Problem von Anonym - 21 Jahre

Feedback: Kein WLAN

Lieber Bernd,

es ist jetzt zwar kein „essentielles“ Anliegen, aber doch liegt mir daran etwas darüber zu sagen.

Ich finde es gut den Blick in Richtung Kommunikation mit den Eltern zu wenden und mit ihnen das Gespräch zu führen, allerdings finde ich deine Antwort nicht gerecht demjenigen gegenüber, der dich um Hilfe bei einem Problem gebeten hat.
Es stimmt, dass der Fragende den Begriff „essentiell“ vewendent hat, aber dadurch kann man keinerlei Rückschluss auf die Person schließen. Ich finde es schade, dass dieser Generation der Stempel aufgedrückt wird, dass sie nur noch virtuell und nicht mehr im echten Leben kommunzieren könnten („Doch kriegst du deren Gründe schon gar nicht mehr mit, weil sie es Dir weder in WhatsApp, noch in FB posten?“). Es mag sein, dass es viele junge Menschen gibt, die Übermengen an Zeit in virtuellen Netzwerken verbringen und darüber die wichtigen Dinge im Leben vernachlässigen, aber wir sollten nicht vergessen, dass solch ein Stempel wie du ihn dem Fragenden auferlegen willst auch seine Auswirkungen haben kann. Ich finde auch wir haben eine Verantwortung darin, die „neue“ Generation nicht nur zu veurteilen, sondern ihnen einfach zu vertrauen. Vertrauen darin, dass sie genau wie wir nur Menschen sind, für die es „essentiell“ ist in Beziehung zu anderen Menschen zu stehen und nicht alleine auf dieser Welt zu sein. Sicher ist, dafür ein Smartphone nicht „essentlich“, aber das heißt noch lange nicht dass es vorurteilt oder unbedingt darauf verzichtet werden muss.
Ich verstehe durchaus, dass viele Menschen den elektrischen Medien negativ gegenüber stehen, wenn man junge Leute sieht, die den ganzen Tag nur an ihren Smartphones sitzen und Facebook vor Posts überquillt. Aber es ist nicht so und nicht jeder ist so. Allerdings kann das Internet wirklich hilfreich sein um mit Menschen, die einem wichtig sind in Kontakt zu bleiben. Tatsache ist, es gibt (heutzutage) nicht in jedem Haushalt ein Telefon mehr und Tatsache ist, es ist nicht für jede Person leicht neue Freunschaften zu schließen und manche der Freundschaften befinden sich auch eher außerhalb als in der Schule und da nicht jeder nebenan wohnt ist es auch nicht möglich einfach mal schnell rüber zu laufen („Hast du wirklich keine Freunde mehr, mit denen Du in „realtime“ und am selben Ort sprichts.“). Auch wenn durch das Smartphone die Kommunikation virtuell ist, bedeutet dass keineswegs dass sie NUR NOCH virtuell ist. Auch heute gibt es noch junge Menschen, die gerne mit einer reden und etwas gemeinsam erleben wollen. Dennoch kann ein Smartphone dafür „Mittel zum Zweck“ sein. Tatsache ist nämlich nun mal auch, dass viele Vereinbarungen über Facebook oder Whatsapp erfolgen und das ist nicht zwangszweis etwas negatives. Auch in diesen Portalen gibt es Dinge, die einen positiven Wert haben können „Tandem-Gruppen“, die zum Sprachaustausch dienen und Menschen aus verschiednenen Lädnern ermöglichen in Kontakt zu treten, die sich so niemals kennenlernen würden, Kletter-/Hikinggruppen, Sportgruppen etc. All dies benötigt eben auch Organisation. Ebenso in der Schule und in der Universität werden Referatsgruppen, Lerngruppen etc. gebildet. Und eben nicht nur um der normalen Kommunikation aus dem Weg zu gehen, sondern macnhmal gerade auch um die gemeinsamen Treffen zu ermöglichen und mit den anderen Aufgaben im Leben zu vereinbaren.
Man darf auch nicht vernachlässigen, dass es sich bei dem Fragenden um einen 9.Klässer des Gymnasiums handelt. Ich finde auch von seitens der Eltern ist es notwendig den Kindern Vertrauen entgegenzubringen und mir den Kindern zu kommunzieren. Denn oft sind es leider nicht nur die Kinder, denen es an einer Bereitschaft zur Kommunikation mangelt, sondern auch die Eltern, die mit all den Verpflichtungen, ihren Kindern einfach Regeln vorsätzen ohne mit ihnen zu kommunizieren darüber welchen Sinn und Zweck Regeln haben und können und auch darüber wie das Kind selbst zu diesem Thema steht. Das ist es auch, was ich glaube, dass es zu oft mangelt.

