Problem von Jojo - 20 Jahre

Einsam und "zu lieb" - wie kann ich mich ändern?

Hallo liebes Kummerkasten-Team.

Ich bin JoJo und bin 20 Jahre alt. Ich mache zurzeit eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich und bin schon seit langer Zeit sehr unzufrieden mit mir selbst und mit meinem Leben :( Damit ihr mich und mein Problem besser verstehen könnt möchte ich euch meine Geschichte von ganz vorne erzählen.

Angefangen hat alles in der 6. Klasse, als ich noch 14 Jahre alt war. Damals war ein Mädchen in meiner Klasse, welches ich hübsch fand. So habe ich ihr einen Liebesbrief geschrieben und in ihr vor den Weihnachtsferien mitgegeben. Seit dem hat sie mich mit ihren Freundinnen gemobbt und mich psychisch total fertig gemacht. Dadurch habe ich meine ganzen Freunde verloren, denn die haben sich immer mehr von mir distanziert und mich alleine gelassen. Ich selber habe auch angefangen mich immer mehr zurückzuziehen und habe mich in die Welt der Videospiele geflüchtet. Das Mobbing zog sich von der 6. Klasse bis hin zur 9. Klasse, also über drei Schuljahre. In dieser Zeit war ich größtenteils alleine und habe nur sehr wenig "Kumpel" gehabt, die sich aber auch immer wieder über mich lustig machten - über Dinge die ich mag, die ich habe oder mein Verhalten. Das hat dazu geführt das ich mein Selbstvertrauen - mein Selbstbewusstsein verloren habe einen Selbsthass auf mich entwickelt habe und mich selber, wenn es ganz schlimm wurde auch verletzt hab, aus Wut auf mich selbst. Während dieser Schulzeit habe ich mich, wie gesagt in Videospiele geflüchtet, in denen ich neue Leute kennengelernt habe. Mit diesen habe ich mich gut verstanden und wir hatten eine Menge Spaß zusammen und somit habe ich mir sozusagen eine 2. Realität aufgebaut und mich immer nur mit meinen Online-Freunden beschäftigt. Wir haben fast jeden Tag zusammen gespielt und ist gehörte zu ihnen, wie wenn ich bei ihnen in die Schule gehen würde - obwohl sie rund 300 km weit weg wohnten. Ich habe mich dann auch in einen meiner Online-Freunde verliebt und ihm das dann auch irgendwann gebeichtet und er fand es ganz süß. Also haben wir uns dann auch angefangen zu treffen, trotz der großen Entfernung und meine Eltern haben mich mal zu ihm gefahren, er kam mal zu mir und es war schön - auch wenn die Treffen nur rein freundschaftlich abliefen. Wir trafen uns im April, im Juli und im Dezember und ich konnte all meine Online-Freunde auch im echten leben kennenlernen. Das Problem fing dann an, als der Online-Freund, den ich liebte es nicht mehr süß fand und es ihm irgendwann egal wurde und schließlich kam dann immer das Kommentar "schwul?" wenn ich ihm gesagt habe, das ich ihn liebe - das habe ich bis heute nicht verstanden, wiso er sich nach und nach, über zweieinhalb Jahre so stark von mir distanziert hat. Er wollte sich dann auch nicht mehr treffen und ich habe natürlich an ihm geklammert und auch wenn es mir sehr wehgetan, weil ich merkte das ich ihm egal wurde konnte ich ihn nicht loslassen. Nach ungefähr 3 Jahren war dann eines Sommers auch alles vorbei: Er hat mich ohne Grund aus seiner Freundschaftsliste gelöscht und mit ihm habe ich dann auch alle anderen online-Freunde verloren. Meine 2. Welt ist sozusagen zusammengebrochen und ich habe alles verloren was ich hatte und vorallem meine erste wahre liebe. Ich war dann sehr traurig und hatte einen Nervenzusammenbruch. Das war bisher der schlimmste Moment in meinem Leben...

