Problem von Johanna - 16 Jahre

Essen

Hallo !
Ich weiß nicht mehr was ich tuen soll, ich kämpfe mit dem Problem schon länger aber ich traue mich nicht so richtig mit jemandem zu sprechen.

Damit man das verstehen kann fange ich mal ganz von frone an.
Früher ging es mir nicht so gut, im nachhinein kann ich sagen das ich ziemlich essgestört war, mein ganzes Leben drehte sich nur um Essen, ich habe mich sehr zurückgezogen und habe alle Annäherungsversuche anderer Menschen abgewiesen.
Ich war depressiv (also das glaube ich, ich war nie bei einem Arzt der mir Depressionen diagnostiziert hat).

Auf jeden fall habe ich da herausgefunden und seitdem kämpfe ich gegen die Krankheit an so gut es geht.
Ich versuche so "normal" wie möglich zu essen und zu denken.
Ich fühle mich wirklich gut und habe auch endlich kraft zu leben und Emotionen zu spüren.
Es ist manchmal nicht einfach aber ich werde nicht aufgeben.
Das ist aber nicht der Grund warum ich hier hin schreibe.
Es ist wegen meiner Schwester.

Ich sorge mich um sie wie eine zweite Mutter, da unsere Mutter ziemlich viel mit sich selbst zu tuen hat und sich lieber mit sich selbst beschäftigt, haben wir ein anderes Verhältnis wie die meisten Geschwister. Wir standen uns sehr nahe und ich benahm oder benehme mich manchmal wirklich wie ihre Mutter.

Ich war immer die dünnere von uns beiden obwohl ich älter und größer als meine Schwester war.
Seit ich zugenommen habe und immer noch zunehme hat meine Schwester stark abgenommen und zeigt das gleichen essverhalten was ich hatte.
Sie hat sich von mir komplet zurückgezogen und streitet alles ab, wenn ich versuche mit ihr zu reden.
Aber das schlimmste ich, das sie genau das selbe tut was ich früher gemacht habe und ich weiß ganz genau das es ihr beschissen geht und ich kann nichts dagegen machen.
Einerseits will ich ihr einfach nur helfen und sie in den Arm nehmen.
Ich will das tuen was ich mir in dieser Zeit gewünscht hätte und zwar das mich jemand daraus holt.
Aber gleichzeitig weiß ich auch das sie mich nicht an sich ran lässt und das ihr auch keiner helfen kann als sie selbst.
Ich habe mit meiner mum schon darüber gesprochen aber sie nimmt das nicht ernst da sie selbst auf dauer Diät ist und sich nicht wirklich darum kümmert.
Das schlimmste dabei ist jedoch das ich selbst noch oft mit den "Essgestörten Gedanken" kämpfe die mir sagen wie fett und schwach ich bin. In diesen Momenten bin ich so schrecklich neidisch auf meine Schwester und es fällt mir so schwer diese Gedanken weg zu drängen.
Ich kann ihr nicht helfen weil die Gedanken immer hochkommen wenn ich mein altes Verhalten bei ihr wieder erkenne und dann am liebsten alles auskotzen würde. Aber gleichzeitig zerreist es mein Herz und ich will alles tuen um sie daraus zu holen.

Bitte sagt mir was ich tuen kann um ihr oder wenigstens mir zu helfen.
Ich weiß einfach nicht mehr weiter.

Ich würde mich über eine Antwort freuen.

LG Johanna

Anna Anwort von Anna

Hey Du,

schön, dass Du Dich hier anvertraust und Deine Situation so ausführlich beschreiben kannst. Zwischen den Zeilen fällt es nicht schwer zu merken, dass es Dir momentan sehr schlecht gehen muss und Du nicht nur eine Situation zu lösen, sondern eine viel kompliziertere Sache zu bewältigen hast.

Zuerst mal zu Deinen eigenen Essschwierigkeiten. In einer schnelllebigen, sich ständig wandelnden Welt, die nicht nur in der Jugend, sondern in jedem Lebensalter unglaublich viele Probleme für einen bereithält, die uns meist über den Kopf wachsen, ist das einzige, was wir kontrollieren können, wir selbst. Wir selbst entscheiden, was wir wann, wo und wie tun und wir selbst entscheiden auch, was mit unserem Körper passiert. Somit kann es sein, dass Dein Bedürfnis, Deinen Körper (also Gewicht, Essen, Bewegung) zu kontrollieren, dann am stärksten ist, wenn wir am meisten das Gefühl haben, dass uns alles über den Kopf wächst und wir die Kontrolle verlieren.
Essen steht aber außerdem für die Mutterliebe und für Geborgenheit. Deswegen isst man vielleicht mal mehr, wenn es einem nicht gut, um die Leere in einem "zu stopfen". Isst man gar nichts oder fühlt sich beim Essen immer schlecht, kann das auch ein Zeichen dafür sein, dass man sich diese Geborgenheit nicht gönnen will. Menschen mit so einem Essverhalten sind meist sehr kontrolliert, diszipliniert, distanziert und haben sehr, sehr hohe Erwartungen an sich selbst. Du hast erzählt, dass Du mit Deiner Mutter nicht so gut klar kommst, dass sie sich nicht wirklich kümmert und mit ihren eigenen Problemen beschäftigt ist. Ich finde, das solltest Du ihr mal sagen! Ganz klar und ganz offen. Wenn es Dir lieber ist, schreibe einen Brief - da wirst auf jeden Fall nicht unterbrochen und sicher wird sie ihn auch ganz lesen. Schreibe all Deine Gefühle Deiner Mutter gegenüber da rein und berichte ihr von Deinen Sorgen um Deine Schwester.

Und nun zu Deiner Schwester bzw. Eurem engen Verhältnis. Ich finde es sehr gut, dass sie Dir nicht egal ist, dass Du Dich um sie kümmerst und sehr sensibel merkst, wenn es ihr nicht gut geht. Du hast recht - wenn sie sich nicht anvertrauen will, kannst Du sie nicht auch nicht dazu zwingen. Wenn Du sie drängst, verschließt sie sich vielleicht nur noch mehr. Du kannst ihr also einfach nur signalisieren, dass Du für sie da bist. Dass Du sie gerne hast, so, wie sie is(s)t und ein offenes Ohr für sie hast. Vielleicht hat sie ja auch Lust auf eine gemeinsame Unternehmung mit Dir? Einfach nur zusammen Spaß haben, das stärkt das Vertrauen. Zeig ihr, dass Du für sie da bist, nicht mehr und nicht weniger.
Und trotzdem: Dass Du für sie eine Mutterrolle eingenommen hast, ist nicht gut. Du bist viel zu jung für solche Aufgaben und solltest Dich mehr auf Dein eigenes Leben konzentrieren können. Dass Du das zur Zeit nicht kannst, kann ich verstehen, immerhin bedeutet Dir Deine Schwester viel. Es ist also absolut wichtig, dass Deine Mutter ihren Platz als Mutter einnimmt, denn den kannst und solltest Du nicht übernehmen!
Vielleicht wäre es nicht schlecht, eine Therapie zu beginnen. Dort kann Dir ein Therapeut und Psychologe gute Hilfestellungen bieten. Wende Dich an einen Hausarzt und versuche ihm, Deine Situation zu schildern.

Ich wünsche Dir auf jeden Fall alles Gute auf Deinem Weg und würde mich freuen, nochmal von Dir zu lesen!

Liebe Grüße,

Anna