Problem von Jenny - 26 Jahre

Unglücklich in den Kollegen verliebt :(

Hallo liebe Community,
jetzt hat's mich auch erwischt...dachte ja nie, dass ich, die jahrelang selbst Kummerkasten für meine Freunde war, jetzt doch auch mal selbst einen brauchen würde. Aber hier bin ich.
Und das ist meine Situation.
Ich arbeite immer an drei bis vier Tagen in der Woche Schichtweise im Hotel. Einer meiner Kollegen hat es mir fast sofort angetan: Groß, unfassbar männliche Stimme, wahnsinnig charmant. Nicht unbedingt schön in dem Sinne, aber er hat das gewisse Etwas. Er liebt die Frauen, hat aber Prinzipien und spielt immer mit offenen Karten. Soweit ja okay, aber ich musste mich natürlich in ihn verlieben.

Da wir mittlerweile auch viel Persönliches reden, habe ich herausgefunden, wie viele Ähnlichkeiten wir haben. Nein, ich bastle mir da nichts zurecht - es sind tatsächlich gleiche Hobbys, Interessen, Ansichten und und und.
Ich weiß, dass er sich in eine Frau verliebt hat, die aus einem anderen Land zu Besuch war und jetzt wieder in ihrem Heimatland ist. Die beiden schaffen es wohl nicht so recht, den Kontakt abzubrechen, obwohl beide das vorhatten und wissen, dass es besser für sie ist. Nicht wissend, dass ich Gefühle für ihn habe, kotzt er sich immer mal wieder bei mir aus und fragt nach meiner Meinung. Da ich ein ziemlich sozialer Mensch bin und er mir am Herzen liegt, auch rein als Kumpel, helfe ich auch wo ich kann.
Bricht mir natürlich jedes Mal wieder das Herz.

Ich kann es ihm nicht sagen, da ich weiß, dass er keine Gefühle für mich hat. Ich kann es aber nicht sein lassen, mir Hoffnungen für die Zukunft zu machen. Allerdings bin ich skeptisch. Er sagt, ich könne gerne mal mit weggehen und er sagt Bescheid wann, hat sich aber nie gemeldet. Seine Körpersprache zeigt mir, dass ich der Fokus seiner Aufmerksamkeit bin, wenn er mit mir redet, aber das wars halt auch. Manchmal ärgert er mich, indem er mich sanfte Schläge auf den Oberarm verpasst oder meinen Sitz durchschüttelt - aber das macht er sicher mit allen weiblichen Kollegen.

Interessant, aber dieses Mal sind meine Gefühle auch vollkommen anders als bei allen davor. Irgendwie tiefer gehend. Vielleicht, weil er jemand ist, bei dem ich unter Umständen eine reelle Chance hätte. Ich entspreche sicher nicht seinem Idealbild, aber ich kann es nicht aufgeben zu hoffen, dass er irgendwann mal sieht, dass er mir wichtig ist und sich in mich verliebt. Dass er so ein bisschen Frauenheld ist, stört mich nicht groß. Ich will ihn nur nicht verlieren, auch nicht als Kumpel - und das befürchte ich, wenn ich es ihm gestehen würde.

Wie würdet ihr euch denn jetzt verhalten - und an alle Männer, die das lesen und mir Hilfestellung beim Männer-Deuten geben wollen, schreibt mir :D
Ich mache deswegen zur Zeit sehr miese Stimmungsschwankungen durch und will es nicht irgendwann aus Versehen an jemandem auslassen, der nichts dafür kann...
Braucht ihr noch mehr Infos? Immer gerne.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Jenny,

also, ganz witzig finde ich es schon: Wann immer du einen Grund nennst, warum du eigentlich mal mit der Sprache rausrücken könntest, beeilst du dich, zu sagen, dass du selbstverständlich weiter stumm leidest und das Risiko ja viel zu groß ist. Und wann immer du etwas sagst, wo ich jetzt einhaken könnte: "Moment mal, meinst du wirklich...", beharrst du "Doch, doch, das stimmt echt!" Hand aufs Herz: Wie möchtest du diese Situation, die für dich sehr unangenehm ist, auflösen, ohne ein Risiko einzugehen? Auch Männer, die der Frauenwelt sehr zugeneigt sind (okay, eigentlich sind das alle Männer, nur manche gehen offensiv damit um), sind der Liebe durchaus nicht abgeneigt. Ich denke aber, in den Augen eines solche Mannes musst du Profil gewinnen. Und wie willst du das schaffen, wenn du alles tust, um bei ihm ja nicht anzuecken? Ihn ja nicht auf den Gedanken zu bringen, er müsste sich mit dir auseinandersetzen, dir auch mal verzeihen können, wenn ihr zusammen wärt? Die Rolle der Kummerkastentante (oder des -onkels, der ich ja auch bin) ist schon recht bequem: Man steht eben immer als der Wissende und Verlässliche da, alle Konflikte finden ohne einen statt. Aber glaubst du, ich setze in meinem Leben alles um, was ich hier rate? Oh Mann, was wäre das toll... aber ganz so einfach ist es nicht. Es hat eben den Nachteil, der Ansprechpartner für Probleme zu sein, dass die eigenen gerne mal auf der Strecke bleiben. Und dir geht es ähnlich. Du musst es wagen. Und nur, wenn du dich traust, kannst du wissen, ob das, was du dir so sorgfältig überlegt hast, auch so stimmt.

