (...gestrichen....)
Im Bett habe ich das Gefühl, dass es vor allem bei ihm nicht mehr geht, irgendwas blockiert ihn. Wenn es im Bett gut läuft, ist er glücklich und findet auch unsere Beziehung toll. Ich brauche keinen guten S.. um eine glückliche Beziehung zu führen. Wir sind da teilweise auch einfach anderer Meinung. Für ihn hat S... eine sehr hohe Bedeutung in der Beziehung für mich nicht so sehr. Vor allem mag ich es nicht wenn die Beziehung davon abhängig gemacht wird.
Wahrscheinlich stehen wir Beide so unter Druck das es gar nicht mehr funktioniert. Und wenn ich denke ich muss jetzt funktionieren, damit wir nachher keinen Stress haben, geht gar nichts mehr bei mir. Bzw. ich zwinge mich es ihm Recht zu machen.
Eigentlich wollten wir auch zusammen ziehen. Hattet uns schon Wohnungen angeschaut etc. Tja aber er hat einfach keinen Job bekommen. Und es hat für uns keinen Sinn gemacht, schon zusammen zuziehen wenn wir nicht wissen wo er jemals arbeitet.
Ich habe auch Angst vor dem Zusammen ziehen. Viele Freunde/Bekannte sagen das das Zusammen ziehen eine große Hürde für eine Beziehung ist und man dann erst merkt ob man wirklich zusammen gehört. Ich habe Angst das wir den Alltagstest nicht bestehen werden, vor allem wenn wir jetzt schon eine Krise haben.
Auf der anderen Seite konnte das zusammen ziehen auch eine Chance bedeuten.
Meinem Freund fällt es sehr schwer, dass wir uns immer nur kurz sehen und dann jeder wieder zu seinen Eltern fährt. Er mag das überhaupt nicht und leidet auch sehr darunter.
Ich habe einfach große Angst ihn zu verlieren.
Er hat gerade nur seine Jobsuche im Kopf und ich…. Ich mache eigentlich schon Zukunftspläne. Denke viel über unsere gemeinsame Wohnung nach, ans Heiraten und ans Kinder kriegen.
Klar er ist noch nicht wo weit und ich versuche diese Wünsche auch viel für mich zu behalten um ihn damit nicht zu belasten. Aber so belastet es mich. Er weiß nicht ob er jemals überhaupt heiraten möchte. Für mich gehört es irgendwie dazu. Das „ja“ zueinander sagen finde ich einfach total toll. Auch glaube ich noch an die ewige Liebe.
Kinder möchte er irgendwann mal….. Das ist mir sehr wichtig. Soweit kann er in der jetzigen Situation überhaupt nicht denken.


Als wir mal wieder eine richtige Krise in der Beziehung hatten, haben wir eine Beziehungspause durchgeführt. Die Pause ging eine Woche und wir haben uns nach diese Woche sehr aufeinander gefreut. Probleme waren aber nicht gelöst.
Wir waren schon mal so weit, dass wir in eine Paartherapie gehen wollten. Aber er hat dann doch einen Rückzieher gemacht.