Das war 2013, als ich in die 12. Klasse kam. Das Mobbing war zu diesem Zeitpunkt schon seit 3 Jahren vorbei, aber ich hatte gelernt mich abzuschotten und niemanden mehr an mich dran zu lassen und ich war sehr zurückhaltend und wirkte schüchtern. Die Zeit verstrich dahin und ich habe mich zuhause alleine beschäftigt und alleine gespielt und die Schule - mein Leben ging weiter wie zuvor. Ich war alleine und ich konnte mich in der Schule mit ein paar Mädchen anfreunden, weil ich neben sie gesetzt wurde, jedoch ist hierraus nie eine richtige Freundschaft geworden, weil einfach niemand an mit Interesse gezeigt hat oder mich richtig kennenlernen wollte. Mit den Jungs aus meiner Klasse, die in meinen Alter waren habe ich mich ganz ok verstanden...

Nunja, seit August 2014, wo meine Schulzeit offiziell endete bin ich in einer Ausbildung und habe dort - wie auch in der Berufsschule neue Leute kennengelernt. Auch hier habe ich einige Menschen gefunden, mit denen ich mich ganz gut verstehe aber auch hier habe ich das gefühl, dass das alles nur oberflächlich ist und niemand wirklich etwas mit mir machen möchte oder mit mir befreundet sein möchte...

Ich habe schon probiert neue Freunde zu finden aber immer wenn ich mit jemanden etwas machen wollte haben sie sich rausgeredet oder hatten etwas anders vor. Irgendwann wurde auch mir das dann zu blöd und ich habe es sein gelassen, weil ich einfach gemerkt habe das sie nicht möchten. In dieser langen zeit, die ich schon alleine bin habe ich mittlerweile auch kein Problem damit alleine zu sein und ich bin auch nicht der Junge, der unbedingt Freunde braucht aber kommen wir nun zu dem Punkt, wo es bei mir irgendetwas umgelegt hat, warum ich mich verändern möchte.

In meiner Ausbildung habe ich eine Praktikantin kennengelernt, mit der ich mich richtig gut verstanden habe und ich habe mich dann auch in sie verliebt. Jedoch hatte sie zu dieser Zeit einen Freund und dieser hat dann, als ihr Praktikum endete schluss gemacht (nicht wegen mir!) und sie war sehr traurig und enttäuscht. Ich habe mich dann nach ihrem Praktikum auch einmal mit ihr getroffen und wir waren zusammen im Kino, um sie abzulenken, jedoch wollte sie danach erstmal nicht mehr mit Jungs machen und somit ist der Kontakt zu ihr eingeschlafen, da es auch hier immer mehr einseitiger von mir aus wurde und irgendwann habe ich mich dann auch nicht mehr gemeldet und somit ist der Kontakt eingeschlafen. Ich war dann in meinem Sommer-Urlaub sehr, sehr traurig und habe den ganzen Urlaub nur an sie gedacht und habe sie vermisst... es war furchtbar, nicht so schlimm wie bei meinem Online-Freund aber wirklich schlimm. Jedenfalls habe ich seit diesem Zeitpunkt, vor gut einem halben Jahr das Bedürfnis, den sehr starken Wunsch eine Freundin zu finden. Ich habe einige Mädchen auf Facebook angeschrieben, aber auch hier war es ziemlich einseitig von mir aus und sie haben nie wirklich Interesse gezeigt. Ich habe es auch auf Seiten wie Lovoo versucht aber auch hier ist nie etwas richtiges bei rumgekommen :( Ich habe meine Cousine davon erzählt und sie gefragt und sie meinte, das ich rausgehen müsste, feiern gehen oder soetwas. Das würde ich auch gerne, aber ich habe niemanden der mit mir weggehen würde oder der etwas mit mir machen möchte und alleine kann und möchte ich das nicht :( Ich war schoneinmal alleine weg - auf einer Kirmes und da bin ich gut 3 Stunden alleine umher gelaufen und habe ein Mädchen gesucht, das ich ansprechen kann aber es hat nicht funktioniert :( Irgendwann wurde es dann leerer und ich stand alleine da und dann bin ich nach Hause gegangen... Ich war auch schoneinmal auf einer Geburtstagsfeier eingeladen, wo relativ viele Leute waren aber das ist dann auch so geendet, das ich alleine irgendwo rum saß und niemand etwas mit mir gemacht hat und so eine Situation ist mir sehr unangenehm...

