Problem von Anonym - 16 Jahre

Ich kann nicht mehr will sterben

HEY liebes Kuka Team..
Ich habe ein Problem.
Unzwar lebe ich in einer strengen Familie..
Ich darf nichts mit Freunden machen, wenn dann sehr selten. Vllt 1-2 mal im Monat. Meine Mutter ist sehr aggressiv. Wenn Sie sauer ist schlägt sie mich oder macht machen von mir kaputt. Sie rastet immer aus und sagt mir das sie mich hasst. Manchmal ist sie auch total nett zu mir. Aber überwiegend ist sie sehr aggressiv sie schlägt mich echt doll. Ich weine sehr oft und weiß nicht mehr weiter. Ich ritze mich seitdem ich 15 bin.. Ich denke immer an Selbstmord. Das ist für mich eine gute Lösung. Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich leide auch unter 1 Jahr an Bulimie, es wird immer schlimmer. Ich will sterben. Was soll ich tun? Ich kann nicht mehr ich will sterben. Mein Vater sagt nichts dazu. Bitte helft mir was soll ich tun? Wenn jch zur Polizei oder zum Jugendamt gehe bringen die mich um. Die drohen mir immer wenn ich zur Polizei gehe dann werde ich schon sehen. Was soll ich tun? Ich bitte um schnelle Hilfe

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

meine Antwort leider doch viel später bei dir ein. Ich hoffe sehr, dass dir in der Zwischenzeit nichts zugestoßen ist. Es klingt sehr schlimm, was du schilderst - und es ist dringend notwendig, diese Zustände zu beenden.

Möglicherweise schockt es dich, was ich jetzt schreibe: Aber du verwirrst mich. Einmal schreibst du, Selbstmord sei für dich eine Lösung - dann wieder macht dir die Aussicht Angst, deine Eltern könnten sich bis zum Tod an dir vergreifen. Wenn du ihnen das zutraust, zeigt das nur umso mehr, wie notwendig es ist, dass du dich tatsächlich an Polizei oder Jugendamt wendest. Aber lass es mich noch einmal deutlich machen: Der Tod erschreckt dich weiterhin. Du hast dich nicht aufgegeben. So verstehe ich dich. Ich sehe bei dir das Bewusstsein, dass nicht du das Problem bist, sondern die Verhältnisse, in denen du lebst. Dass nicht du verschwinden musst, sondern diese Umstände. Und sie treten auch in Gestalt deiner Eltern zutage. Dein Text, so sehr es mich entsetzt, dass solche Dinge passieren, gibt mir auch das Gefühl, dass hier ein Mädchen ist, die genau weiß, dass sie ein Recht auf Leben hat. Und zwar auf ein glückliches und selbstbestimmtes Leben.

Selbstmord ist keine Lösung, das ist er nie. Denn Selbstmord, was heißt das Anderes, als seine Niederlage einzugestehen? Den Menschen Recht zu geben, die einen schlecht behandelt haben? Sicherlich hast du Geschichten gehört, in denen Jugendliche Selbstmord begingen, und danach waren allen furchtbar schockiert. Einschließlich derer, die sie gemobbt, geprügelt, bestohlen und beschimpft haben. Aber ist das wirklich immer so? Und falls ja, wie lange wird es andauern? Werden sie sich nicht in manchen Fällen auch rasch damit abfinden, dass der Mensch, den sie ohnehin nicht mochten, fort ist - und sich womöglich ein neues Opfer suchen? Möglich ist es. Und daran siehst du, liebe Anonyme, dass so die Gerechtigkeit nicht aussehen kann. Wer jemanden so behandelt, wie deine Eltern dich behandeln, dem darf man nicht nachgeben - auch wenn es sich, wie bei dir, um nahe und nächste Verwandte handelt. Dem Menschen ist keine Grausamkeit fremd, in keiner Situation. Ungerecht wäre, wenn du dich jetzt entschließt, deinem Leben ein Ende zu setzen, denn das würde bedeuten: Du - die Person, die für nichts etwas kann - wäre fort. Wäre tot, aus der Welt geschieden ,wer weiß wohin, ohne Hoffnung, dass aus ihrem jungen Leben, das so viel Schönes hätte bereit halten können, noch etwas wird. Währenddessen die Menschen, die für ihr Leiden verantwortlich waren, ungestraft davon kommen, und vielleicht nicht einmal darüber Klarheit erlangen, was sie da eigentlich tun. Das ist ungerecht. Gerecht wäre es, wenn du dich an Menschen wendest, die dir helfen und dich schützen können - zum Beispiel das Jugendamt, die Polizei, im Grunde geht jeder erwachsene Mensch, dem du vertraust und der dir beisteht, diese Schritte zu tun - und sodann die Hilfe bekommst, die du verdienst. Abstand zu deinen Eltern. Eine Strafe für sie, möglicherweise, und Verhältnisse für dich (auf jeden Fall, unbedingt!), in denen du zur Ruhe kommen, und wieder Spaß am Leben entwickeln kannst. Um genau das anzustoßen, dafür sind diese Hilfsangebote da. Würden all jene, die sie benötigen - darunter auch du - sie nicht wahrnehmen, weil sie (oft zu Recht, leider) die Folgen fürchten, dann könnten wir auch gleich akzeptieren, dass Frauen und Kinder geschlagen, Schüler bis aufs Blut drangsaliert und Leute herumgeschubst, erpresst, bedroht und vergewaltigt werden. Aber wir werden es nicht akzeptieren. Ich möchte nicht, dass du es akzeptierst. Um der Gerechtigkeit willen.

