Problem von Niki - 20 Jahre

Berufen zum ...

Hallo liebes Kummerkasten-Team,

ich besuche diese Seite hier öfter und suche dieses Mal euren Rat.

Kurz zu mir. Ich bin momentan 20 Jahre alt, single, lebe bei meinen Eltern und bin am Verzweifeln.
Im Sommer 2015 habe ich meine Abitur bestanden (1,7) und habe im Oktober ein Duales Studium angefangen(Wirtschaftsinformatik). Das Studium habe ich mittlerweile abgebrochen. Ich habe gemerkt, dass mir das zu viel Stress war und ich auch kein wirkliches Interesse hatte. Die Entscheidung zum Abbruch ist mir wirklich nicht leicht gefallen, aber es war mit Sicherheit die Richtige. Nun sitze ich seit Wochen rum und versuche mich über neue Möglichkeiten zu informieren.

Mein Problem: Es gibt einige Studiengänge und Ausbildungsberufe, die ich ganz interessant finde (Sportmanagement, Lehramt, Polizei, Veranstaltungskaufmann, Hotelkaufmann, Sport und Fitnesskaufmann, Medienmanagement und noch ein paar mehr). Jedes Mal wenn ich mir vorstelle wie mein Berufsleben mit diesem Studiengang aussieht und ich mir die Frage stelle "Will ich das über lange Sicht wirklich?" bekomme ich Angst und ein ungutes/unsicheres Gefühl.
Ich Fürchte mich davor etwas zu Wählen, dass ich später bereuen werde, weil ich a) nichts damit anfangen kann oder b) es mir doch keinen Spaß macht.
Für meinen Beruf will ich doch nur etwas, dass richtig für mich ist. Ob Studium oder Ausbildung ist mir egal, aber je mehr ich mich informiere und je länger ich auswäge und grüble, umso frustrierter werde ich.
Oft glaube ich, dass es einfach keinen richtigen Beruf für mich gibt. Dann denke ich mir "Dann muss ich ja auch gar nicht arbeiten und alles hinschmeißen". Wenn ich mich mit diesem Gedanken ertappe fühle ich mich richtig schlecht, schäme mich und fühle mich als Versager der Gesellschaft.
Mein Vater meinte, dass der Beruf nur zum Geldverdienen sei. Damit bezahlst du die Miete, dein Essen und versorgst deine Familie. Dabei geht es nicht darum, ob du Spaß hast. Den kannst du nach dem Feierabend haben.
Stimmt das? Ich will nicht diesen 0815 Job haben, wo ich um 6 aufstehe, um 7 anfange, bis 16 arbeite(hauptsache es hinter mich bringen) . Ich will aufstehen und mich auf die Arbeit freuen können. Oft hab ich das Gefühl, dass es zu viel verlangt ist, wenn man sowohl Glück im Beruf als auch in seinem privat Leben haben will.
Niemand kann mir die Entscheidung abnehmen, aber mit jedem Berufswahltest, Gespräch mit Eltern/Freunden/Berufsberatern und durchforstete Uni-Seite scheint die Entscheidung nur schwerer und schwerer zu werden.
Ich kann einfach nicht mehr.
Ich brauche wirklich mal einen guten Ratschlag

Grüße Niki ;)

Anna Anwort von Anna

Hallo Niki,

vielen Dank für Dein Vertrauen. Dass Du in Deiner jetzigen Situation am verzweifeln bist und Dir tausend Fragen durch den Kopf gehen, die Dir dann die allerletzte Sicherheit und Gewissheit rauben, kann ich sehr gut nachvollziehen, denn mir ging es nach meinem Abitur genau so.

Die Wahl des Berufs ist natürlich nichts Unwichtiges, denn immerhin arbeitet man die meiste Zeit seines Lebens, nicht nur in Jahren gemessen, sondern meistens auch von der täglichen Stundenanzahl. Dass Du da Ansprüche an Deinen zukünftigen Job hast, ist nur allzu verständlich, denn auch Studien zeigen, dass die falsche Arbeit einen einfach unglücklich macht und die Lebensqualität senkt. Wer sich in der Gesellschaft einbringt, sollte also das tun, was ihn am meisten interessiert, denn dafür hat er die meiste Motivation und ist somit auch am besten in dem Bereich. Und da gibt es dann natürlich neben der Erfüllung im Job noch viele weitere Faktoren, die man nicht außer Acht lassen darf - die persönliche Eignung für den Job, der Spaßfaktor, die Abwechslung, der Ort, die Nachfrage für die Tätigkeit, die Vereinbarkeit mit Familie und und und.

So - aber woher soll man bitte mit 20 Jahren wissen, was der perfekte Traumjob für einen ist? Zum Einen hat man noch gar keine praktische Erfahrung, zum Anderen ändern sich die ganzen Gegebenheiten um einen Job alle paar Jahre. Die Wenigsten also können nach dem Abitur sagen, wozu sie sich berufen fühlen und bleiben dann auch noch in dieser Branche. Und die Antwort auf die Frage, was für Dich der perfekte Job wäre, findest Du nicht im Internet, in Eignungstests oder im Beratungsgespräch.
Bei der Wahl des richtiges Berufsfeldes sollte man wie beim Bau einer Pyramide vorgehen. Du erwartest, von ganz unten direkt die Spitze bauen zu können - also den eigentlichen Job, den Du später ausführen willst. Dabei steht bei Dir gerade mal das Fundament - Dein (wirklich sehr gutes) Abitur. Nun solltest Du an die Zwischenstufen denken.
Als erstes solltest Du herausfinden, wo Dein Interessensschwerpunkt liegt, ohne dabei daran zu denken, welche Berufe es da gibt und ob die was wären, einfach nur die Frage: Was interessiert mich eigentlich?
Sicher fallen Dir da Dinge ein, eine ganz grobe Tendenz in eine bestimmte Richtung. Notfalls orientiere Dich daran, was Dich in der Schule immer interessiert hat und bleibe bei dem, was Dir als erstes einfällt, wo Du schon immer eine gewisse Verbindung zu gefühlt hast.

Naturwissenschaften vielleicht?
Oder Mathematik? Informatik?
Vielleicht warst Du auch schon immer ein Mensch mit vielen sozialen Kontakten, Freunde kamen zu Dir als Ratgeber, Du hast gerne vermittelt?
Oder warst Du immer von Geisteswissenschaften angetan - Geschichte, Religion oder Ethik und Philosophie?
Oder Du warst sprachlich immer sehr begabt?
Vielleicht aber auch künstlerisch in Musik oder Kunst?
Oder Du bist eher der handwerklich Typ und liebst es, Dinge herzustellen?

Wichtig ist im ersten Schritt, dass Du Deine Interessen herausfindest. Viele gehen nach dem Abitur auch ins Ausland um sich selbst und ihre Interessen zu finden, reisen rum oder jobben erstmal. So eine Reise kann erhellend fürs eigene Innenleben sein.
Wenn Du Dein Lieblingsinteressengebiet gefunden hast, würde ich Dir ein Studium empfehlen. Da hast Du dann die Zeit, Deine Interessen zu spezifizieren. Du hast Zeit für Praktika, Du hast Zeit, Dich besser kennen zu lernen, Deine Gewohnheiten heraus zu finden und wie es ist, alleine zu wohnen und vielleicht auch für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen zu müssen. Du kannst jobben und darüber Erfahrung sammeln und merken, was Dir liegt und was nicht und vor allem lernst Du im Studium auch viele, viele fremde neue Menschen kennen, die alle aus unterschiedlichen Umständen und Kulturen kommen und ganz unterschiedliche Berufsbereiche kennen und Erfahrungen gesammelt haben. Es werden sich viele neue Türen öffnen.

Aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, dass, wenn Du nicht ganz sicher weißt, was Du später mal machen willst (und wie gesagt, das wissen die Wenigsten), Du Dich immer nach Deinen Interessen richten solltest. Nur so findest Du den Job, den Du machen willst und von dem Du jetzt vielleicht noch gar nicht weißt, dass es ihn gibt. Und selbst wenn der Dir nach ein paar Jahren nicht mehr gefällt, was auch nicht unwahrscheinlich ist, da man sich selbst ja auch verändert, machst Du einfach einen anderen. Du bist nicht festgelegt und vorallem musst jetzt noch nicht WISSEN, was DER perfekte Beruf ist. Nimm Dir Zeit!

Viele liebe Grüße,

Anna