Desweiteren wurde mir schon ein paar Mal gesagt, das ich einfach zu nett bin bzw zu lieb. Ich muss zugeben, das ich im Grunde ein echt lieber, netter und ruhiger Junge bin, das wurde mir auch so schonmal von jemandem gesagt. Ich wurde von meinen Eltern leider so erzogen und nach 20 Jahren, seitdem ich geboren wurde ist es sehr schwer etwas daran zu veränder, wenn du selbst Dinge tun sollst, die du als falsch erachtest, als unhöflich oder nicht nett... Jedenfalls bin ich einfach zu nett, lieb und brav und es gibt auch einige Leute im Fernsehen, die ich bewundere und am liebsten so sein würde wie sie (z.B. CM Punk, Big Jim, Reymond Reddington, Paul Heyman, etc.) nur traue ich mich das einfach nicht oder ich schaffe es nicht mich so zu verändern :/

Könnt ihr mir in meiner Situation bitte irgendwie helfen, was ich tun kann um eine Freundin zu finden, oder velleicht auch ein paar Freunde und wie ich mich selbst als Person ändern kann?

Anna Anwort von Anna

Lieber Jojo,

vielen Dank für Dein Vertrauen und auch Deine Beharrlichkeit über die letzten Jahre. Leider ist es uns Beratern nicht immer möglich, auf alle Probleme zu antworten - heute möchte ich es aber mal versuchen.

Sozial isoliert zu sein, ist wohl eines der schlimmsten Gefühle, die man haben kann. Vor allem in der Schule ist es schwer auszuhalten, denn gerade da muss man die meiste Zeit des Tages verbringen und das durchgehend mit anderen Menschen. Es freut mich, dass Du damals in dieser schweren Zeit wenigstens etwas Trost bei Menschen finden konntest, die Du erstmal nur digital gekannt hast. Auch wenn Du sie damals noch nicht persönlich gekannt hast - Deine Freude, Dein Zugehörigkeitsgefühl, diese Gefühle waren eben nicht nur digital, sondern echt und es ist wirklich schön zu lesen, wie glücklich Du von der Zeit damals berichtest. Wahrscheinlich gibt sie Dir noch heute viel Kraft, auch, wenn sich der Kontakt mit diesen Leuten verlaufen hat.
Mit ihnen hast Du es doch auch geschafft, Kontakt aufzubauen und sogar richtige Freunde in diesen Online-Kontakten zu finden! Woran also liegt es, dass Du es im "körperlichen" Leben nicht so gut hinkriegst? Ich glaube, dass es dafür mindestens zwei Gründe geben könnte.
Zum Einen ist es leichter mit Leuten zu kommunizieren, die man nicht sieht und mit denen man nur schreibt oder redet. Alle Zweifel am eigenen Körper werden hinfällig, was zählt ist nun nur noch die gemeinsame Zeit. So sollte es im richtigen Leben auch sein, aber da sind wir uns oft unsicher in Bezug darauf, was andere wohl von einem denken.
Zum Anderen hattest Du mit Deinen Online-Kontakten eine feste Gemeinsamkeit, und zwar das jeweilige Spiel, das ihr gezockt habt. Man muss sich nicht erst krampfhaft ein Gesprächsthema überlegen, denn man hat ja schon was worüber man sprechen kann. Somit fällt es viel leichter, Kontakt und Nähe aufzubauen.

Wenn das zwei der vielen Gründe sind, warum es Dir im Internet leichter fällt Kontakte zu knüpfen als im richtigen Leben, gibt es auch zwei Ansatzpunkte für Lösungen.
Zum Einen ist es wichtig, Dein Selbstvertrauen wieder aufzubauen. Trotz all der schlimmen Erfahrungen, die Du ab der sechsten Klasse gesammelt hast und trotz der daraus folgenden sozialen Unsicherheit, darf man nicht vergessen, dass ein gutes Körpergefühl unheimlich wichtig für´s Selbstbewusstsein ist. Fange mit einem Sport an, an dem Du wirklich Spaß hast. Das muss nicht direkt ein Vereinssport sein, denn dort würdest Du wieder zu sehr mit Deiner sozialen Unsicherheit konfrontiert werden. Jetzt beim Sport geht es darum, Dein Selbstbewusstsein zu stärken, einen Bereich für Dich zu finden, in dem Du wirklich stolz auf Dich bist. Du könntest joggen gehen, eine gute Möglichkeit wäre aber auch Training für Muskelaufbau!
Je wohler Du Dich in Deinem Körper fühlst, umso mehr Selbstbewusstsein wirst Du ausstrahlen und das ist sehr wichtig für ein stabiles soziales Miteinander.
Deine seelischen Wunden sind, glaube ich, sehr tief. Ich werde Dir zwei kleine Übungshefte empfehlen, mit denen Du schon mal ein bisschen lernen kannst, mehr zu Dir selbst zu finden und Selbstbewusstsein aufzubauen.Hier:
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Aber ich habe die Befürchtung, dass Du alleine mit solchen Übungen nicht unbedingt auf einen grünen Zweig kommen wirst. Mobbing ist eine Erfahrung, die wirklich sehr tiefe Kerben schlagen und das Selbstbewusstsein bis weit ins Erwachsenenalter schädigen kann. Ich würde Dir empfehlen, Dich an einen Therapeuten zu wenden und mit ihm einige Probestunden zu machen. Er kann Dir sagen, ob es notwendig wäre, eine Therapie zu starten. Dazu findest Du auch hier mehr: http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html

Zum Anderen ist es wichtig, Dich mit Menschen zu umgeben, mit denen Du schon Gemeinsamkeiten hast. Es ist sehr motiviert von Dir, alleine wegzugehen und zu versuchen, jemanden kennenzulernen. Aber klappen tut das meist nicht, weil einfach die ungezwungene Stimmung fehlt, die man oft braucht, um ungezwungen in ein Gespräch zu kommen. Vielleicht hast Du ja Lust, einem Verein beizutreten und zu schauen, ob da nette Menschen kennenlernen kannst. Wichtig ist es auch, Smalltalk zu lernen. Smalltalk ist keine Sache, die man entweder kann oder nicht kann, sondern eine Fähigkeit, die man lernen kann.
Hier findest Du einige Anhaltspunkte dazu:
http://www.zeitblueten.com/news/smalltalk-tipps/
http://www.amazon.de/Das-kleine-%C3%9Cbungsheft-Beziehungen-Bibliothek/dp/3941837702/ref=pd_sim_14_19?ie=UTF8&dpID=51Kf63bkjDL&dpSrc=sims&preST=_AC_UL160_SR126%2C160_&refRID=0M1XPZNAM4N6QXP3CB10

Es ist eine schöne Erwartung, wenn man auf Smalltalk verzichten will und Menschen am liebsten gleich richtig kennenlernt, aber eine Erwartung, die sich oft nicht erfüllt (außer in Online-Welten), da auch andere Menschen ihre sozialen Ängste und Selbstzweifel haben und oft nicht bereicht sind, gleich ans Eingemachte zu gehen.
Der Weg zu einem sozialglücklichen Leben und somit vielleicht auch zu einer Partnerin oder einem Partner fängt immer bei einem selbst an. Man muss sich selbst kennenlernen und versuchen zu verstehen und je mehr man das tut, desto sicherer wird man mit sich selbst. Und je sicherer man mit sich selbst ist, desto leichter wird es, selbstbewusst auf andere zuzugehen oder im Gruppengespräch mithalten zu können. Ich wünsche Dir auf Deinem Weg auf jeden Fall alles Gute und hoffe, dass Du bald zufriedener mit Deinem Leben bist. :-)

Liebe Grüße,

Anna