Ich bin eigentlich nicht für Geschlechterklischees, versteh mich nicht falsch. Aber bei Männern ist es wirklich gerne mal so: Du musst eindeutig sein. Es gibt vielleicht ein paar moderne Mythen, die sich bei einigen Frauen hartnäckig halten - wie etwa, man müsse sich, wenn man mal auf Tuchfühlung gegangen ist, von dem Kerl zurückziehen, damit seine Treue getestet wird. Der Erfolg ist, dass der Mann verwirrt ist und anfängt, zu misstrauen. Und bei dir und deinem Kollegen verhält es sich so: Ihr könnt gut reden, nur nicht über euch beide. Ich gehe davon aus, dass er dich attraktiv findet. Ob da mehr ist - das wirst du nur wissen, wenn du es ins Gespräch bringst. Der Märchenprinz auf seinem weißen Pferd ist leider verunglückt. Man muss selbst nachfragen, wenn man ganz sicher gehen will. Und Männer erleben solche Situationen auch. Bisher sieht es für mich aus, als hättest du keine schlechten Chancen, aber auch nicht die besten. Sein Verhalten zeigt, dass er dich schätzt - was seine Gesten bedeuten, ist schwer zu bewerten, weil es eben seiner Persönlichkeit entspricht. Es steht für eure Vertrautheit, aber nicht unbedingt, weil er es macht (denn, wie du sagst, du bist wohl nicht die einzige), sondern weil er dich gleichzeitig auch in seine Gedanken und Gefühle einweiht. Man kann Männer nicht universell deuten, aber wenn ein Mann zu dir über seine Gefühle spricht, ist es sicher kein schlechtes Zeichen. Man hat ja so seine Dialekte: Wie ich mit meinem besten Freund über die Liebe spreche, das ist was ganz Anderes, als mit einer Freundin, als mit meinem Bruder... und so weiter. Wenn du jetzt einmal beginnst, von dir zu erzählen, wird ihn das womöglich überraschen. Es wird ihm aber allein schon zeigen, dass du aktiv wirst, wird dich für ihn präsenter machen. Was daraus werden kann - das ist dann immer noch offen. Aber das Spiel ist eröffnet.

Wie stark ist für dich die Angst, dass aus ihm und seiner Freundin im Ausland noch mehr werden könnte? Das ist in der Tat etwas, das ihn hemmen könnte. Doch du gewinnst nicht, wenn du abwartest, bis sie vielleicht doch einen Weg finden, und deine Chance vertan ist. Du willst dieser Frau ja nicht böse. Wenn er sie liebt, wird er dir, wenn er aufrichtig ist, sagen, dass es mit euch aus diesem Grund nichts werden kann - weil sein Herz ihr gehört, oder weil sich noch keine Aussage machen lässt, das Ganze zu frisch ist. Wenn er sich mit dir einlassen möchte, ohne dass diese Beziehung eigentlich abgeschlossen ist, dann ist er vielleicht leichtlebiger, als du dachtest. Aber egal, wie er reagiert - wenn du dich wirklich ernsthaft ins Gespräch bringst, sind deine Aussichten gar nicht schlecht. Du darfst aber nicht rumdrucksen, du musst klar und ehrlich sein. Ihm zu sagen "Also, ich mag dich schon richtig, richtig gern, aber ich will dir jetzt auch nicht im Wege stehen...", das ist Quark. Auch ist es nicht ideal, wenn du deine Sorge um eure Freundschaft in den Vordergrund stellst: "Ich weiß, wir sind gute Freunde, da ist sowas ungünstig, aber ich könnte mir mehr vorstellen..." Sei klipp und klar. Sag ihm: "Du, es ist wunderschön, mit dir zusammen zu sein. Ich muss ständig an dich denken, ich habe mich in dich verliebt." Er ist ein Mann. Er braucht eine Ansage. Jeder Mann ist empfänglich für Schmeicheleien, was es im Prinzip ist, allerdings ehrlich gemeint.