Ich klammere mich gerade sehr an die Beziehung. Klammere ich mich an etwas was vielleicht eigentlich vorbei ist? Gehören solche Phasen dazu wo man nicht weiß ob man zusammen bleiben möchte?
Was kann ich tun damit unser Sexleben wieder besser wird? Sollten wir zu einer Therapie gehen? Sollte ich in eine Therapie gehen? Was hilft wirklich? Habe ich in Wirklichkeit auch einfach ganz große Angst alleine da zustehen? Wird einfach alles besser wenn er einen Job hat???? Oder ist sein Job eher eine Ausrede von mir oder ihm für unsere Beziehungsprobleme? Wird alles besser wenn wir zusammen ziehen oder ist es der Anfang vom Ende?????
Eins weiß ich aber, ich liebe ihn über alles und er sagt mir zu mindestens auch das er mich liebt.
In letzter Zeit frage ich ihn öfters ob er mich wirklich liebt, manchmal bin ich mir nicht sicher. Weil er auch manchmal nicht weiß ob er mit mir zusammen ziehen möchte. Er meint er hat ja nicht mal einen Job und wenn er einen Job hat weiß er nicht ob er dort glücklich wird. Das sagt er so zu mir.
Ich weiß einfach gerade überhaupt nicht weiter.
Die Krise geht schon fast ein Jahr lang und ich bin mit meinen Kräften am Ende. Ich möchte einfach das es uns gut geht und wir wieder eine unbeschwerte Beziehung führen können. Versteht ihr das?
Ich möchte auch das es mir gut geht. Wisst ihr mein Sinn im Leben ist es irgendwann mal ein eigenes Kind zu haben eine Familie mit meinem Freund zu gründen. Das ist mir soooo wichtig. Was ist los wenn mein Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird. Weil unsere Beziehung zerbricht. Ich möchte das die Beziehung hält. Es ist einfach alles soooooooooooooo schwierig. Ich möchte keinen anderen Menschen als Freund, weil ich ihn seit Jahren über alles liebe.

Kurze Zusammenfassung der Probleme:
Mein Freund findet seit einem Jahr keinen Job, hat aber Vorstellungsgespräche. Möchte aber nicht zu einem Bewerbungstraining, was ich ihm empfohlen habe.
Wir haben einfach ganz oft Streit.
Im Bett läuft es gar nicht mehr.

Ich danke euch fürs Durchlesen und hoffe ich habe es verständlich geschrieben. Probleme seit einem Jahr .

Was ich von euch erwarte? Keine Ahnung, vielleicht mal eine neutrale, objektive Sicht.

Danke, dass es euch gibt!!!!

Anny

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Anny,

den ersten Abschnitt habe ich für alle stehen gelassen, die vielleicht einen ähnlichen Kompromiss mit uns schließen wollen:
damit sie sehen, dass wir darauf schon eingehen können und werden!

Doch nun zum Eigentlichen:

dass Dein Freund sich in Praktika aufreiben lässt, tut mir leid. Eigentlich dachte ich, dass diese Unsitte nach Einführung des Mindestlohnes ausgestanden sei. Im letzten Jahrzehnt waren es wohl überwiegend Maschinenbauer, die regelmäßig von Firmen ausgenutzt und dann wieder ausgespuckt wurden.
Aber auch in anderen Fachrichtungen wird es wohl ähnlich sein. Einen Grund dafür sehe ich in der unseligen Umstellung unseres Studiensystems auf den bachelor- master Mist.
Viele Firmen werden mit einem bachelor nicht wirklich etwas anzufangen wissen: nicht Fleisch und nicht Fisch
Kein Diplomingenieur und kein Diplomingenieur (FH).
Mehr als ein Vorexamen!
Aber womit vergleichbar nach den Normen, die wir schon so lange sorgsam gehütet hatten?
Bei den Psychologen z.B. ist der Zugang zur Therapeutenausbildung der Master-Abschluss.
Dort ist der bachelor fast nicht als berufsqualifizierender Abschluss anerkannt.
Dass da Frust bei jungen Absolventen aufsteigt, kann ich gut nachvollziehen.
Und dass damit auch gleich Existenzangst verbunden ist, leuchtet ein!
Aber bei Deinem Freund macht mir noch eines Sorgen: wenn Du schreibst, dass er im Alltag kaum soziale Kontakte pflegt, dann ist das vielleicht auch zum Teil der Bremsklotz für seine berufliche Karriere?
In nahezu allen Berufen werden eher die "teamplayer" gesucht. Das setzt ein hohes Maß an Kontaktfreude voraus. Freude, sich anderen mitzuteilen um mit anderen zusammen Dinge zu erreichen, die man als Einzelner so nicht unbedingt hinbekommt.

Als ich Deinen Satz gelesen habe: "Natürlich kritisiere ich ihn dann auch und dann kommen wir in eine negative Spirale. (Wie man Freund es nennt)", musste ich ein wenig schmunzeln:
Dein Freund benennt es schon ganz richtig mit dieser negativen Spirale: in dem Augenblick, in dem er das erkennt ist es aber doch höchste Zeit, von dieser unseligen Spirale abzuspringen,
sich tief in die Augen zu blicken und in den Arm zu nehmen!

Wer die Spirale erkennt und dennoch weiter auf die Spitze treibt, setzt mutwillig alles aufs Spiel.
Und wozu?
Um einmal Recht zu behalten? Oder das letzte Wort zu haben?

Ich habe das selber schon oft erlebt (und war auch nicht klüger). Das erste mal ist meine Verlobung auf diese Weise kaputt gegangen: Damals (vor nun über 40 Jahren) war meine Verlobte berufstätig in Recklinghausen und ich Student in Aachen. Als es mit den Prüfungen eng wurde, kam ich nicht mehr jedes Wochenende nachhause und blieb schon gar nicht länger.
Das gab regelmäßig Streit und gipfelte immer wieder in dem Spruch von ihr: "Du liebst mich nicht mehr"!

Na ja ...... und irgendwann einmal sagte ich genau an diesem Punkt: "stimmt"! legte den Ring auf den Tisch und ging.


Liebe Anny,

Du schreibst etwas sehr wichtiges ein wenig "nebenbei":
"Ich habe mich auch verändert, ich habe zugenommen und merke oft eine innere Unruhe in mir oder ich bin einfach mal einen Tag lang traurig."

Ihr seid beide in einer recht komplizierten Situation:
Du hast einen wunderschönen Traum vom Glück mit einem geliebten Menschen.
Den Traum (da bin ich mir eigentlich sicher) hat Dein Freund auch. Es macht ihn eben fertig, dass er die Voraussetzungen zur Erfüllung dieses Traumes noch nicht bringt.
Du erkennst das alles ja: Du kannst seine Situation wohl verstehen aber Du kannst ihm in seinem Hauptproblem nicht helfen!
Hat Dein Freund schon mal wirklich barsch auf einen Vorschlag von Dir reagiert? (Z.B. auf die wirklich gute Idee mit dem Bewerbungstraining?)
Wie hat Dein Freund die "Kehrtwende" bei eurem Anlauf zu einer Partnertherapie begründet?

Und so kommen wir zum Sex (Du weißt, dass ich eigentlich gerne von körperlicher Liebe spreche?).

Du schreibst dazu: "Wahrscheinlich stehen wir Beide so unter Druck das es gar nicht mehr funktioniert. Und wenn ich denke ich muss jetzt funktionieren, damit wir nachher keinen Stress haben, geht gar nichts mehr bei mir. Bzw. ich zwinge mich es ihm Recht zu machen."

Das denke ich auch: dass ihr beide unter Druck steht! Und eigentlich deute ich es als Zeichen dafür, dass Dein Freund Dich wirklich sehr liebt!

Wenn es bei ihm nicht klappt, kann ich mir vorstellen, dass er realisiert, wenn er Dir in diesem Augenblick nicht wirklich gerecht wird.
Ich stelle mir Deinen Freund vor als einen Menschen, der einerseits nach einem Frusttag ein "Erfolgserlebnis" sucht.
Und "versagt", sobald er merkt, dass Liebe eben mehr als ein Orgasmus ist. Und dann kommt er in seine eigene "negativ-Spirale", noch bevor Du etwas sagen musst: er ärgert sich über sich selber, weil er versucht hat, Dich zu "benutzen", ärgert sich vielleicht gleichzeitig darüber, dass Du es als "Versagen" ohne Anführungszeichen sehen könntest?
Und schon ist der Anfang gemacht, Dir eins auszuwischen, um Dich schnell auf ein anderes Thema zu bringen (Verdrängungshaltung?)
Lieber über etwas total belangloses streiten, als über akute Probleme und Missverständnisse zu reden?

Z.B. darüber: "Und wenn ich denke ich muss jetzt funktionieren, damit wir nachher keinen Stress haben, geht gar nichts mehr bei mir. Bzw. ich zwinge mich es ihm Recht zu machen."