Für mich sieht es ganz so aus, als seien das größte Problem deiner Eltern sie selbst: Oder wie siehst du es, wenn deine Mutter einmal freundlich zu dir ist, dann aber wieder hart und grausam? Es ist nicht gesagt, dass du ihr nichts bedeutest, nie bedeutet hast - aber: Sie handelt nicht, als ob es so wäre. Und deshalb kannst du auch keine Rücksicht darauf nehmen. Das schlechte Gewissen anderer Leute, nur weil es sichtbar ist, rechtfertigt nicht, dass sie weitermachen in ihrem Tun. Sie darf es nicht. Du bist ihr Kind. Erziehung - ja, Erziehung braucht jeder Mensch. Aber nichts, und am wenigsten die Tatsache, dass es sich um das eigene Kind handelt, rechtfertigt Gewalt. Und wir, die wir hier draußen sind und möchten, dass es dir besser geht, wir wissen das. Wir werden uns nicht täuschen lassen davon, dass deine Mutter ein schlechtes Gewissen hat, aber weiter schlägt, dein Vater das nicht tut, aber keinen Anstand hat. Wir werden dich im Blick haben und dein Wohlergehen. Hab keine Angst, denn du bist im Recht.

Große Sorge bereitet mir auch, dass du zusätzlich unter der Bulimie leidest und dich selbst verletzt. Das macht es nur noch dringender, dass du dich aus diesen Verhältnissen befreist. Damit dir geholfen werden kann. Ob du deinem Leben in einem Moment ein Ende setzt, oder langsam dahinschwindest - beides ist gleich furchtbar. Es darf nicht geschehen. Es ist furchtbar, dass du zusätzlich zu der Geringschätzung durch deine Eltern, noch die Geringschätzung durch dich selbst schultern musst. Auch diese ist aber kein unaufhebbares Schicksal. Es gibt die Möglichkeit einer Therapie, und der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung ist wiederum, dass die Ursachen dieser Erkrankung und des Zwangs beseitigt werden. Doch solange du dich scheust, wird es nicht gelingen können. Darum muss ich es dir noch einmal deutlich sagen: Du bist im Recht. Du hast ein Recht, dass es anders wird, als es ist. Mancher würde nach deinem Text sagen, dass du gerade das am besten weist. Ich sehe es so, dass du dich nach deinem Recht sehnst, aber zögerst, es einzufordern. Aber es darf dich nichts halten. Denn du bist auch ein Mensch, auf den ein Leben wartet, das dir mehr bietet als Schmerz und Angst. So ist es richtig. Und ich wünsche dir, dass du es nicht vergisst - und den Mut, dafür einzutreten. Denn den braucht es. Aber ich bin zuversichtlich, dass du es schaffen kannst.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul