Problem von Michelle - 16 Jahre

Häusliche Gewalt

Ich lebe bei meiner Mutter und deren Ehemann und meinem Jüngeren Halbbruder, mein leiblicher Vater lebt in ...
Ich habe Zeit ca. 3 Jahren nur noch Angst zuhause, mein Stiefvater hat mich schon öfter geschlagen und bedroht mit Worten.
Ich weiß einfach nicht was ich tun soll, das einzigste was ich tue ist mich jeden Tag in mein Zimmer verstecken und mich betrinken. Nun bin ich an einem Punkt wo ich mich nicht mal mehr in meinem Zimmer sicher fühle.

Johannes Anwort von Johannes

Liebe Michelle,

vielen Dank für deine Anfrage an das Kummerkasten-Team und dein Vertrauen, das du uns damit entgegengebracht hast.

Zunächst einmal möchte ich dir sagen, dass ich den von dir angegebenen Wohnort deines Vaters aus Sicherheitsgründen gelöscht habe.

Ich war ziemlich erschrocken, als ich gelesen habe, dass dich der Ehemann deiner Mutter schon mehrfach geschlagen und bedroht hat. Ich weiß nicht, was er sich dabei denkt bzw. ob er überhaupt nachdenkt, aber sein Verhalten ist in keinem Falle in Ordnung. Manchmal frage ich mich echt, was in den Köpfen erwachsener Menschen vorgeht, wenn sie meinen, ihren Kindern wehtun zu müssen. Ich bin ja jemand, der wirklich für viele Situationen Verständnis hat. Aber da hört mein Verständnis echt auf!

Wie ich aus deiner Mail herauslese, scheint die Situation bei dir besonders schlimm zu sein. Du schreibst, dass du dich nicht einmal mehr in deinem eigenem Zimmer sicher fühlst. Ich spüre deine Verzweiflung, wenn ich lese, dass du dich aufgrund der massiven Probleme betrinkst. Wahrscheinlich fühlst du dich danach besser und spürst diesen massiven Druck nicht mehr so sehr. Aber ist das wirklich eine geeignete Lösung für das Problem?

Es wird Zeit, liebe Michelle, dass du dir Verbündete suchst. Hat deine Mutter denn überhaupt schon mitgekriegt, wie schlecht du von deinem Stiefvater behandelt wirst? In jedem Falle möchte ich dir dringend raten, mit deiner Mutter zu reden. Sage ihr, dass der Zustand für dich unerträglich ist, wenn er dich schlägt und bedroht und dass sich unbedingt etwas verändern muss, da du momentan sehr unglücklich bist. Eigentlich hätte ich dir vorgeschlagen, direkt mit ihm zu sprechen, aber ich könnte mir vorstellen, dass du dich das aus Angst nicht traust, was ich absolut nachvollziehen kann. Aber deine Mutter ist erwachsen und sie sollte die Sache in die Hand nehmen. Ihr Mann hat die Grenze mehrfach überschritten und das muss jetzt nach drei Jahren endlich mal ein Ende haben. Falls ein Gespräch zu keinem Erfolg führen sollte, musst du den nächsten Schritt machen. Hier hast du mehrere Möglichkeiten:

1. Du nimmst all deinen Mut zusammen und sprichst mit deinem Vater über das Problem. Ich gehe ganz stark davon aus, dass er sich für dich einsetzen wird, wenn er hört, dass seine eigene Tochter zuhause geschlagen wird.
2. Du wendest dich in der Schule an einen Vertrauenslehrer und schilderst ihm dein Problem. Er wird dich nicht nur trösten, sondern sich auch darum kümmern, dass es dir bald besser geht.
3. Du kontaktierst das Jugendamt und vertraust dich den Mitarbeitern dort an. Hier wird man dir auf jeden Fall auch helfen können und es wird dafür gesorgt, dass sich dieser unerträgliche Zustand für dich ändert.
4. Auch, wenn sich das jetzt im ersten Moment völlig übertrieben anhört, aber wenn das nächste Mal eine solche Situation kommt, dass dich der Mann deiner Mutter schlägt und bedroht, dann ist es nicht verkehrt, die Polizei anzurufen. Ich weiß, dass das ein großer Schritt für dich ist. Aber glaube mir: Das hat nichts mit Verrat zu tun, sondern du würdest es zum Schutz für deinen jüngeren Halbbruder und selbstverständlich für dich selbst tun.

So, wie es seit einiger Zeit bei dir zuhause abläuft, kann und darf es nicht weitergehen. Daher überlege dir, wo du dir am besten Hilfe holst. Dass du davor Angst hast, kann ich vollkommen nachvollziehen, aber diese Angst musst du versuchen zu überwinden. Du bist ein starkes Mädchen. Das kann ich schon daran erkennen, dass du den Mut hattest, uns zu schreiben. Oder möchtest du, dass sein Verhalten unbestraft bleibt? Ich glaube nicht. Daher sage dir selber: "Stop, bis hier hin und keinen Schritt weiter!" Wenn du Hilfe zulässt, wird man dir auch helfen können, da bin ich mir ganz sicher.


Alles Liebe,

Johannes