Problem von Karolina - 13 Jahre

Ich komme damit nicht mehr klar

Hallo ihr Lieben!
In letzter Zeit geht es mir einfach nur mies, da wollte ich euch anschreiben, denn sonst werde ich bei niemanden mehr Ernst genommen. Also es geht darum, dass ich Probleme in der Familie in der Schule und mit Freunden habe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich überreagiere und wegen meiner Pubertät oft traurig bin usw., aber das ganze macht mich einfach nur runter.

Zu aller erst möchte ich sagen, dass ich meinen zweiten Namen verwendet habe, denn viele meiner Freunde denken, ich suche Aufmerksamkeit und wenn sie meinen ersten Namen sehen würden, würden sie mich auslachen. (So sind sie halt, zu denen erzähle ich später noch was)

Also es fing alles im Kindergarten an, schon da hatte ich keine richtigen Freunde. Die Mädchen haben mich ausgegrenzt, da ich nie auf dieses Prinzessinen Zeug, Make-Up und so gestanden hab. Ich hab oft mit den Jungs gespielt. Später, nach dem Kindergarten, als ich 5 war, bin ich nach Deutschland eingezogen (damals wohnte ich in Polen). In Deutschland besuchte ich dann auch die 1 Klasse. Da ich kein Deutsch konnte, konnten mich die meisten Kinder nicht ausstehen. Ich hatte eine Freundin, die immer wieder Freundschaft gekündigt hatte, aber dann hat sie rumgeheult, weil sie mit mir befreundet sein wollte.

In der 2 Klasse hatte ich auch nur eine Freundin, die hat mich aber leider immer ausgenutzt, sie hatte mir immer gesagt wenn ich dies und das nicht mache, kündigt sie mir die Freundschaft. Natürlich hat sie mir oft die Freundschaft gekündigt, weil ich oft nicht machen wollte, was sie von mir verlangt hatte. Mit den anderen Kindern hatte ich nie was zu tun.

In der 3 Klasse wurde bei uns die Klasse "c" hinzugefügt (damals waren wir nur "a" und "b") und ich musste in die "c" wechseln. (Uns ist aufgefallen, dass sie nur Ausländer in die "c" geschickt haben) Ich habe ein paar Leute kennengelernt und mich mit ihnen angefreundet. Doch leider waren sie auch nicht immer die besten. Sie haben mich oft ausgenutzt (wollten immer, dass ich zb. in der Pause in den Kiosk gehe und ihnen was kaufe, habe ich auch oft getan, Gott sei dank wurde ich nie erwischt). Wir hatten damals immer so ein Spiel mit den Jungs gespielt (Die Jungs konnten mich irgendwie gar nicht leiden) das hieß "Topmodel", alle meine "Freundinnen" wollten das spielen, nur ich nicht, da mich das gar nicht interessiert hatte. Ich hatte ihnen gesagt, dass ich nicht mitspielen möchte, da hatten die mich immer ignoriert. Oft habe ich ihnen gedroht, die Freundschaft zu beenden, dann kamen sie plötzlich alle an. Sie kamen bei mir immer an, wenn sie etwas wollten, sonst war ich ihnen egal. Ich wurde oft bloßgestellt in der Klasse wegen denen, sie haben mich geschlagen und oft beleidigt.

In der 4 Klasse ging eigentlich das selbe ab, nur das ich von einer Herde 3. Klässler verprügelt worden bin (ein 2. Klässler kam dazu) und das weiß bis Heute eigentlich keiner, weil mir das peinlich war.

In der 5 Klasse ging ich auf ein Gymnasium, das hieß: Abschied nehmen von den meisten. Eine von den Freundinnen kam aber auf meine Schule, in meine Klasse. Am Anfang haben wir zusammengehalten, doch dann habe ich bemerkt, wie sie sich immer mehr und mehr zu den anderen angewandt hatte, dann habe ich sie in Ruhe gelassen. Die anderen Mädchen haben angefangen mich zu mobben, doch niemand sagte was dazu, bis ich zu meiner Mutter damit gegangen bin und wir zur Lehrerin gegangen sind. Das Mobbing hat dann aufgehört.

In der 6 Klasse habe ich bemerkt, dass ich zu schlecht für's Gymnasium bin, doch meine Mutter meinte, ich wäre zu faul zum lernen usw., deshalb hab ich es weiter versucht. Später war ich (heute eigentlich immer noch) in einer Clique. Ich habe mich zu ihnen manchmal scheiße verhalten, das gebe ich auch zu, manchmal habe ich sie ausgenutzt und angelogen, aber ich habe es versucht immer gut zu machen, obwohl sie oft selbst zu mir scheiße gewesen sind. Sie haben sich oft getroffen, ohne mir Bescheid zu geben (auch bei Gruppenarbeit, dann meinten sie am Ende, dass ich gar nicht mitgearbeitet habe), sie haben mich oft ignoriert, sie haben mich für jeden scheiß beschuldigt und ich hatte wegen denen oft Heulanfälle, doch meine Mutter interessierte sich dafür nicht, sie meinte das es meine Schuld wäre, dass ich keine Freunde finde, wegen meinem scheiß Charakter und Verhalten. Sie meinte das ich niemanden an mich ranlasse (Das stimmt eigentlich, wegen der Grundschule und Freunden im Internet habe ich aufgehört, anderen Menschen zu vertrauen)

In der 7 Klasse hat sich eigentlich nicht viel geändert, außer das ich einen Internetstreit mit meiner ehemaligen bf hatte. Sie hatte mich auf einer Internetseite in einem öffentlichen Forum darauf angeschrieben, ich wollte das mit ihr Privat abklären, doch ihr war das egal. Sie meinte ich wäre falsch, würde nur an mich denken, würde alle die ganze Zeit ausnutzen, wäre nie ansprechbar, komme nur an, wenn ich was will. Dann hat sie noch irgendwelche Lügen verbreitet, ich war schockiert. Ich hab meine Mutter und ihren Freund gerufen, die meinten das wäre eine Straftat was sie macht und sie wollten zur Polizei gehen, sind sie aber doch nicht, war mich eigentlich auch klar. Der Freund von meiner Mutter meinte dann, dass ich sie ignorieren soll, dass ich mich beleidigen und schikanieren lasse, dass es meine Schuld ist und ich habe wieder einen Heulanfall bekommen. In dem Forum waren 50% auf ihrer Seite und andere 50% haben nur geschrieben "beef" "boah was ist denn hier los?" usw..

Jetzt gehe ich in die 8 Klasse und das selbe läuft immer noch ab. Eine Freundin aus der Clique (ich eigentlich auch) hat sich mit den drei anderen Mädchen gestritten, weil zwei von denen eher auf der Seite von den Leuten die mich gemobbt haben sind und die eine auf der Seite von den zweien ist. Mit der Freundin war ich dann eine Zeit lang eng befreundet, doch dann musste ich erfahren, dass ich nur Unterhaltung und Zeitvertreib für sie war, da sie mit den anderen nichts unternommen hatte. Jetzt haben wir uns mit denen schon vertragen, seitdem ist sie wieder so gemein zu mir, wie sie es immer war. Ich komme damit irgendwie nicht klar, dass sie über jeden aus unserer Clique lästern, aber auf beste Freunde mit der Person tun. Über mich haben sie auch schon vieles gesagt.

Ich weiß nicht, ob ich schon zu viel geschrieben hab, aber ich möchte noch was über mich und meine Familie sagen.

Meine Mutter ist eigentlich eine nette Person. Doch sie ist ab der 6 Klasse meiner Meinung nach, komisch geworden. Sie hatte auch Probleme, dazu möchte ich aber nichts sagen. Seitdem sie ihren Freund hat, interessiert sie sich nicht mehr für mich. Damals hatte sie mich lieb und hat mir bei jeder Sache geholfen, heute interessiert sie sich nicht mehr dafür, lacht mich oft aus. (zum Beispiel am Silvester 2014, ist ein Teil meines Bettes auf den Boden gefallen, da ich voll nahe an dem Bett war, hat mein Fuß angefangen zu bluten und ja es hat halt weh getan. Da ich damit nicht richtig laufen konnte, bin ich humpelnd zum Tisch gegangen, wo sie gegessen haben und habe sie nach einem Pflaster gefragt, daraufhin haben sie mich ausgelacht und letztens hat sich meine Mutter an ihrem kleinen Zeh wehgetan und alle sofort "Oh mein Gott! Ist alles ok?!", ich kam mir richtig verarscht rüber) Meine Schwester wird von jedem aus meiner Familie bevorzugt, da sie geplant war, älter ist und naja, ich war nicht geplant. (Laut ihrer Aussage ist das Kondom geplatzt, keine Ahnung wieso: Aber das hat mich traurig gemacht, sie hätte mich ja auch abtreiben können, es braucht mich sowieso keiner)

Meine Schwester verhält sich scheiße zu jedem, außer zu ihrem Freund und meinem Vater. Ich konnte sie noch nie leiden, sie nutzt meine Mutter nur aus, meine Mutter meint, sie wüsste das, dass meine Schwester sie nur ausnutzt, macht aber nichts dagegen. Meine Schwester meint, ich wäre ein Problem, ohne mich wäre sie besser dran und so einen Mist halt.

Mein Vater war schon immer ein Arschloch. Säufer, Faul, hat sich nie geduscht, hat nie Geld von der Arbeit nach Hause gebracht, mich für jeden scheiß angeschrien, mich manchmal geschlagen, mir oft meinen Laptop weggenommen (den hat meine Schwester jetzt, da sie ihn mir nicht geben will, sie meint sie dürfte ihn benutzen, weil sie ihn zur Reparatur gebracht, meiner Meinung nach, gibt es ihr trotzdem kein Recht an meinem Laptop zu sitzen) um dort Pornos zu schauen, hat meine Seiten, die oft wichtig waren geschlossen. Er wohnt jetzt woanders (nicht weit weg), da meine Mutter ihn rausgeschmissen hat.

Der Freund von meiner Mutter ist der Grund, wieso meine Mutter sich verändert hat. Manchmal verstehe ich mit ihm, manchmal gar nicht. Am Anfang war ich richtig sauer auf ihn und meine Mutter, denn er kam sofort, nachdem meine Mutter nicht mehr mit meinem Vater zusammen war. Das heißt: Meine Schwester und ich mussten (2013, vor Weihnachten) mit meinem Vater hocken, der scheiße zu mir war. Meine Mutter hat mich nie angerufen, nur meine Schwester hatte Kontakt mit ihr (1 Monat lang). Ich hab Nächte durchgemacht, Schule geschwänzt, da ich keine Lust auf meine Klasse und den ganzen Stoff hatte, weil ich eh nichts verstanden habe. Wenn ich was falsch mache, nimmt er meinen Pc sofort weg, meint ich hätte im Haus nichts zu sagen und das ich alles tun muss, was sie mir sagen. (Sonst bekommte ich halt Pc Verbot)

Zu mir: Ich habe keine Lust mehr zu Leben. Vielleicht ist das ja Absurd was ich erzählt habe und ich bin in der Pubertät, deshalb kommt alles schlimm rüber. Aber es gibt noch einen Punkt. Ich bin Emetophobikerin und wenn mir mal schlecht wird, fange ich sofort an zu beten und bekomme sogar Selbstmordgedanken, da ich damit nicht klarkomme. Ob ich hilfe brauche, weiß ich nicht, aber meine Mutter wäre auch die letzte Person zu der ich hingehen würde, denn sie lacht mich entweder aus, oder meint das meine Probleme nicht so schlimm wären.

Ich hoffe ihr antwortet mir so schnell wie möglichst .

Mit Freundlichen Grüßen, Karolina. (Ich möchte meinen 1 Namen nur ungern verraten, steht ja eigentlich in der E-Mail)

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Karolina,

vielen Dank für dein Vertrauen. Gut ist doch, dass du aufschreiben konntest, was dich beschäftigt. Für mich ist es auch gut, dass du sehr ausführlich geschrieben hast - und außerdem sehr übersichtlich. Wir haben keine Begrenzung, wieviel jemand schreiben soll - was immer du uns mitteilen möchtest, solltest du auch schreiben. Es dauert dann zwar länger mit dem Lesen, aber wir haben ein viel klareres Bild von der Lage.

Ich möchte sagen: Offenbar hast du das Pech, bisher noch nicht an Leute geraten zu sein, die wirklich mit dir auf einer Wellenlänge waren. Nicht jeder hat das Glück, im jungen Alter eine beste Freundin oder einen besten Freund zu finden. Bei dir kommt noch hinzu, dass du viel mit Mädchen zu tun hattest, die... doch ziemlich oberflächlich zu sein scheinen. Du kennst deine Klasse besser als ich, und daher wirst du auch besser beurteilen können, ob es etwas bringt, ihnen mal ordentlich die Meinung zu sagen. Vermutlich nicht. Da finde ich es wichtiger, dass du versuchst, über die ganzen Sticheleien drüber zu stehen. Das sagt sich so leicht für mich, ich weiß. Auf der anderen Seite: Sie verhalten sich, wie du festgestellt hast, untereinander genauso wie zu dir. Es gibt kindische Lästereien, Streit aus nichtigem Anlass, wechselnde Kleingruppen; dann verträgt man sich wieder. "Dein" Problem ist sozusagen, dass du dir von einer Freundschaft (sehr zu Recht!) mehr wünschst, als Freundschaft für sie ist. Vielleicht wird sich das irgendwann ändern, schließlich stecken alle mitten in der Pubertät. Im Grunde sind "Freunde" für sie aber eine Art peer group, mit der man abhängt, die einen umsteht und die nötige Sicherheit gibt - was noch lange nicht heißt, dass man nicht den einen hinter seinem Rücken niedermacht, mit dem man eben noch was gemacht hat, und drei Tage später vielleicht umgekehrt. Dahinter steckt eine andere Bewertung der Vorgänge, als du sie hast: Für sie ist klar, jetzt ist "jung" sein (joa, die sollen erstmal erwachsen werden), und das bringt es mit sich, dass sie sich an gewisse Dinge nicht gebunden fühlen. Man probiert sich aus, man reibt sich aneinander, ist überempfindlich gegen jede Art von Zwang, will seinen Willen durchsetzen. Ihnen allen sind Freunde zwar wichtig, aber sie haben oft einen Widerwillen, zu jemandem zu halten, wenn etwas verlangt wird, wenn es unangenehm wird. Du bist ein Mensch mit Prinzipien, die gefestigt sind - sie dagegen lassen sich auch untereinander hängen, beim kleinsten Anzeichen von "Huch, da wartet Ärger", oder "Ach, der ist immer so verklemmt und quatscht so viel". Deshalb hassen sie einander noch nicht - auch nicht unbedingt dich. Sie haben ihre Bedürfnisse nach Gesprächen, nach Nähe und Vertrautheit - und weil sie sich alle gleich sind in ihrer Leichtlebigkeit, kriegen sie das auch. Denn sobald sich zwei Mädels gezofft haben, merkt eine spätestens dann, wenn es woanders Stunk gibt, wie sehr sie die andere trotzdem braucht. Diese wiederum wird ihr auch helfen, weil sie den Streit vielleicht nicht so hoch bewertet, wie du es würdest; es gab schon genug anderen Kleinkram, um den es sich zu kümmern galt.

Das läuft natürlich nicht immer so. Auch bei ihnen bilden sich enge Freundschaften, die beständig bleiben, andere, ältere, gehen auseinander. Ihnen gemeinsam ist allen, dass sie unbedingt etwas erleben wollen, unbekümmert sind, gerne mal sturköpfig und nicht ein bisschen selbstkritisch. Wenn es allen so geht, dann haben alle miteinander schnell wieder vergessen, was war, und für was Anderes ist der dann wieder gut, mit dem man sich eben noch gestritten hat. Das verliert sich meistens im Laufe der Jahre, weil man merkt, wie man auf Andere wirkt, und sich nach Festigkeit und Vertrautheit sehnt. Manche Menschen machen sich ihr Leben lang nicht klar, was ihr Verhalten mit anderen macht: Sie lassen ihre Launen an ihnen aus, und sind dann völlig erstaunt, wenn der Freund oder Partner sich zurück zieht. Die meisten jedoch verstehen ab irgendeinem Zeitpunkt, dass es feste Konstanten im Leben braucht, dass man nur dann entspannt leben kann, wenn man verlässlich ist und redlich - das heißt, das selbst auch macht, was man sich wünscht und von Anderen fordert.

Wenn du so willst, hast du in ihrem Spiel, das sie auch miteinander spielen, den Platz des "nützlichen Idioten" eingenommen, der unheimlich viel aushalten muss, für alles Mögliche eingespannt wird, den man zwar nicht total und von Grund auf ablehnt, den man aber auch nicht zu lange aushalten will. Warum? Nicht weil sie sich bewusst vorgenommen haben, dich fertig zu machen. Sondern weil du reifer bist, ehrgeiziger, was deine Kontakte und deine Lebensführung angeht, weil du Stabilität willst, Treue und tiefgründige Gespräche, und kein wankelmütiges Rumgeschäker und Lästern. Das ist es aber, was sie tun, ohne dass sie darunter leiden. Jeder ist sich selbst der Nächste, sie wollen alles mitnehmen, immer Recht haben, möglichst nichts müssen - und bei alldem wissen sie oft gar nicht, was Freundschaft, Liebe und Vertrauen wirklich sind. Das Traurige ist, dass mancher es nie lernt. Ob deshalb, weil man es ihm nicht vermittelt, oder weil er es nicht möchte, darüber kann man sich streiten. Du wirst in deinem Leben auf Leute treffen, die heute glücklich verliebt sind, quietschvergnügt und motiviert - und dann, hast du nicht gesehen, sich von ihrem Partner trennen und sich (seltsamerweise) beleidigt fühlen, wenn man die Stirn runzelt. Du wirst auf Menschen treffen, die sich heute angeregt mit dir unterhalten, aber am nächsten Tag vollkommen unausstehlich sind. Und dann maßlos erstaunt, wenn du es ihnen vorwirfst. Warum das alles? Weil sie eben mehr "laidback" sind, mehr in den Tag hineinleben, nicht so selbstkritisch sind. Und wenn doch, dann ziehen sie nicht die richtigen Schlüsse, weil das zu anstrengend ist. Sie sagen heute etwas, aber wenn sie es ernst meinten, würden sie sich anders verhalten. Das aus dem Grund, weil sie der Mittelpunkt ihrer Welt sind, sich permanent benachteiligt fühlen, sich immer fragen, was sie falsch machen - aber das Einfachste nicht schaffen: Eine klare Linie zu fahren. Dafür braucht es nämlich Selbstdisziplin, Verantwortungsbewusstsein, Bereitschaft, dicht zu halten und auch mal für jemanden einzutreten - und na ja, das haben viele halt nicht.

Wenn du solche Menschen zu nehmen weißt, Karolina, kannst du dir den Umgang mit ihnen erleichtern. Wie du gesehen hast, bringt es durchaus was, rabiat zu sein, zu drohen - dann merken sie wenigstens, dass es dir ernst ist. Ob sie ihr Verhalten deswegen ändern, ist eine andere Frage. Aber sie fühlen sich gewarnt. Vielleicht werden sie lästern - aber kann dir das nicht egal sein? Meinst du nicht, sie würden immer etwas finden, wenn sie nur wollten? Du weißt, dass sie bloß labern. Wenn du so wärst wie sie, das heißt, dir nicht so viele Gedanken machen (oder wenigstens nicht so lange), und nicht so hilfsbereit wärst, aber andererseits auch selbst mehr offen einfordern und mehr "Hiebe" austeilen, dann wäre es anders. So bist du aber nicht, und darum solltest du dich auch nicht verbiegen. Steh zu deinen Prinzipien und deinen Wünschen, dann wirst du dein Leben viel eher und besser gestalten können als sie. Du hast keine Freundschaft mit ihnen nötig - das, was du unter Freundschaft verstehen würdest, bekommst du da ohnehin nicht - und deshalb musst du dich auch nicht nach ihnen richten.

Zu deiner Familie würde ich ebenfalls sagen: Manche drehst du halt nicht um. Es mag (harmlos ausgedrückt) sein, dass der Freund deiner Mutter mal so, mal so ist, und deine Schwester nicht der einfachste Charakter. Ich finde es trotzdem bewundernswert, dass du dich noch so verständnisvoll äußerst, und so genau abwägst "manchmal ist es, manchmal klappt es auch". Das spricht meiner Meinung sehr für deine Reflektiertheit und dein Bemühen, die Situation zu meistern. Du hast instinktiv erkannt, dass es nicht allzu viel bringt, Feindbilder aufzubauen, und dass du ja eigentlich nur deine Ruhe möchtest - für dein Alter ist das schon einer sehr weiter Schritt, der vielen nicht gelingt, und auf den du stolz sein darfst. Ob es möglich ist, deine Schwester und den Freund deiner Mutter zur Einsicht zu bringen, dass es so nicht geht, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist, dass du noch eine Weile gute Miene zum bösen Spiel wirst machen müssen. Bewahre dir dein Verständnis dafür, dass auch sie Menschen sind, und versuche, nicht zu große Abneigung zu entwickeln. Wenn sie meinen, dir PC-Verbot geben zu müssen, dann ist es das Beste, du machst aus der Not eine Tugend, und versuchst dich solange an anderen sinnvollen Beschäftigungen. Ich kann mir vorstellen, dass das Surfen oder Chatten für dich auch einen starken Ausgleich bedeutet. Jedoch sollte auch die Schule nicht zu kurz kommen - auch, weil gute Noten dir Sicherheit geben, und so am ehesten die Möglichkeit besteht, dass du für dein Wunschstudium oder -ausbildung irgendwann ausziehen kannst (falls du das möchtest). Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass es immer wieder zu Konflikten kommt - doch dann weißt du auch: Sie wissen es nicht besser. Deine Schwester mag ein Wunschkind gewesen sein, aber auch Wunschkinder werden vom Leben geschoren, wenn sie sich nicht zusammenreißen. Und das können Wunschkinder oft nicht, wenn man ihnen zu sehr gezeigt hat, dass man nichts auf sie kommen lässt. Jeder Mensch muss sich bewähren - wenn sie es nicht haben, gut. Offenbar müssen sie ihren Frust darüber an dir auslassen. Kannst du dir etwas Ärmeres vorstellen? Ich nicht. Und es lässt schon tief blicken, dass da eigentlich nur Leute sind, die wissen, dass sie selber nicht viel auf die Reihe kriegen. Du solltest diesen Ärger aber nicht mit Hass und totaler Ablehnung beantworten, sondern lieber mit Taktgefühl vorgehen, allein schon, damit du nicht zuviel wertvolle Energie auf diese kleinlichen Beschuldigungen, die du von ihnen zu hören kriegst, verwendest. Das sind sie nicht wert. Versuche, nicht zuviel darüber nachzudenken, wie du dich rechtfertigen kannst, wie du es bessern kannst - du kannst es für dich bessern, kannst den Schmerz in Kraft umwandeln, aber sie als Personen kannst du nicht ändern. Da müssen sie selbst ran.

Hier ergibt sich für mich ein ganz anderes Bild von dir, als deine Schwester es hat. (Den Spruch mit dem Kondom finde ich dermaßen übel, dass ich dazu lieber überhaupt nichts sagen mag.) Du bist an den Widerständen gereift, die dir begegnet sind; du musst dich zwar mit Leuten herumschlagen, die es - ob fünfzehn oder fünfzig - nicht so weit gebracht haben, aber du hast dadurch genau herausgefunden, was es für dich braucht: Alles, was sie NICHT sind. Du stehst zu dir, denkst nach und bist dir bewusst, dass die ganze Sache kompliziert ist. Das ist um Längen besser, als wenn du nur hassen und dich zurückziehen würdest. Das Leben will angegriffen sein. Und Anerkennung finden auf Dauer nur solche, die zu sich stehen: Lass darum nicht ab von dem, was du gern hast, lass dir niemals ausreden, wie du dich anziehen möchtest, welchen Hobbys du nachgehen möchtest, was du sagst und denkst. Sei kritisch, hinterfrage auch dich selbst, aber lass dich auch nicht zu etwas machen, was du nicht bist. Irgendwann wird den Leuten klar, dass du verlässlich bist und solide und gedankenvoll, dass von dir mehr zu erwarten ist, als von vielen ihresgleichen. Aber dann wirst du genau wissen, wen du vor dir hast, und wirst dich nicht für sie einspannen lassen. Denke über dein Leben nach und was du damit machen möchtest - fasse Pläne und verfolge sie. Alles, was jetzt ist, geht vorüber, ist nur Sprungbrett in eine Zukunft, die du selbst gestaltest. Wenn du nicht in dem Ärger über diese Zeit hängen bleibst, sondern dir alles kühl betrachtest und von den Fehlern Anderer lernst, wirst du überlegen aus der Sache hervorgehen. Und so schwer es sich - verständlicherweise - für dich anfühlt, Karolina: Ich empfinde dich so, dass du die richtigen Gedanken schon jetzt hast, schon jetzt die richtigen Schlüsse ziehst und in die richtige Richtung unterwegs bist. Du hast das Selbstgefühl und das Wissen um das, was dir gut tut, hast Ehrgeiz und Charakter und Einfühlsamkeit auch für die Menschen, die dir nichts schenken. Ich beschließe also damit, dass ich große Hoffnung für dich habe. Und ich wünsche mir sehr, dass du mir beipflichten kannst.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul