Anwort von JuliaG

Hallo liebe Sammie,

ich freue mich, dass du dich uns anvertrauen möchtest! :)

Dass du um ein Mädchen trauerst, welches du nicht persönlich kanntest, kann verschiedene Gründe haben.
Ich vermute in deinem Fall, dass du dich gut mit ihr identifizieren kannst, da du in deiner Vergangenheit ein ähnliches Erlebnis hattest. Dieses Erlebnis hat dich wohl möglich an deinen eigenen schrecklichen Beinah-Unfall erinnert, weshalb du dich dem Mädchen sehr verbunden fühlst. Vielleicht stellt sie seitdem für dein Unterbewusstsein einen Teil von dir selbst dar, was eine Erklärung für deine tiefe Trauer um sie könnte.

Ich kann gut nachvollziehen, wie seltsam sich all das für dich anfühlt.
Aus deiner Zuschrift geht hervor, wie verwirrend es für dich ist, um eine Person zu weinen, die du lediglich vom Sehen her kanntest.
Und dennoch kann ich dir sagen: Trauern um Bekannte oder gar um fremde Menschen ist nichts ungewöhnliches. Nicht immer muss man jemanden sehr nahe stehen, um seinen Verlust zu betrauern. Auch einfache Berichte über einen Todesfall können einen sehr berühren.

Für mich ist das ein Zeichen für großes Einfühlungsvermögen. :)
Du verstehst vielleicht gerade wegen deiner eigenen Erfahrung diesbezüglich so deutlich, welche Schrecken das Opfer und seine Hinterbliebenen durchmachen müssen. Unglücklicherweise leidest du momentan wahrscheinlich auch genauso sehr...
Du schreibst sehr deutlich, wie sehr dich Schuldgefühle plagen. Dass du es damals überlebt hast, sie leider nicht. Wer würde vermutlich nicht so denken, wenn man selbst bei etwas Vergleichbarem so viel mehr Glück hatte als der andere?

Nichts desto trotz möchte ich dir sagen, dass du für diesen Unfall einfach nichts kannst, liebe Sammie. Du bist weder schuld daran, dass es passiert ist noch, dass du nicht vor Ort warst, um es irgendwie zu verhindern. Mache dir das bitte bewusst! Ich kann mir gut vorstellen, dass das Mädchen nicht gewollt hätte, dass du dir nun Vorwürfe machst. Wem würde das auch nützen?


Ich finde es wichtig und würde mich darüber, wenn du dir erst einmal die Zeit zum Verarbeiten der Geschehnisse und deiner Gefühle nimmst. Gerade weil dich ihre Geschichte so sehr mitnimmt, brauchst du Raum um deine Gedanken ordnen zu können. Das ist essentiell, damit gar nicht erst ein Trauma entsteht, liebe Sammie.
Damit du einen Überblick bekommst, welche "Phasen der Trauer" ein Mensch nach einem Verlust durchlebt und damit du dich nicht fürchten musst, dass deine Gefühle in irgendeiner Weise unnormal sind, möchte ich dir diese Website empfehlen: http://www.trauerbegleitung-mtk.de/trauer.html

Hilfreich ist auch, mit anderen Personen über deine Trauer, Ängste und Schuldgefühle zu sprechen - am besten mit jemanden, dem du vertraust und bei dem du dich wohlfühlst. :) Nehme dir Zeit zum traurig sein, liebe Sammie, denn ungelebte Trauer kann auf Dauer krank machen.
Wenn nicht immer jemand für dich da sein kann, sobald es dir schlecht geht, kannst du auch die Alternative nutzen und deine Gefühle auf ein Blatt Papier bringen. Du kannst gern einmal versuchen, sie in Worte zu fassen und eine Art Tagebucheintrag oder ein Gedicht oder auch eine (vielleicht deine) Geschichte zu schreiben. Es gibt auch Leute, die malen bzw. zeichnen, wenn sie sich neu ordnen oder beruhigen wollen.
Egal für welche Sache du dich auch entscheiden magst, der Vorteil ist: Du setzt dich mit deiner tiefen Gefühlswelt auseinander und kannst die Trauer vernünftig verarbeiten, indem du ihr ein Ventil gibst frei zu werden - damit du eines Tages von ihr loslassen kannst.

Für den Fall, dass du einmal an einen Punkt kommen solltest, an dem du nicht weiter kommst, möchte ich dir diesen Link aus unserer Soforthilfe empfehlen: http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html
Psychotherapeuten können einem aus den unterschiedlichsten Problemlagen helfen. Hast du also das Gefühl, dass es dir schlechter geht, du keinen Antrieb mehr findest oder einfach ratlos bist und professionelle Hilfe brauchst, findest du hier Infos darüber, wie man einen Therapeuten findet, was in einem Gespräch mit ihm passiert und woran du erkennst, dass dieser der richtige Berater für dich ist.


Sammie, ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft, auf dass du bald wieder frei von Schuld und Trauer leben kannst!

Liebe Grüße,

Julia