Liebe Anny,

meine Oma hat mich mal mit einem Spruch total verwirrt und schockiert. Sie sagte mir: "ich war die Hure meines Mannes"!
Ich habe das nicht verstanden. Zumal ich meinen Opa unheimlich gern gehabt hatte. Und meine Großeltern auch immer den Eindruck eines liebenden Paares auf mich gemacht hatten.

Du kannst Dir denken, warum ich Dir das nun schreibe?
"Funktionieren" und "es ihm Recht machen" ist bloß Sex!

Dazu bist Du, dazu seid ihr beide zu schade! Vielleicht macht ja Deinem Freund auch gerade das Gefühl zu schaffen?

Liebe bedeutet gegenseitiges aufeinander eingehen: sich in dem Anderen wiederfinden.
Nicht Druck und Stress, sondern Wärme, Nähe, Geborgenheit.
Liebe ist keine "Ersatzhandlung", um irgendwelche Frusterlebnisse zu kompensieren.

Zu dem Thema: "Ich habe auch Angst vor dem Zusammen ziehen."

Ich weiß natürlich nicht, wie es bei Dir finanziell bestellt ist. Meine Freundinnen (dazumal) in Deinem Alter hatten meist eine eigene Wohnung.
Wenn das bei Dir möglich und denkbar ist, würde ich Dir ganz grundsätzlich dazu raten. Aus mehreren Gründen:
Aus dem elterlichen Nest zu flüchten ist der eigentliche Schritt zur Unabhängigkeit. Eigenständigkeit.
Wenn Du eine Wohnung für Dich alleine hast, wirst Du merken, wo Deine eigentlichen Schwerpunkte liegen.
Nicht die, die mit Rücksicht auf das Familienleben von Papa, Mama oder Oma vorgegeben werden.
Wenn Du Deine eigene Wohnung hast, wechselst Du nicht von einer Abhängigkeit (Eltern) in die nächste (Partner).
Wenn Du Deine eigene Wohnung hast, bist Du einerseits unabhängig vom Fortgang der beruflichen Orientierung Deines Freundes
(wenn er z.B. eine Stelle am anderen Ende der Republik angeboten bekommt: wirst Du dann gleich hintendrein stürmen, oder erst die Probezeit abwarten wollen?): mit einer eigenen Wohnung hat Dein Freund bei Dir zumindest einen festen Anlaufpunkt für die Wochenenden.
Wenn du eine eigene Wohnung hast, könnt ihr auch zusammen wohnen.
Aber Du sagst, wenn es nicht mehr geht! Und er geht!

Du schreibst: "Er hat gerade nur seine Jobsuche im Kopf und ich…. Ich mache eigentlich schon Zukunftspläne. Denke viel über unsere gemeinsame Wohnung nach, ans Heiraten und ans Kinder kriegen".

Dazu fällt mir so vieles ein, was ich Dir mal gerne privat sagen/schreiben würde :-)

Für Deinen Freund fängt die Zukunft sicherlich erst an, wenn er weiß, wie er sie für seine Familie absichern kann. Es ist also kein Widerspruch, sondern eher eine Frage der Gewichtung:
Für Deinen Freund kommt Schritt zwei nach Schritt eins und Du planst (in seinem Gedankenschema) bereits Schritt drei und folgende.

Du fragst: "Gehören solche Phasen dazu wo man nicht weiß ob man zusammen bleiben möchte?"

Ich denke schon. Jeder Mensch entwickelt irgendwo seine eigenen Prioritäten und in einer Partnerschaft muss man vor allem wenn bei einem grundlegende Änderungen eintreten werden auch mal abgeglichen werden, ob die Zwangspunkte, die der Partner setzt für einen selbst auch noch zum eigenen Lebens-Konzept passen.
Bei Dir stehen ja irgendwie bald gleich zwei Veränderungen ins Haus, die nicht ganz ohne sind und vor denen Du vielleicht auch schon unterschwellig Angst haben magst?
Wenn Dein Freund irgendwo in der Republik Arbeit findet, wirst Du Dich fragen müssen, wie Du damit klar kommst, die gewohnte Umgebung und Deinen Arbeitsplatz aufzugeben, um ihm auf "Gedeih und Verderb" zu folgen. Oder werdet ihr erst eine Wochenendbeziehung führen, bis sein Arbeitsplatz ein wenig abgesichert ist (Probezeit abwarten?).
Suchst Du Dir dann zuerst eine eigene Arbeit, oder kommt zuerst die gemeinsame Wohnung und suchst Du dann an Ort und Stelle?