Daher denke ich, dass dieses Problem nicht einfach nur etwas mit „in-sein“ zu tun, sondern auch, das Recht hat ernst genommen zu werden. Ich würde mir etwas mehr Vertrauen gegenüber „dieser“ Generation wünschen und sie nicht als „kommunikationslose Wesen“ darzustellen. Denn auch sie wollen einfach nur reden.

Ich würde mich freuen, wenn Du Deine Ansicht noch mal überdenken und auch dieser Generation eine Chance zur Kommunikation geben könntest, indem Du dem Fragenden nicht von vorneherein, den Wunsch nach deinem Rat und die Kommunikation mit dir verwehrst.

Danke

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Unbekannte,

irgendwie habe ich mich auf Dein Feedback gefreut. Weil es mir in der Regel nicht möglich ist, mich mit jemandem in dem Alter unseres Fragestellenden umfassend über "Fluch und Segen" der uns überflutenden Kommunikationstechniken sachbezogen zu unterhalten. An meiner Antwort halte ich in genau zwei Punkten fest: Eine Lösung seines Problems kann es nur über seine Eltern geben!
Der Kummerkasten ist nicht die "dritte Institution": wenn Mama es nicht erlaubt frage ich Papa. Wenn der dann auch nicht mitzieht, wie ich es mir vorstelle, haue ich den beiden dann die Argumente um die Ohren, die der Kummerkasten für mich findet?!

Und es bleibt meine Frage:
"Hast Du Dir schon mal überlegt, ob vielleicht irgend etwas an der "allgemeinen Kommunikation" falsch läuft? Panne ist?"

Es gibt die Bilder, wo 'zig Menschen auf ihr handy runterschauen und der als Ausnahmeerscheinung auffällt, der den Blick geradeaus orientiert.
Es gibt die Beispiele, wo sich Menschen in Fußgängerzonen anrempeln, weil sie keinen Blick mehr auf das werfen, was sie wirklich umgibt.

Es gibt die Beispiele, in denen sich Menschen ernsthaft fragen, was zum Teufel es zu bedeuten hat, dass sich mein Freund in "WhatsApp" nun schon ne Stunde lang nicht mehr gemeldet hat: ist er tot? Oder liebt er mich nicht mehr?

Das empfinde ich ganz persönlich als "krank"!

Selbst meinem besten Freund gegenüber habe ich das Recht, einmal nicht erreichbar zu sein!
Ich habe ein Recht darauf, mich zurückzuziehen und einmal nur "ich selbst" zu sein!

Ich habe auch das Recht, die anderen auf meine Antwort warten zu lassen!
Muss nicht immer gleich antworten!
Nicht alles gleich "googeln", um einer Antwort näher zu kommen.

Ich bringe ein Bild nicht aus meinem Hirn: diese 'zig Menschen auf dem Bahnsteig, die auf ihr Handy starren. Und ich kann mir vorstellen, dass sie zum teil gerade die neusten ins Netz gestellten Videos anschauen.
Und ich kann mir vorstellen, dass sie sich just im Augenblick ein ins Netz gestelltes Video von einem anschauen, der springt und vom Zug erfasst wird.....
ohne zu realisieren, dass es genau neben ihnen Wirklichkeit war.

Meine Empfindungen sind natürlich die einer aussterbenden Spezies: denen, die noch Briefe geschrieben haben und auf Antwort oft sogar Wochen gewartet haben.
Was ich meinem Unbekannten, dem ich geantwortet hatte (und nun auch Dir) sagen will:
lasst euch von der Technik nicht vereinnahmen!
Und gesteht es euren Freunden zu, auch mal "offline" zu sein!
Gesteht es euch selber zu!
Stress in Form von Ansprüchen, die andere an unsere Präsenz und Verfügbarkeit stellen, gibt es schon reichlich!
Da müssen wir unsere Eltern nicht noch unter Druck setzen, auch noch eins oben drauf zu setzen!

:-) Und wenn ihr die "Verkalktheit" eurer "Alten" als Begründung nehmt!
Und wenn euch das den Freiraum schafft, euch auch einmal Zeit für euch selbst zu nehmen...

ist das vollkommen in Ordnung!

Alles Liebe

Bernd

P.s.: Was genau spricht eigentlich dagegen, die zur Verfügung gestellten Kommunikationswege weiterhin zu nutzen?