Wenn du so zu ihm sprichst, vermittelst du ihm nicht nur den Gedanken "Hey - die traut sich ja was!", sondern machst ihm auch deutlich dass hier jemand ist, die ihn gerne aufnimmt. Und die andere Frau erfährt durch so ein Vorgehen am meisten Gerechtigkeit. Wenn du dich mit jemandem gut verstehst, dir überlegst, ob da mehr sein könnte, ist es nicht verwerflich, deine Gefühle zu gestehen. An der Art, wie derjenige reagiert, wirst du gleich sehen, wie sehr er dich verdient, und sie: Du möchtest ihn ganz, du möchtest nicht hingehalten werden, möchtest auch nicht eines von zwei Eisen im Feuer sein - und das ist jetzt kein Vorwurf an ihn, Mann kommt schneller in diese Lage, als er glaubt. Du willst, dass er dir gehört. Oder wie meinst du es sonst, wenn du sagst, über die Andere zu hören, bricht dir das Herz? Und welchen Gewinn erhoffst du dir von einer Freundschaft, in der du zerrissen bist zwischen deiner Hoffnung und deinem Schmerz? Was aus euch wird, wenn er deine Gefühle gar nicht erwidert, darüber lässt sich reden, wenn es einmal raus ist. Unter Freunden kann man das schließlich. Falls nicht - wüsstest du auch dann wieder, dass deine Gefühle falsch angelegt sind. Aber davon gehe ich nicht aus. Ist es nicht auch möglich, dass er selbst auch mal schüchtern ist? Vielleicht sogar bei dir? Es gibt auch die Liebe auf den zweiten Blick. Und zu beeindrucken, wenn man liebt, und gewohnt ist, ohne Gefühle zu beeindrucken, das kann ganz schön schwer sein für ihn.

Es fängt im Grunde ja erst an mit euch, wenn du dich öffnest - erst dann erfährst du, wie es um seinen Charakter im Allerinnersten bestellt ist. Gemeinsame Interessen sind etwas Gutes, aber nicht zwangsläufige Bedingung. Wichtiger ist, was du von ihm an Ehrlichkeit und Redlichkeit erwarten kannst - dass er dich nicht hinhält, sondern sich klar zu dir bekennt, oder dir auch deutlich sagt, dass da gerade nichts ist. Viel Liebe kann Mann zu Kopf steigen, aber sie ist kein Grund, überheblich zu werden. Und andererseits, das muss man sagen, sind auch Frauenhelden ehrenwerte Männer, nicht immer, aber doch sehr oft. Ich sage das so, oder deute es immer wieder an, weil mir scheint, du hast Angst, dass er über die Freundschaft hinaus eine unschönere Seite offenbaren könnte. Das wissen wir nicht. Doch du wirst es auch am klarsten erfahren können, wenn du Mut zeigst. In jedem Fall hast du die quälende Ungewissheit für dich beendet und deinen Standpunkt unterstrichen. Wenn du ihn liebst, möchtest du doch mit ihm zusammen sein, oder? Es ist so ein edles Ideal, "die Freundschaft nicht zu gefährden". Aber die Freundschaft ist schon vorbei, Jenny, schon jetzt, sie reicht dir nicht mehr, und was immer später noch werden könnte, wenn du nicht mit ihm zusammenkommt - es muss sich nach anderen Voraussetzungen richten. Es wird nicht unbedingt schlechter, aber anders. So wenig wie es ein Grund ist, sich zu grämen, dass du dich in ihn verliebt hast, so wenig ist es ein Grund, dass alles vorbei sein muss, wenn er deine Liebe nicht erwidert. Die Freundschaft kann im Rahmen einer Beziehung weiter bestehen; wenn kein Paar aus euch wird, ist sie deshalb noch nicht tot, im Gegenteil. Trauere doch nicht einem Zustand nach, der eigentlich schon verstrichen ist, weil du einfach mehr willst - daran ist doch nichts Falsches. "Freundschaft" ist für dich das, was sein sollte, wenn nicht real wäre, was real ist: Deine Liebe zu ihm. Und das, was real ist, danach solltest du dich richten, mit allem Anderen formulierst du zwar edle Ansprüche, aber bewirkst doch nur weiteres Leid für dich. Darum bring nun deine unausgesprochene Liebe dar, und dann kommst du auch wieder in ruhigeres Fahrwasser - ganz bestimmt. Wie es beschaffen ist, weiß man nicht. Aber wirklich angenehm und positiv, ob als Paar oder als Freunde, kann es sich nur gestalten, wenn du dich öffnest. Alles Andere sind eher Wunschträume, die sich nach einer Vorstellung richten, die nicht der Wirklichkeit entspricht. Du liebst ihn - das liegt an. Und du hast den Vorteil, du weißt es. Über Freundschaft kann man sprechen, wenn dieser Punkt geklärt ist. Und weil er soviel verspricht, wenn deine Sehnsucht sich erfüllt (vielleicht wird sie das ja!) solltest du dich auch trauen. Anders ist es viel schrecklicher, als dich aus edler Selbstbescheidung zu unterdrücken. Darum - los, auf! Ich wünsche dir viel Glück.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul