Problem von Victoria - 19 Jahre

Adoption?

Jetzt habe ich noch 6 Wochen für die endgültige Entscheidung und mit jedem Tag fällt mir die Entscheidung schwerer ich muss die ganze Zeit daran denken, ob der Kleine während der Schwangerschaft Angst hatte? Ob er gemerkt hat das ich nichg bereit für ihn bin? Ob er mich im Krankenhaus vermisst hat? Ob er weiß das die Frau die ihn unter dem Herzen trug eine andere ist als die die ihn jetzt mit all ihrer Liebe versorgt? Ich Frage mich ob es Momente gab in denen unsere Herze im selben Takt schlugen ob mein Baby mich bedinungslos liebte obwohl ich so an ihm zweifelte. Ich frage mich wie seine Augen aussehen und wie er schreit. Ich habe das Gefühl alles in mir sehnt sich nach ihm und im selben Moment habe ich das Gefühl das ganze niemals schaffen zu können und nicht in der Lage zu sein ein Kind großzuziehen. Wie soll das gehen wenn ich nicht mal mein Leben so Recht im Griff habe? Ich müsste meine Ausbildung aufgeben da mein Mietvertrag besagt ich darf nur alleine in meiner Wohnung leben. Ich müsste zurück zu meinen Eltern. Ich hätte keine ruhige Nacht mehr. Welcher Arbeitgeber nimmt mich denn schon mit Kind? Finde ich jemals wieder einen Partner wenn ich ein Kind habe? Mir gegenüber steht eine Adoptivfamilie die meinem Baby alles bieten kann ein ganzes Haus mit Garten, sichere Arbeitsplätze Oma und Opa wohnen gleich neben an und immer wieder sehe ich die Adoptivmutter, so aufgeregt und mit Tränen des Glücks in den Augen. Sie hat mein Kind schon geliebt bevor sie es kannte während ich nicht in der Lage war und nicht mal weiß ob ich dazu jemals in der Lage sein werde.

Ich habe mir mein Leben so nicht vorgestellt und ich hab keine Ahnung was ich tun soll. Bin ich ein schlechter Mensch, weil ich möchte das mein Kind das beste bekommt was ich ihm geben kann? Bin ich egoistisch wenn ich nicht ohne mein Kind sein will obwohl andere ihm viel mehr geben können als ich?

Ich weiß ihr könnt mir kein Patentrezept geben und ihr habt wahrscheinlich auch keine Antwort darauf ob ich mein Kind zu mir nehmen soll oder ob es besser ist ihn in der Familie zu lassen die sich so liebevoll um ihn kümmern. Ich weiß nicht Recht was ich mir erhoffe vielleicht eine persönliche Meinung? Vielleicht habt ihr eine Idee wie ich zu meiner Entscheidung kommen kann? Vielleicht habt ihr ein paar nette Worte? Vielleicht habt ihr eine Idee..

Vielen Dank für eure zahlreiche Hilfe und die Zeit die ihr investiert.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Victoria,

ich kann dir die Entscheidung nicht abnehmen, was jetzt das Richtige wäre. Aber wenn du meine Meinung hören möchtest, so ist es diese: Einen Königsweg kann es für dich nicht geben. Nimmst du dein Kind zu dir, musst du in vielen Punkten umdenken, wohl. Nimmst du es nicht zu dir, werden die Gedanken, die du jetzt hast, aber nicht verschwinden. Sie werden dein ganzes Leben lang immer wieder kommen. Und ich schreibe das nicht, weil ich dir Schuldgefühle machen wollte - das will ich nicht. Und ich schreibe es auch nicht, weil ich dich prinzipiell in diese Richtung stoßen wollte - auch das ist nicht mein Ziel. Meine Meinung zählt hier nicht. Ich kann und will dir nicht raten, wo es um etwas geht, das sowieso kein Mann ansatzweise nachempfinden kann. Ich möchte meine Gedanken mit dir teilen. Solltest du danach eine Entscheidung treffen, dann sollte das nicht eine sein, zu der du dich von mir gedrängt fühlst - nichts würde ich schlimmer finden. Es sollte die Entscheidung sein, die sich für dich besser anfühlt.

Wobei man hinzufügen muss: Die wichtigste Person, deinen Sohn, können wir nicht fragen. Aber wenn jemand, der die Sprache von Ungeborenen spricht, ihn damals gefragt hätte - er hätte gewiss gesagt ja, er liebt dich. Warum? Weil alles, was du von dir erzählt hast, nur davon zeugt, dass du das Beste für ihn willst. Und du erfährst das, was alle Eltern erfahren müssen, ungewöhnlich früh: Nämlich dass es "das Beste" nicht gibt. Rundum glücklich, rundum sicher, das ist nicht zu machen. Ein warmes Nest ist keine Garantie für ein goldenes Leben, ja. Aber ein goldenes Nest ist auch keine Garantie für ein warmes Leben.

Jetzt gerade fragst du dich, ob du herzlos warst - oder bist -, dabei zeigt dein Text überdeutlich, dass das nicht der Fall ist. Liebe hat viele Gesichter, und drückt sich in den verschiedensten Weisen aus. Stell dir vor, du lebst mit deinem Kind, es ist inzwischen sechzehn, und du schreist ihn an, weil er die ganze Nacht weg war, ohne dich anzurufen? Du würdest heulen, er würde zurückschreien (und dann, wenn er in seinem Zimmer ist, auch heulen). Aber du würdest dich nicht so verhalten, weil er dir egal ist. Sondern, ganz im Gegenteil, weil du ihn liebst. So vielseitig ist die Liebe. Und ich glaube nicht, dass du geschrieben hättest, wie du geschrieben hast, wenn du dein Kind nicht von ganzem Herzen lieben würdest.

Die Familie, in die dein Kind käme, wenn du der Adoption zustimmen würdest, bietet ihm alles, was man sich nur wünschen kann. Zu deutsch: Es gäbe, objektiv betrachtet, keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben. Zum Glück ist die Liebe nicht nur objektiv. Du liebst dein Kind, es ist dein Fleisch und Blut. Wenn du es zu dir nehmen würdest, dann nicht aus praktischen Erwägungen, sondern weil du nicht erträgst, ohne es zu sein. Und dann ist das gut so. Eine Lösung findet sich. Für so vieles. Natürlich ist deine Wohnung ein Thema, aber es ließe sich eine andere finden. Vielleicht nicht gleich, vielleicht nicht so schön. Aber es wäre möglich. Du würdest auch mit Kind einen Job finden. Und einen Partner. So wie die Dinge jetzt stehen, wäre es ohne dein Kind unkomplizierter. Das hast du erkannt, und du tust recht daran, die zwei Seiten einander gegenüber zu stellen. Was ist dein Leben? Deine Wohnung, deine Arbeit, deine Beziehung, ja. Ein Kind zu haben, wenn man noch sehr jung ist, macht es nicht einfacher, aber auch nicht unschaffbar schwierig. Und dein Leben, das ist eben auch das, was jenseits von Geld und Haus und Herd liegt. Das, was dich glücklich macht. Mit deinem Kind könnten Engpässe entstehen, wo sonst keine gewesen wären. Vielleicht würdest du dich dann grämen. Aber du gewinnst doch etwas dafür? Und dich in diesen Momenten zu erinnern, dass du für mehr lebst als für das Äußere (so wichtig das auch ist!), das wäre die Kunst.

Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, dass du dich längst entschieden hast. Und zwar für dein Kind.

Hier komme ich erstmal zum Ende. Denn ich habe das Gefühl, dass alles Weitere nicht mit Worten beschrieben werden kann. Vielleicht schreibst du mir irgendwann einmal, wie du dich entschieden hast? Ich würde mich freuen.

Alles Liebe und Gute,

Paul