Gleichzeitig wirst Du - solange Du noch nie selbstständig in einer eigenen Wohnung gewohnt hast - Dein behütetes Nest gegen eine euch beiden fremden Selbstverantwortung eintauschen müssen. Da Du davon schreibst, dass im Augenblick jeder zu seinen Eltern nachhause geht, schließe ich daraus, dass keiner von euch dort eine abgeschlossene Wohnung hat: es wird wohl ein Zimmer sein mit vollständigem Familienanschluss?!
Da gelten in der Aufteilung der Haushaltspflichten ganz andere Regeln, als bei einem Paar. Manche Beziehungen sind schon an der Handhabung des Staubsaugers, der Waschmaschine und des Bügeleisens gescheitert.

Ich will Dir hier nicht zusätzlich Angst machen! Weil: die Situationen haben schon Millionen von Paaren gemeinsam gemeistert! Da ist also kein "Hexenwerk" dahinter.
Aber ich kann mir eben denken, dass vielleicht da Deine unterschwellige Angst versteckt sein mag:
Du träumst und planst das heile zuhause mit Mann und Kind. Das ist auch gut und richtig so: dass Du ein Ziel hast und darauf hin arbeitest.

Bloß vorher gilt es für euch beide noch ein wenig, Herr des Chaos' zu werden, das euch in naher Zukunft eher betreffen wird.

Mir geht da ein Bild nicht aus dem Sinn: ein Paar, dass da nebeneinander her spazieren geht. Und weil es so ein schöner Tag ist schließt man die Augen für einen "Augenblick", um sich seinen Gedanken hinzugeben. Jeder erzählt dem anderen über seine Gedanken und während sie weitergehen und die Augen wieder öffnen ist da niemand mehr: auf dem Weg, den sie "blind" gegangen sind, war eine Mauer. Einer ist rechts davon gegangen und einer links. Sie haben einander wohl gehört. Und deshalb ist es ihnen auch nicht gleich aufgefallen.
Und trotzdem steht nun etwas zwischen ihnen, das ihnen unmöglich macht, einander zu begreifen.

Anny, Du fragst, ob ihr eine Therapie machen solltet. Ob Du eine Therapie machen solltest.

Wie tief Deine Ängste, Deine Unruhe und Traurigkeit wurzeln, weiß ich nicht. Es gibt vieles, was mir in Deinem Alter auch sehr viel Angst gemacht hat. Und da brauchte ich nicht bis in meine Kindheit zurück tauchen: das Abitur, das Examen, die Jobsuche, der Wechsel vom Ruhrgebiet in den Südwesten der Republik: das waren Wegmarken für mich, die jede für sich ganz spontan sehr viel Unruhe und Ungewissheit ins Leben gebracht hatten. Im Nachhinein lässt sich befreit darüber schreiben. In den aktuellen Situationen wäre es schon ab und zu gut gewesen, wenn ich einen Therapeuten als Gesprächs- und Gefühls- Moderator gehabt hätte.
Deswegen kann ich Dich nur ermuntern, beherzt den Schritt zu gehen!

Und Deinem Freund kannst Du von mir bestellen: wenn er einerseits bemängelt, dass Du zu wenig mit ihm sprichst. Und andererseits eure Gespräche dann (trotz eigener Kenntnis dieser negativen Spirale) oft auf die Spitze dieser Spirale getrieben werden.

Dann habt ihr beide doch jeden erdenklichen guten Grund, euch zur Bewältigung der wirklich wichtigen Probleme einen "Moderator" zu suchen. Der euch hilft, den Gesprächen eine konstruktive Richtung zu geben!

Alles Liebe

Bernd