Problem von Marit - 13 Jahre

Mama zerbricht an der Arbeit

Hallo!
Mein Problem ist, dass meine Mutter eine beschissene Arbeitsstelle hat. Der Job an sich ist gut, nur das Umfeld ist kacke. In diesem Monat sind beispielsweise wieder 3 oder 4 Kollegen wegen Burn-Out ausgefallen. Wieder einer ritzt sich und noch einer ist andersweitig krank.Und so weiter, und so weiter... Sie ist zwar Prokoristin, bekommt aber trotzdem immer wieder von jemandem eine mit. Die Arbeit der anderen (die ausgefallen sind) hat sie jetzt zum Teil auch noch übernommen. Diesen Monat ist sie jetzt auf 90 Überstunden gekommen, und trotzdem muss sie noch zuhause weiterarbeiten. Wenn sie nach Hause kommt, ist sie gernervt und steht immer noch unter druck, weil sich garantiert noch jemand findet, dessen Problem EXAKT JETZT bearbeitet werden muss. Ich habe Angst das sie darunter zerbricht und entweder noch weniger Zeit für uns hat, irgendwann druchdreht, oder die nächste ist, die mit Burn-Out im Krankenhaus landet. Papa und ich versuchen sie immer wieder zu überreden den Job zu wechseln, oder wenigstens auch mal "Nein!" zu sagen, aber das ist das einzige, wo sie resistent bleibt.
Ich hoffe, das war ausführlich genug...
Liebe Grüße
Marit

Johannes Anwort von Johannes

Liebe Marit,

ich freue mich wirklich sehr, dass du dich mit deinem Problem an uns gewandt hast.

Ich kann deine Verweiflung sehr gut nachvollziehen. Sicherlich ist es nicht einfach für dich zu sehen, wie deine Mutter immer mehr arbeitet und du merkst, dass sie sich und ihren Körper damit kaputt macht.

Besonders berührt bin ich von deinem Satz: "Ich habe Angst das sie darunter zerbricht und entweder noch weniger Zeit für uns hat, irgendwann druchdreht, oder die nächste ist, die mit Burn-Out im Krankenhaus landet." Mein Vorschlag ist, dass du in einer ruhigen Minute mal mit ihr über deine Angst sprichst. Sage ihr, wie sehr dich die Situation belastet und dass du wirklich große Angst um sie hast, dass sie sich zu Tode arbeitet. Male ihr auf ein Blatt Papier doch mal zwei Kreise, die Energiekuchen darstellen sollen. In dem ersten Energiekuchen soll sich deine Mutter mit der Frage beschäftigen: Woher kommt meine Energie? Und in dem zweiten Kuchen soll sie sich mit der Frage beschäftigen: Wohin geht meine Energie? Sie soll sich die beiden Energiekuchen selbst einteilen und dabei ganz ehrlich sein, denn sonst bringt die ganze Sache nichts. Wenn der zweite Kuchen viel mehr gefüllt ist als der erste, also wenn deine Mutter mehr Energie verbraucht, als sie in Wirklichkeit hat, sollte sie sich dringend Hilfe suchen. Du schreibst, dass sie die Arbeit der anderen zum Teil übernehmen muss, dass sich diesen Monat 90 Überstunden angesammelt haben und dass sie selbst zuhause weiterarbeitet, was bei ihr negative Gefühle bzw. hohen Druck verursacht. Besonders alarmierend finde ich, dass von dem Problem in der Firma bereits mehrere Mitarbeiter betroffen sind. Wie ich aus deiner Mail herauslese, steht deine Mutter unter einer enormen körperlichen Belastung, die ihr auf Dauer nicht guttun wird.

Weißt du, ob sich deine Mutter schon einmal mit dem Burn-out-Syndrom beschäftigt hat? Natürlich bin ich kein Arzt und kann keine Ferndiagnose stellen, aber ich denke, dass sie sich zumindest mal damit beschäftigen sollte. Grundsätzlich unterscheidet man in einer Burn-out-Spirale acht Phasen. Frage deine Mutter mal, ob sie sich bei einem oder soagr mehreren Punkten wiederfindet. Wenn dem so ist, sollte sie rechtzeitig die Notbremse ziehen. Regelmäßige Bewegung ist eine Möglichkeit, Stress abzubauen. Wichtig dabei ist: Bewegung ohne Leistungsdruck! Sicherlich hilft es ihr auch, über ihren Stress zu reden.

Phasen der Burn-out-Spirale:
1. Zwang sich zu beweisen
2. Verstärkter Arbeitseinsatz
3. Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
4. Verdrängung von Konflikten und Problemen
5. Verhaltensänderungen
6. Innere Leere
7. Depression
8. völlige Burn-out-Erschöpfung

Wenn wirklich gar nichts mehr geht, sollte sich deine Mutter ein klares Aufgabenlimit setzen und dieses auch durchziehen. Meiner Meinung nach solte sie das Risiko eingehen, dass in der Firma ans Licht kommt, wie sie sich wirklich fühlt. Ich weiß, dass das ein großer Schritt für sie ist, liebe Marit, aber bevor sie wirklich daran zerbricht oder irgendwann durchdreht, wie du so schön geschrieben hast, sollte sie diesen Weg unbedingt gehen.

Zum Schluss möchte ich dir ans Herz legen, dass du deine Mutter versuchst zu überzeugen, dass sie zum Arzt geht und mit ihm über ihr Problem redet, denn er kann ihr vor Ort am besten helfen. Eventuell ist es auch sinnvoll, dass sie sich bezüglich ihrer akuten Arbeitsüberlastung an einen Psychologen wendet. Sicherlich wird es einige Wege geben, die sie gehen kann und diese Wege sollte sie mit ihrem Arzt genau besprechen. Darüber hinaus hoffe ich, dass sie die nötige Unterstützung auch von deinem Vater bekommt.

Ebenso hoffe ich, dass ich dir mit meiner Antwort ein wenig weiterhelfen konnte und dass sie bald zu einer Einsicht kommt, dass sie Hilfe braucht. Ich wünsche dir die nötige Kraft, deine Mutter zu unterstützen. Ich finde es wirklich ganz klasse, dass du dich so sehr für sie einsetzt und ihr helfen möchtest. Das ehrt dich wirklich sehr. Nimm aber bitte auch auf dich und deine Grenzen Rücksicht und schau, dass du selbst nicht an dem Problem deiner Mutter zugrunde gehst. Vergiss bitte nicht, dass man andere Menschen nicht ändern kann, sondern nur sich selbst. Denke immer daran, dass es nicht dein Problem ist. Lasse es nicht zu deinem Problem werden! Falls du die Situation selbst gar nicht mehr ertragen kannst, weil du merkst, dass du ihr nicht helfen kannst oder sie sich nicht helfen lassen will, gehe ein Stück auf Distanz. Lasse sie los, aber nicht fallen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir nach einiger Zeit ein Feedback schreibst und erzählst, wie es dir und deiner Mutter geht.


Alles Liebe,

Johannes